Die Passagierzahlen an deutschen Flughäfen sind im November überraschend deutlich zurückgegangen. Besonders gefährlich ist das Fehlen einer Kundengruppe, die früher die Fluggesellschaften durch die Wintermonate getragen hat. Der einzige Hoffnungsschimmer kommt jetzt ausgerechnet von Ryanair.
Schlechte Nachrichten aus dem Luftverkehr sind in Deutschland keine Überraschung mehr. Seit Monaten gibt es Berichte über gestrichene Flugverbindungen und reduzierte Sitzplätze. Ryanair, Easyjet, Eurowings, Condor – sie alle haben angekündigt, die Kapazitäten an deutschen Flughäfen zu kürzen. Die Situation schien nicht noch düsterer werden zu können. Doch nun gibt es Neuigkeiten vom Flughafenverband ADV, die eine neue Dimension der Krise der Branche offenbaren.
Einem Bericht vom Montag zufolge wuchsen die Passagierzahlen gegen Jahresende nicht nur deutlich langsamer als im Rest Europas, sondern gingen auch „unerwartet deutlich zurück“, so die ADV. Im November schrumpfte die Zahl der Passagiere an deutschen Flughäfen Woche für Woche um durchschnittlich 2,6 Prozent und lag damit sogar unter dem ohnehin schon sehr schwachen Niveau vom November letzten Jahres. Noch besorgniserregender ist der Ausblick, den der Verband für die kommenden Monate gibt, in denen offenbar kaum von einer Erholung des Luftverkehrs von den Folgen der Corona-Pandemie die Rede ist.
Nachdem die sogenannte Erholungsquote am Ende des Flugsommers 2024 bei 91,4 Prozent des Flugverkehrs vor Corona lag – andere europäische Länder liegen längst bei 110 Prozent und mehr – scheint die deutsche Luftfahrtindustrie nun buchstäblich zusammenzubrechen. Mit Beginn des Winterflugplans sank die Erholungsquote in Deutschland auf einen neuen Tiefstwert von nur noch 75 Prozent, was einem Rückgang um 17 Prozentpunkte entspricht. Der ADV spricht von einer „alarmierenden Entwicklung“.
Tatsächlich verdeutlichen die desaströsen Zahlen eine für die Branche gefährliche Entwicklung, die Luftfahrtmanagern seit langem Sorgen bereitet: den Mangel an Geschäftsreisenden. Außerhalb der Sommermonate, wenn erholungshungrige Touristen die Flugzeuge füllen und dafür hohe Preise zahlen, haben Fluggesellschaften auch außerhalb von Krisenzeiten regelmäßig Schwierigkeiten, ihre Flugzeuge halbwegs zu füllen. Das stabilisierende Element sind hier seit jeher die Geschäftsleute, die das ganze Jahr über reisen, zumal sie häufig Sitzplätze in der Business Class buchen.
Das schrumpfende Flugangebot verschärft die Situation zusätzlich
Zuletzt hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr immer wieder von einem veränderten Buchungsverhalten berichtet. Selbst die teuren Flugzeugklassen werden neuerdings vor allem mit Privatreisenden besetzt. Allerdings bleibt der Geschäftsreiseverkehr deutlich hinter der insgesamt schwachen Entwicklung sowohl bei Inlands- als auch bei Auslandsflügen zurück.
Offenbar vermischen sich die Klimaziele der Unternehmen mit dem wirtschaftlichen Abschwung des Landes auf eine Weise, die für die Fluggesellschaften desaströs ist. Offenbar streichen Unternehmen in großem Umfang Flugreisen für ihre Mitarbeiter. Und diese fehlen den Fluggesellschaften nun, um die trockene Winterperiode zu überbrücken. An allen deutschen Flughäfen zusammen steigen derzeit wöchentlich weniger als drei Millionen Menschen ins Flugzeug.
Verschärft werden könnte diese Entwicklung durch ein schrumpfendes Flugangebot, das den verbliebenen Vielfliegern in Regionen wie dem Großraum Stuttgart immer weniger Flugmöglichkeiten bietet. „Zum Nachteil von Privat- und Geschäftsreisenden fallen Verbindungen von deutschen Flughäfen weg“, beklagt ADV-Chef Ralph Beisel, der die hohen Standortkosten durch staatlich regulierte Steuern und Gebühren verantwortlich macht. „Wir haben ein klares Angebotsproblem, kein Nachfrageproblem“, glaubt er.
Der einzige Hoffnungsschimmer im düsteren deutschen Herbst kommt von der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair. Airline-Chef Michael O’Leary streicht Flüge von und nach Deutschland wie kein anderer. An drei kleineren Flughäfen will man im kommenden Jahr aber sogar wachsen. „Im Sommer 2025 werden wir ein zusätzliches Flugzeug in Baden und am Niederrhein haben“, sagt O’Leary im Gespräch mit WELT. „Und Lübeck könnte nächstes Jahr ein neuer Flughafen für uns werden.“
Steffen Fründt ist Wirtschaftskorrespondent für WELT und berichtet über Themen aus der Luftfahrt, dem Sport und anderen Branchen.