
In letzter Zeit wollte jeder es wissen und dagegen ankämpfen – dass es in deutschen Frauenhäusern an 13.000 Plätzen mangelt, dass die Strafen für Vergewaltigung im Vergleich zu Eigentumsdelikten zu niedrig sind, dass Opfer von Gewalt immer noch zu oft mit Argwohn betrachtet werden und Verachtung. Auch die Talkshow „Hart aber fair“ hatte am Montag nur Gäste, die den Kampf gegen Frauenfeindlichkeit ganz oben auf die Agenda setzen wollten. „Hass und Gewalt gegen Frauen – ist Empörung genug?“ fragte rhetorisch nach dem Programmtitel. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland fast jeden Tag eine Frau oder ein Mädchen getötet. Die Gesamtzahl der Straftaten gegen sie ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Der Lagebericht des Bundeskriminalamtes hat der Debatte um das im Kabinett beschlossene Gewalthilfegesetz jüngst neue Dringlichkeit verliehen. Jede dritte Frau hat Erfahrungen mit Gewalt – „die kann man zählen“, sagte Dorothee Bär, Unionsfraktionsabgeordnete im Bundestag, in der Talkshow. Wie Bär berichteten auch die Grünen-Abgeordnete Ricarda Lang und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes von teils massiven verbalen Drohungen. Rechtsprofessorin Frauke Rostalski problematisierte den Umgang der Justiz mit Gewaltverbrechen und der Autor Fikri Anıl Altıntaş berichtete über seine Arbeit mit jungen Männern. Die Zuschauer hörten auch von Romy Stangl, die zuerst von ihrem Vater und dann von ihrem Partner geschlagen wurde. Der Mann habe auch versucht, sie zu vergewaltigen – Momente, in denen die Seele den Körper verlasse, sagte Stangl, der sich schließlich trennte und in der Frauenbewegung aktiv wurde.
Keine Kontroverse
Diesmal verzichtete Gastgeber Louis Klamroth darauf, eine „Gegenposition“ äußern zu lassen. Wer hätte das anbieten sollen? Selbst CDU-Chef Friedrich Merz, der 1997 gegen die Aufnahme von Vergewaltigung in der Ehe in das Strafgesetzbuch gestimmt hatte, beteuert heute, dass er solche Entscheidungen nicht mehr treffen würde. Die Einheit war sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Mission. Einerseits waren die Diskussionen respektvoller und ernsthafter als je zuvor. Der gegnerische Teil der Diskussionsteilnehmer fehlte dagegen völlig, auch wenn das patriarchale Frauenbild in der Gesellschaft nicht ohne Einfluss ist.
„Draußen“ im Internet machte das wirkliche Leben jedenfalls nie eine Pause. Man konnte die Häme bereits ahnen, als Altıntaş den größeren Kontext in der Gruppe erwähnte – dass eine umfassende „antifeministische Konterrevolution“ im Gange sei und online inszeniert werde, dass Jungen schon in jungen Jahren patriarchale Vorstellungen beigebracht würden, dass Stalker u. a Auch Gewaltverbrecher hatten ein Interesse daran, Frauen aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen.
In Ordnung, für eine bestimmte Gruppe von Männern. Und es sind alles nur Vorlagen für eimerweise verbalen Dreck, der früher in Gesprächen und an den Stammtischen liegen blieb und jetzt online sichtbar ist. Und dieser Dreck ist für die Plattformen, die von Kontroversen und Klicks leben, finanziell belastend, bemerkte Lang zu Recht. Daher ist es schwer zu sagen, ob es tatsächlich mehr Hass auf Frauen gibt als früher, oder ob er nur sichtbarer geworden ist. Dieses „Früher“ wird letztendlich aus allen möglichen Gründen idealisiert – vielleicht ist das Bewusstsein einfach gestiegen und die Toleranz hat abgenommen.
Hass macht dich ruhiger
Die Sichtbarkeit des Hasses, seine Allgegenwärtigkeit im virtuellen Alltag, kann in jedem Fall dämpfend auf Frauen wirken, die zuvor anders erreicht wurden. Sowohl Lang als auch Bär berichteten aus ihren sehr unterschiedlichen Parteien, dass Frauen durch Schikanen und Drohungen davon abgeschreckt würden, sich in der Politik zu engagieren. Lang unterschied zwischen Beleidigungen, die sich auch gegen Männer in der Politik richten, und frauenfeindlichen Einschüchterungsversuchen. Sie kann es sich gefallen lassen, als „dumm“ oder ähnliches bezeichnet zu werden, das gehört zum Geschäft dazu. „Aber wenn dir jemand schreibt, du fettes Miststück, will ich dich in meinem Keller aufhängen, halb zu Tode prügeln und dann zusehen, wie du ausblutest – daran sollte sich niemand gewöhnen müssen“, sagte der Bundestagsabgeordnete.
Es gibt viele in der Kommunalpolitik, die einfach zu dumm sind, sich gegen Beleidigungen und Vorwürfe zu wehren. Dann hätten einige Frauen einfach nicht den nächsten Schritt gemacht, etwa die Kandidatur für ein Amt, sagte Lang. Und Bär fügte hinzu, dass es für viele Menschen nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familien zu dumm sei. Dass es bei Gewalt gegen Frauen ebenso wie beim alltäglichen Sexismus auch um Macht geht, gilt nicht nur aus der Sicht der Täter. Frauen werden manchmal davon abgehalten, nach Macht zu streben.
Niedrige Strafen?
Das alles ist schon lange bekannt, wie uns vor allem Stangl in Erinnerung gerufen hat – darüber zu reden hat seit Jahren nichts geändert. Die Gruppe blieb auch hauptsächlich bei der Beschreibung der Bedingungen. Die Kausalanalyse erfolgte vor allem als Hinweis auf falsche Männlichkeitsbilder. „Wir müssen viel früher damit beginnen, Jungen andere Modelle anzubieten, damit sie in Krisenzeiten Hilfe bekommen, anstatt die Gewalt nach außen zu kanalisieren“, sagten Fernandes und Altıntaş. Es war Bär, der den Übergang zur rechten Politik vollzog: Die AfD sei in der Politik das, was der Frauenfeind-Influencer Andrew Tate im Internet sei, sagte der Unionspolitiker. AfD-Abgeordnete, die im Plenum in ihrer Nähe saßen, äußerten sich immer wieder frauenfeindlich. Wer sich um die eigenen Töchter kümmert, kann diese Partei nicht wählen, so der Politiker.
Juraprofessor Rostalski identifizierte schließlich einen Bereich für konkrete Verbesserungen. Sie verwies auf eine Statistik, dass mehr als neunzig Prozent der Verurteilungen wegen Vergewaltigung am unteren Ende der möglichen Strafspanne lagen und fast alle zu Bewährungsstrafen führten. Eine der Forderungen der Gruppe war eine stärkere Ausbildung der Justiz: Es müsse zunächst vielen Richtern klar gemacht werden, wie grundlegend die Rechtsverletzung und die Folgen eines solchen Verbrechens seien. Bär wollte jedoch einen ganz anderen Weg gehen: In Deutschland sei es legal, Frauen für Geld zu vergewaltigen, meinte sie, also Prostitution. Lang wandte ein, da vieles „in einen Topf geworfen“ werde. Die Grünen gingen damit der Frage aus dem Weg, ob ein generelles Sexkaufverbot ein stärkeres Tabu gegen die Misshandlung von Frauen schaffen könnte. Stattdessen betonte Lang, wie wichtig es sei, die finanzielle Situation der Opfer jetzt zu verbessern. Bisher mussten sie in einigen Bundesländern die Unterbringung in Frauenhäusern selbst bezahlen.
Dass die verbliebenen Koalitionsparteien mit dem Gewalthilfegesetz, bei dem nun die Union aller Menschen mithelfen soll, einen seltenen Erfolg vorweisen möchten, macht das Gesetz selbst nicht falsch. Es würde ein Recht auf einen Platz in einem Frauenhaus entstehen und damit die Verpflichtung, diesen deutlich besser als bisher zu finanzieren. Doch selbst wenn sich Bär und Lang aufeinander zubewegen – Lang sagte, sie sei offen für ein Gespräch über Änderungswünsche –, gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird. Außerhalb des Talkstudios könnte die Parteistrategie weiterhin Vorrang haben.