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Torsten Schreiber hat mit Africa Greentec Millionen gesammelt, um die Sahelzone mit Solarstrom zu elektrifizieren. Forschung von WDR Und SZ bringen nun Licht auf die fragwürdigen Machenschaften des „Klimakriegers“.
Torsten Schreiber ist mehr als nur Unternehmer, als „Klimakrieger“ glaubt er offenbar auf einer Mission. Mal meldet sich der Mann mit dem dunkelblonden Bart von einem klapprigen senegalesischen Fischerboot, mal zusammen mit einem malischen Olympioniken aus einer Lagerhalle. Seine Botschaft ist klar: Er redet nicht nur davon, die Welt zu verbessern, er engagiert sich. „Das tun wir.“
Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz wurde mit dem deutschen Sozialunternehmer ebenso fotografiert wie Macky Sall, ehemaliger Präsident Senegals und Friedensnobelpreisträger Muhamad Yunus aus Bangladesch. Die Presse feierte ihn. Schreiber und sein Unternehmen Africa Greentec (AGT) wurden mit Auszeichnungen überschüttet.
Kleine Solarkraftwerke
AGT wollte mit kleinen Solarkraftwerken Dörfer in der afrikanischen Sahelzone mit sauberem Strom versorgen. Im Herbst 2015 stellte AGT den ersten „Solartainer“ in Mali auf. Ein rot-gelb-grün gestrichener Frachtcontainer mit auf dem Dach montierten Photovoltaikpaneelen.
Gutes tun und damit Geld verdienen – das hat Hunderte Kleinanleger überzeugt. Nach Angaben von Finanzierungsplattformen im Internet haben sie per „Crowdfunding“ mehr als drei Millionen Euro für AGT-Projekte, Unternehmensbeteiligungen und Projekte von Kooperationspartnern überwiesen. Auch professionelle Investoren beteiligten sich. Darüber hinaus erhielt das Sozialunternehmen mehr als vier Millionen Euro Landesförderung von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und weitere über vier Millionen Euro Bundesförderung von der Technischen Universität Köln.
Doch mehr als zehn Jahre nach der Gründung der „Africa Greentec AG“ gleichen die ehemaligen Produktionshallen im hessischen Hainburg einer verlassenen Industrieruine. Bei einem Besuch vor einigen Wochen umgaben Gras und Büsche verlassene bunte Behälter, von denen die Farbe abblätterte. Autos ohne Kennzeichen, Produktionshallen voller Müll. Als Geschäftsadresse ist im Handelsregister ein Frankfurter Bürogebäude eingetragen.
Probleme im Senegal
Nach Angaben des Unternehmens sind AGT-Solaranlagen in Mali (26 Standorte), Madagaskar (zwei Standorte), Niger (drei Standorte) und Senegal (zwei Standorte) in Betrieb. Doch vor allem das Geschäft im Senegal bereitet große Sorgen. Kleinanleger warten auf Rückzahlung und Zinsen für 2025. Der Mutterkonzern kämpft nach eigenen Angaben gegen den Abwärtstrend. Der Tochtergesellschaft im Senegal droht die Liquidation. Schreiber gab seinen Vorstandsposten bei AGT auf und gab zuletzt auch seine Anteile am Unternehmen ab.
Wo sind die ganzen Gelder für Senegal geblieben? WDR und die Süddeutsche Zeitung konnten Dokumente und Mitteilungen einsehen, Geldflüsse nachvollziehen und mit Insidern sprechen. Die Forschung wirft Fragen zum Geschäft des „Klimakriegers“ auf.
Vor allem die Lage im Senegal erscheint prekär. Im September bereitete AGT seine Anleger auf ein „Worst-Case-Szenario“ vor: die mögliche Liquidation von AGT Senegal. Anleger können sich kaum ein eigenes Bild machen. AGT Senegal hat seinen Jahresabschluss 2023 noch nicht veröffentlicht. Das Bundesamt für Justiz hat deswegen nun ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Wirtschaftsprüfer in Auftrag gegeben
Die Geschäftsführerin der senegalesischen Tochtergesellschaft beauftragte ihrerseits einen Wirtschaftsprüfer mit der Untersuchung der finanziellen Situation von AGT Senegal. Im April reichte sie Beschwerde bei der Finanzstaatsanwaltschaft in Dakar ein.
Grund für ihren Unmut sind nach Recherchen von Table.Briefings mehrere Käufe, darunter der Kauf zweier Immobilien, die Schreiber mit Geldern von AGT Senegal getätigt haben soll. Schreiber, so der Vorwurf, soll zweckgebundene Gelder für andere Projekte ausgegeben haben. Auch die Strafanzeige liegt vor WDR und SZ vor. Das Justizministerium im Senegal wollte sich gegenüber Table.Briefings nicht zu dem Fall äußern, da es sich um ein „laufendes Verfahren“ handele.
Ein ähnliches Bild zeichnete AGT-Chef Wolfgang Rams bei einer Krisensitzung vor den Aktionären im Juni dieses Jahres. Das geht aus einer Audioaufnahme hervor WDR und SZ wurde durchgesickert. Rams beschreibt dort, dass er die „klare Erkenntnis“ hatte, dass im Senegal „Immobilien mit Crowdfunding-Geldern gekauft wurden“.
Zum Rücktritt gezwungen?
Schreiber stimmte darüber nicht ab, weshalb Rams ihn zum Rücktritt von seinem Vorstandsmandat drängte. „Es begann Mitte 23, als klar war, dass erstens kein unternehmerischer Erfolg eintreten würde, b) die Kosten zu hoch seien und c) die kreative Gestaltung im Senegal regierungstechnisch nicht tolerierbar sei.“
Dem Plan zufolge soll ein eventueller Schaden, der im Senegal entsteht, durch eine Aufhebungsvereinbarung mit Schreiber geregelt werden. Laut Rams wurde der AGT-Gründer unter Druck gesetzt, seine Anteile zu verkaufen. Tatsächlich haben Schreiber und seine Frau nun offenbar ihre Anteile unentgeltlich an die AGT AG übertragen.
Schreiber bestreitet die Vorwürfe und sagt über einen Medienanwalt: „Alle von Ihnen angesprochenen (zum Teil längst zurückliegenden) Vorgänge und Sachverhalte wurden – anders als Sie den Eindruck haben oder vermitteln wollen – von meinem Mandanten ordnungsgemäß und vertragsgemäß durchgeführt, geprüft und abgerechnet.“
Vorwürfe wurden entschieden zurückgewiesen
Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen ist es nicht möglich, darüber hinausgehende Details preiszugeben, die ein völlig anderes Bild ergeben würden. In einer früheren Stellungnahme im Juni hatte Schreiber die Vorwürfe zu der Beschwerde im Senegal entschieden zurückgewiesen. „In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass alle Transaktionen während meiner Vorstandszeit genehmigt wurden.“
AGT ließ umfangreiche Fragen unbeantwortet. „Wir möchten Sie darüber informieren, dass Africa Greentec derzeit keine Stellungnahme zu Presseanfragen zu früheren und/oder abgeschlossenen persönlichen Daten oder Geschäftsvorfällen abgeben möchte“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Nach einer massiven Verschlankung des Teams gilt es nun, die Ressourcen ganz auf die Umsetzung operativer Projekte in Senegal, Mali, Niger und Madagaskar zu konzentrieren.
Ein anderes Geschäft lässt Zweifel an Schreibers Darstellung aufkommen. Es geht um einen Deal rund um die Solarbakery GmbH, ein Startup mit ehrgeizigen Plänen: Unter anderem im Senegal sollten kleine Bäckereien in umgebauten Solarcontainern entstehen. Offenbar ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats kam es im November 2021 zu der Transaktion. Laut notariellem Kaufvertrag von Torsten Schreiber erwarb AGT zehn Prozent der Solarbakery-Anteile für 330.000 Euro.
Verkäufer und Käufer zugleich?
Tatsächlich war Schreiber bei der Transaktion sowohl Verkäufer als auch Käufer, denn er verkaufte seine eigenen Anteile an der Solarbakery an die AGT AG, deren Mehrheitsaktionär er damals war.
Noch ungewöhnlicher: Laut Aufsichtsratsbeschluss WDR Wie die SZ sehen konnte, stimmte der Kontrollausschuss dem Deal erst mehr als ein Jahr später, nämlich Anfang 2023, zu. „Der Aufsichtsrat war von dieser Übernahme sehr überrascht und hat sie sofort als zustimmungspflichtige Transaktion eingestuft, die ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats durchgeführt wurde“, sagte ein beteiligtes Aufsichtsratsmitglied.
Anschließend wurde über die sofortige Abberufung beider Vorstände diskutiert und schließlich plädierte eine Mehrheit des Aufsichtsrats für eine spätere Zustimmung zum Deal. Allerdings wurde eine Bedingung formuliert: Sollte AGT bis zum Jahr 2028 nicht mindestens 900.000 Euro durch seine Investition erwirtschaften, müsste Schreiber einen Teil des Kaufpreises zurückzahlen.
Die Solarbakery GmbH ist zahlungsunfähig
Dieses Ziel wird schwer zu erreichen sein. Die Solarbakery GmbH ist inzwischen zahlungsunfähig. Ob Schreiber das Geld zurückgezahlt hat, ist nicht bekannt. Weder AGT noch Schreiber äußerten sich zum Kauf.
Schreiber, der mit seiner Familie in eine Strandvilla im Senegal zog, ließ sich seinen Job als CEO gut bezahlen. Er stellte Monat für Monat Rechnungen aus WDR und SZ konnte teilweise sehen. Allein zwischen Juni 2022 und Juni 2024 reichte Schreiber Vergütungsrechnungen in Höhe von rund 400.000 Euro ein. Einige Zahlungen gingen direkt auf Schreibers Privatkonto, andere auf das Firmenkonto der „Rockmy Startup GmbH“. Das Unternehmen gehörte seiner Frau und Schreiber war dort Geschäftsführer.
Konkrete Fragen dazu beantwortet Schreiber nicht. Allerdings teilte er einem Medienanwalt mit, dass die Vergütung vor dem Hintergrund des Aufwands und Risikos in Gefahren- und Kriegsgebieten zu sehen sei und sie „auf Wunsch meines Mandanten bewusst weit unter der marktüblichen Vergütung für vergleichbare Tätigkeiten“ liege.