Nachrichtenportal Deutschland

Friedensnobelpreis in Oslo: Wird es eine trotzige Reaktion gegen Trump geben?

Friedensnobelpreis in Oslo: Wird es eine trotzige Reaktion gegen Trump geben?

In Norwegen gibt es eine gar nicht so kleine Zahl von Wissenschaftlern, die am Friedensnobelpreis arbeiten. Sie interessieren sich für seine Geschichte und Wirkung, spekulieren aber natürlich auch gerne darüber, wer ihn dieses Jahr erhalten wird. Anschließend werden jährlich Listen möglicher Preisträger erstellt. Bisher lag kaum jemand mit seinen Prognosen richtig. Wie immer wird es große Überraschung über die Auszeichnung geben, wenn der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees an diesem Freitag um elf Uhr in Oslo den Namen des diesjährigen Gewinners verliest.

Dieses Mal ist die Aufmerksamkeit besonders auf den Preis gerichtet. Das liegt daran, dass Donald Trump ihn wirklich will. Er forderte es immer wieder. In Oslo gilt es als ausgeschlossen, dass er es bekommt. Drei norwegische Historiker schrieben kürzlich in der Zeitung „Aftonbladet“, dass das Nobelpreiskomitee einen Nervenzusammenbruch erleiden müsse, damit Trump seinen Traum verwirklichen könne. Stattdessen wird erwartet, dass Trumps Druck zu einer Art Gegenreaktion führen könnte, also zur Auszeichnung einer Person oder Institution, die seiner Politik diametral entgegengesetzt ist.

Vielleicht ist es Zeit für eine Art Protest, denn in der Geschichte des Friedensnobelpreises gab es mehrere Beispiele dafür, dass das Nobelpreiskomitee kontroverse Auszeichnungen auswählte, sagt Øyvind Tønnesson. Er ist Historiker und interessiert sich wie sein Bruder Stein Tønnesson seit langem für den Friedensnobelpreis. Ihr Vater war einst einer der Berater des Nobelpreiskomitees gewesen.

Auch das Komitee will überraschen

Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 verliehen. Im Gegensatz zu den anderen Nobelpreisen findet er nicht in Stockholm statt, sondern im Rathaus von Oslo, einem prächtigen Backsteingebäude an der Vorderseite des Fjords. Die Entscheidungen des Nobelpreiskomitees sorgen regelmäßig für Unverständnis und teilweise Kritik. Manches gerät schnell in Vergessenheit. Wer erinnert sich noch daran, dass letztes Jahr die japanische Organisation Nihon Hidankyō den Preis für ihren Einsatz gegen Atomwaffen erhielt? Oder warum erhielt Barack Obama den Preis eigentlich gleich zu Beginn seiner Amtszeit?

Skandalöse Auszeichnung: Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed erhielt den Preis 2019
Skandalöse Auszeichnung: Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed erhielt den Preis 2019über REUTERS

In der Geschichte des Preises habe es zahlreiche Höhepunkte und Tiefpunkte gegeben, sagt Stein Tønnesson, emeritierter Historiker und Friedensforscher aus Oslo. Einer der Tiefpunkte war die Auszeichnung 2019 für Abiy Ahmed, den äthiopischen Premierminister, dessen Streitkräfte später zusammen mit Verbündeten in der Region Tigray schwere Menschenrechtsverletzungen begingen. Oder die Auszeichnung für Henry Kissinger im Jahr 1973 zusammen mit seinem vietnamesischen Verhandlungspartner. Zuvor hatte der damalige US-Außenminister den Einsatz in Vietnam unterstützt.

Die Kritik an den Auszeichnungen hat auch damit zu tun, dass unklar ist, was Frieden eigentlich bedeutet. Das norwegische Nobelkomitee habe darauf nie eine wirklich klare Antwort gegeben, sagt Øyvind Tønnesson. Sie geht davon aus, dass Frieden kein Endzustand ist, sondern dass es Machtkämpfe und unterschiedliche Interessen gibt, und versucht, dem Willen Alfred Nobels mit einem sehr breiten Verständnis von Friedensbemühungen zu folgen.

Er schrieb einmal, dass der Preis an diejenigen Menschen gehen sollte, die am meisten dafür getan haben, die Brüderlichkeit zwischen den Nationen, die Abschaffung oder Reduzierung ständiger Armeen und die Einrichtung und Verbreitung von „Friedenskongressen“ zu fördern. So wurde beispielsweise der Wille zur Stärkung internationaler Organisationen und des Völkerrechts ausgezeichnet. Kontinuierliches Engagement für Menschenrechte, Maßnahmen gegen Atomwaffen und Friedensverhandlungen. Andererseits habe die Auszeichnung immer als Grundlage für die Verurteilung von Politiken gedient, die diese Ziele nicht anstrebten, sagt Øyvind Tønnesson. Während des Zweiten Weltkriegs wurde unter anderem mehrfach auf eine Auszeichnung verzichtet.

Distanz zwischen Regierung und Ausschuss

Das Nobelpreiskomitee versuche den manchmal schwierigen Weg, einerseits dem Willen Alfred Nobels zu folgen und die Integrität des Preises zu wahren, gleichzeitig aber auch gelegentlich überraschende oder sogar provokative Entscheidungen zu treffen, um Aufmerksamkeit zu erregen, sagt Isak Svensson, Friedens- und Konfliktforscher in Uppsala. „Es geht um einen würdigen Sieger, der aber nicht allzu vorhersehbar ist.“ Auf diese Weise ist es regelmäßig möglich, bereits vor der Preisverleihung ein gewisses Maß an „Drama“ zu erzeugen. Das ist wichtig, sagt Svensson. Schließlich ist es einer der wenigen Momente, in denen es weltweit große Aufmerksamkeit für friedliche Dinge gibt und nicht nur für weitere Eskalationen und Konflikte.

Alfred Nobel bestimmte, dass das norwegische Nobelkomitee aus fünf vom norwegischen Parlament ernannten Personen bestehen würde. Über die Vergabe entscheiden Sie selbstständig. Früher waren sie oft Mitglieder der Regierung, aber das kommt heute nicht mehr in Frage. Außerdem wurde das Privileg des norwegischen Außenministeriums abgeschafft, den Namen des Gewinners eine Stunde vor Bekanntgabe der Auszeichnung zu erfahren, damit sich die Menschen darauf vorbereiten konnten.

Stattdessen wird nun die Distanz zwischen der Regierung und dem Nobelpreiskomitee betont. Dies dient auch dem Schutz Norwegens bei kontroversen Entscheidungen. Denn einige der Auszeichnungen hatten Konsequenzen für das Land. So brach China nach der Preisverleihung an den chinesischen Aktivisten Liu Xiaobo die Gespräche über ein Handelsabkommen ab, es folgte eine diplomatische Eiszeit zwischen beiden Ländern.

Überraschend: Der ehemalige US-Präsident Barack Obama erhielt zu Beginn seiner Amtszeit den NobelpreisAP

Auch norwegische Regierungsvertreter dürften auf die Unabhängigkeit des Nobelpreiskomitees verweisen, falls Trump die Auszeichnung nicht erhält. Amerikas Präsident hat immer wieder deutlich gemacht, dass er den Preis will und hat ihn sich bereits mehrfach verdient. Allerdings sagte er kürzlich Hunderten hochrangigen Militärs, dass er es definitiv nicht bekommen würde. „Sie werden es jemandem geben, der nichts getan hat“, was eine Beleidigung für Amerika ist.

Wurde Trump überhaupt nominiert?

Die Forscher weisen darauf hin, dass zunächst formale Gründe gegen eine Auszeichnung Trumps sprechen. Es ist unklar, ob Trump rechtzeitig vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nominiert wurde. Darüber hinaus sind nach Nobels Testament die Taten der Geehrten im letzten und davor entscheidend – Trump kam jedoch erst Anfang dieses Jahres wieder ins Amt. Gleichzeitig weisen alle drei Forscher darauf hin, dass Trumps Handeln in eklatantem Widerspruch zu den Werten des Nobelpreiskomitees stehe, etwa wenn es um Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gehe.

Allerdings kann den Forschern zufolge nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Trump den Preis in Zukunft erhält. Das hängt vom Erfolg seiner Friedensbemühungen etwa im Gazastreifen und in der Ukraine ab. Schließlich gab es in der Geschichte des Preises Preisträger, die in der Vergangenheit eine gegen Nobels Ziele gerichtete Politik verfolgt hatten, sich dann aber korrigierten. Die Frage sei, ob Trumps Interesse am Friedensnobelpreis seine Politik beeinflusst, sagte Stein Tønnesson. „Wir können nur hoffen, dass er den Preis auch 2026 noch will.“

Der stellvertretende Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Asle Toje, sagte kürzlich der Nachrichtenagentur Reuters, ohne sich konkret auf Trump zu beziehen, dass Einflussversuche eher negative als positive Auswirkungen hätten. „Weil wir im Ausschuss darüber reden. Einige Kandidaten drängen sehr stark darauf, und das gefällt uns nicht.“ Für norwegische Verhältnisse ist das eine ungewöhnlich scharfe Kritik.

Trump könnte sich an Norwegen rächen

Es ist möglich, dass Trumps Druck und seine Politik das Nobelpreiskomitee dazu veranlassen könnten, eine Art Gegenreaktion einzuleiten. Hin und wieder traf das Gremium kontroverse Entscheidungen, die andernorts für Empörung sorgten. Beispielsweise die Auszeichnung, die sowjetische Dissidenten während des Kalten Krieges verliehen bekamen, als Norwegen mit seiner Grenze zur damaligen Sowjetunion ein potenzieller NATO-Frontstaat war. Oder die Auszeichnung für Carl von Ossietzky, den deutschen Journalisten und Pazifisten, im Jahr 1935. Damals gab es in Oslo durchaus Stimmen, die eine stärkere Appeasement-Politik gegenüber den Nationalsozialisten forderten.

In dieser Logik glauben die Forscher, dass das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), für das Trump die Unterstützung eingestellt hat, geehrt werden könnte. Oder das Committee to Protect Journalists (CPJ). Dieser steht derzeit ganz oben auf der „Shortlist“ möglicher Preisträger, die das Friedensforschungsinstitut in Oslo (PRIO) jährlich veröffentlicht. Auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), gegen den Trump Sanktionen angeordnet hatte, wird dort als möglicher Kandidat aufgeführt. Es ist jedoch auch denkbar, dass viele andere multilaterale Organisationen in letzter Zeit in schwieriges Fahrwasser geraten sind. Es ist jedoch unklar, wer nominiert wurde. Hierzu können Staatsoberhäupter, bisherige Preisträger und Professoren bestimmter Fachrichtungen Vorschläge einreichen. Nach Angaben des norwegischen Nobelinstituts wurden in diesem Jahr 338 Kandidaten nominiert, darunter 94 Organisationen. Doch wer das ist, verrät das Komitee erst nach 50 Jahren.

Sollten seine Gegner eine Auszeichnung erhalten, könnte Trump versucht sein, sich an Norwegen zu rächen, heißt es in Oslo. Denn vielleicht ist ihm nicht ganz klar, wie unabhängig das Gremium agiert. Als Racheaktionen sind viele Dinge denkbar, von der Erhöhung der Zölle bis hin zu sicherheitspolitischen Maßnahmen gegen den Nato-Verbündeten Norwegen. Dank des derzeitigen Finanzministers und ehemaligen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg ist es der norwegischen Regierung zuletzt gelungen, gute Beziehungen zu Trump aufzubauen. Aber niemand in Oslo weiß, ob das so bleiben wird.

Die mobile Version verlassen