Für die Ukraine und Teile Mitteleuropas war es der erste Tag seit Jahrzehnten ohne russisches Gas in der Pipeline. Am Neujahrstag wurden die Lieferungen in die Ukraine eingestellt, nachdem ein Transitvertrag zwischen den beiden verfeindeten Nationen ausgelaufen war und erstmals nach über 50 Jahren keine Einigung gefunden werden konnte.
Die Gasspeicher Europas leerten sich bereits zum Ende des Jahres so schnell wie seit 2021 nicht mehr, die Berliner Zeitung hatte berichtet. Händler hatten mit dem Ausfall gerechnet und beobachten nun die Entnahme aus den Lagerbeständen der jeweiligen Länder.
Doch wo stehen die Gaspreise am ersten Handelstag ohne Transit über die Ukraine? Und wie abhängig ist Deutschland und Europa noch von russischen Importen?
Erdgaspreis bleibt an der Börse hoch
Groß war die Panik am letzten Handelstag für Erdgas in 2024. Mit dem bevorstehenden Stopp der russischen Gaslieferungen über die Ukraine haben die Preise für zukünftige Verträge mit Erdgas für Februar (Futures) am 30. Dezember um bis zu 4,3 Prozent zugelegt. Mit 51 Euro pro Megawattstunde erreichten die Großhandelspreise sogar den höchsten Stand in Europa seit Oktober 2023, meldeten Bloomberg-Analysten. Der Erdgaspreis an der Börse für eine mmBtu (Mio. British Thermal Unit) schloss am selben Tag mit 3,70 Euro ab. Und dieser wirkt sich eben auf den Preis pro Megawattstunde aus.
Und heute? Der Blick auf die Börsenpreise für Erdgas lassen Händler am ersten Handelstag in 2025 nur ein wenig aufatmen. Eine mmBtu wurde am Donnerstagmittag für 3,50 Euro gehandelt – der Index ist also wieder etwas gesunken. Eine Veränderung zum Vorhandelstag von minus sieben Prozent trügt aber das Bild.
Analysten: Gaspreise werden 2025 noch höher
Im Juli 2024 lag der Preis für eine mmBtu noch bei rund zwei Euro. Experten sagen, dass sich europäische Händler und Konsumenten von Preisen in dieser Größenordnung längst verabschieden können. Der Durchschnittspreis für Erdgas wird im Jahr 2025 deutlich höher liegen als der Rekordpreis von 2024. Sogenannte Future-Kontrakte rechnen schon jetzt mit einer Zunahme von zehn Euro pro Megawattstunde.
Der Stopp der Gaslieferungen über die Ukraine kommt zeitgleich mit Temperaturen von unter null Grad in der Slowakei, Polen und auch Ungarn, was den Heizbedarf in die Höhe treibt. Zudem gehen die Puffer aufgrund von Windstilleperioden noch schneller zur Neige. Die Gaslieferungen sind zwar laut der Europäischen Kommission über alternative Routen wie Deutschland und Italien und durch Entnahmen aus Speichern gesichert. Doch für Händler könnte es schwierig werden, die Lagerbestände für den darauffolgenden Winter wieder aufzufüllen, sagen Experten.
TurkStream als einzige Pipeline-Alternative für Putin?
Die Slowakei schätzt, dass Gasimporte aus dem Westen zusätzliche Kosten von 177 Millionen Euro (183 Millionen Dollar) verursachen würden. Laut Chefanalyst bei Global Risk, Arne Lohmann Rasmussen, würde die Abhängigkeit von LNG-Lieferungen immer weiter zunehmen, vor allem aus Russland und den USA. Und die würden gerade für Binnenstaaten aufgrund des Transports über Land extrem teuer werden. Auch die Energieberater bei Baker & Mckenzie LLP rechnen mit Preisaufschlägen durch LNG-Transporte.
Für die russischen Lieferungen durch die Pipeline gibt es künftig nur noch eine einzige Route nach Europa: eine Leitung, die durch die Türkei führt und den Brennstoff nach Ungarn schickt: TurkStream.
Der Transit durch die Ukraine ist seit Beginn des russischen Angriffs ohnehin stark zurückgegangen: Statt fast 40 Prozent flossen zuletzt nur noch rund fünf Prozent des europäischen Gasbedarfs durch ukrainische Pipelines.