Vor ein paar Tagen starrte Nicolas Sarkozy trotzig auf die Titelseite einer französischen Sonntagszeitung. Im Anzug, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich habe keine Angst vor dem Gefängnis“, hieß es. Auch in diesem Fall kämpfte er darum, die erzählerische Kontrolle zu behalten, seine eigene. Nicht einfach.
Sarkozy, französischer Präsident von 2007 bis 2012, betrat am 21. Oktober 2025 gegen 9:45 Uhr das Gefängnis La Santé in Paris als Gefangener. Und wenn hier Datum und Uhrzeit vermerkt sind, dann nur deshalb, weil es im republikanischen Frankreich noch nie zuvor vorgekommen ist, dass ein ehemaliges gewähltes Staatsoberhaupt inhaftiert wurde. Das ist also etwas für die Geschichtsbücher, egal wie lange Sarkozy tatsächlich im Gefängnis bleibt – wahrscheinlich nicht sehr lange. Symbolisch gesehen ist der Schaden bereits eingetreten, wenn Sie ins Gefängnis gehen.
Verurteilt wegen „Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung“
Vor wenigen Wochen wurde Sarkozy zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einem langen Prozess kam das Pariser Strafgericht zu dem Schluss, dass Sarkozy vor zwanzig Jahren versucht hatte, über Vertraute einen Korruptionspakt mit dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi zu schließen, um seinen Aufstieg an die Macht zu finanzieren. Er wurde wegen „Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung“ verurteilt.
Die Richter hielten das Vergehen für so „extrem schwerwiegend“, dass sie die Strafe um die Klausel „exécution provisoire“ ergänzten. Dies bedeutet, dass das Urteil nicht durch Einlegung einer Berufung ausgesetzt werden kann und daher sofort rechtskräftig wird. In Frankreich kommt diese Klausel sehr häufig zum Einsatz, in 86 Prozent aller Fälle bei Strafen von mehr als fünf Jahren. Doch kaum jemand hielt es für möglich, dass es auch für den ehemaligen Präsidenten genutzt werden würde. Die Klausel funktionierte wie ein Hammer.
Sarkozys Söhne riefen an diesem historischen Morgen die Anhänger ihres Vaters zu einem Solidaritätsbeweis, einem Flashmob, auf. Gegen 8:30 Uhr versammelten sie sich vor den Toren der Villa Montmorency, einem berühmten umzäunten Wohngebiet im 16. Pariser Arrondissement, wo Sarkozy mit seiner Frau Carla Bruni lebt, und winkten ihm aufmunternd zu, als er sein Anwesen verließ.
Im Gefängnis La Santé haben sie für Sarkozy eine normale Zelle von neun Quadratmetern reserviert, wie französische Medien aus informierten Kreisen erfuhren: ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl, ein Telefon an der Wand, eine Kochplatte, eine Toilette, eine Dusche. Für 7,50 Euro Miete im Monat bekommt Sarkozy einen Kühlschrank und für 14,50 Euro einen Fernseher.
Allerdings genießt er ein Privileg: Er hat die Zelle ganz für sich allein. Fast alle anderen Insassen der Anstalt müssen es sich mit einem oder sogar zwei anderen Gefangenen teilen. Auch La Santé ist, wie fast alle Gefängnisse in Frankreich, stark überfüllt.
Er möchte im Gefängnis ein Buch schreiben
Lange hieß es, Sarkozy sei in einem Flügel im ersten Stock der Anstalt untergebracht, der umgangssprachlich „VIP-Viertel“ genannt wird, weil dort prominente Gefangene ihre Strafe verbüßen: Politiker, Unternehmer, Schauspieler. Aber es ist nicht feudal. Damit soll lediglich sichergestellt werden, dass sie keinen Kontakt zu Gefangenen aus anderen Bereichen des Gefängnisses haben. Ehemalige Häftlinge sagten nun, dass sie sich beim Umhergehen im Hof böse Kommentare von Häftlingen anhören mussten, deren Zellen Fenster zum Hof hatten. Es kam auch vor, dass „VIP“ in ihrer Freizeit fotografiert wurden und die Fotos dann in der Boulevardpresse erschienen.
Das soll jetzt natürlich verhindert werden. Und so geht man davon aus, dass Sarkozy eine Zelle im Einzeltrakt bekommt, völlig isoliert von anderen Gefangenen. Der kleine Innenhof für die wenigen Schritte nach draußen ist ebenfalls vor Blicken geschützt.
Sarkozy sagte den Medien, dass er eine Biografie über Jesus und den Abenteuerroman „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas mit ins Gefängnis nehme, in dessen heroischem Protagonisten er sich selbst widerspiegele. Sarkozy vergleicht sich auch mit dem Offizier Alfred Dreyfus, der 1894 Opfer einer antisemitischen Verschwörung wurde und wegen angeblichen Hochverrats auf eine Gefängnisinsel verbannt wurde – einer der größten Justizirrtümer in der Geschichte des Landes. Sarkozy bezeichnet sich selbst als Opfer einer angeblich politisierten Justiz, für die ihn seine Gegner scharf kritisieren.
Er möchte im Gefängnis ein Buch schreiben. Die Frage ist nur, ob er genug Zeit dafür haben wird. Sarkozys Anwälte werden nun aus Altersgründen sofort seine Freilassung fordern. Das Berufungsgericht hat dann zwei Monate Zeit, auf den Antrag zu reagieren. In Frankreich glaubt man, dass es schneller gehen wird, dass Sarkozy bald freigelassen wird und seine Strafe in der Villa Montmorency verbüßen kann, bis sein Berufungsverfahren beginnt. Mit einer elektronischen Fußfessel, aber zu Hause.