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Gerhard Mangott im Interview – Russland-Experte erklärt, warum Putin vor einem Vormarsch im Baltikum zurückschreckt

Wieder Aufregung an der Grenze zwischen Russland und Estland. Berichten zufolge musste der Nato-Staat Anfang Oktober einen Grenzübergang im Südosten des Landes vorübergehend schließen, nachdem dort mehrere bewaffnete Soldaten ohne Staatsabzeichen aufgetaucht waren. Sie wecken Erinnerungen an die „kleinen grünen Männchen“, die 2014 im Auftrag Putins völkerrechtswidrig die Krim annektierten. Sollte Estland eine ähnliche Invasion befürchten? Russland-Experte Gerhard Mangott analysiert die Lage für FOCUS online.

Mangott: „Dass der Wille zur Unterstützung der Ukraine in der Bevölkerung Europas abnimmt“

„Ich halte das für sehr unwahrscheinlich und halte es eher für eine Provokation der russischen Seite, um bei der europäischen Bevölkerung und insbesondere bei den Balten Angst und Verunsicherung zu schüren. Ich glaube nicht, dass Russland derzeit einen militärischen Angriff wagen wird, auch wenn er nur begrenzt ist, denn einen Krieg an zwei Fronten kann sich Russland sicherlich nicht leisten“, erklärt der Experte. Dafür sieht Mangott drei konkrete Gründe: „Es mangelt an militärischer Ausrüstung und Militärpersonal. Und Russland weiß auch, dass im Falle eines Angriffs auf einen NATO-Staat das Risiko einer Eskalation sehr, sehr hoch ist und niemand weiß, wohin diese Eskalation tatsächlich führt. Dann ist sie für beide Seiten außer Kontrolle geraten.“

„Impuls für wachsenden Unmut gegen die Unterstützung der Ukraine“

Das Motiv ist also ein anderes. „Es bereitet ihm Sorge, dass in der Bevölkerung Europas der Wille, die Ukraine zu unterstützen, abnimmt. Wenn man mit der potenziellen Gefahr eines russischen Militärangriffs konfrontiert wird. Das können weder Drohnen noch Flugzeuge noch grüne Menschen, zumindest nur sehr schwach, leisten „Könnte dem wachsenden Unmut der Bevölkerung gegen die Unterstützung der Ukraine zusätzlichen Auftrieb geben, und darauf zielen diese Provokationen auch ab“, erklärt Mangott.

Bruno Kahl, der damalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, hatte bereits im Juli vor diesem Szenario gewarnt. Zahlreiche Experten, darunter der Militärexperte Carlo Masala, halten es seit langem für möglich, dass Estland das erste Nato-Mitglied sein könnte, das ins Visier von Wladimir Putin geraten könnte.

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