US-Präsident Donald Trump kürzt die Mittel und Stellen für US-Wissenschaftler. Zwei Nobelpreisträger verlassen nun die USA, doch ihr Weg führt trotz vollmundiger Ankündigungen aus Deutschland nicht in die EU – auch Forschungsförderung spielt eine Rolle.
Hunger sei nicht das Hauptproblem, sagt Esther Duflo. Fernseher seien wichtiger als Essen, sagt Abhijit Banerjee, ihr Ehemann. Steile Thesen. Doch Duflo und Banerjee sind nicht nur zu aufmerksamkeitsstarken Übertreibungen fähig, sie bereichern auch ihre Disziplin, die Armutsforschung, mit immer neuen, innovativen Forschungsansätzen.
Sie ist in Frankreich aufgewachsen, er in Indien, sie arbeiten seit vielen Jahren gemeinsam am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in der Nähe von Boston, seit 2015 sind sie verheiratet, 2019 erhielten sie gemeinsam den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
Sie sind das zweitberühmteste Ökonomenpaar der Welt, hinter George Akerlof, dem Nobelpreisträger von 2001, und seiner Frau Janet Yellen, der ehemaligen Fed-Vorsitzenden und US-Finanzministerin. Im Jahr 2026 werden Duflo und Banerjee nach Europa ziehen.
In den ersten Monaten des Jahres ging das Thema in den Medien auf beiden Seiten des Atlantiks auf und ab: Es wurde spekuliert, dass viele Spitzenwissenschaftler aus den USA fliehen würden, bedrängt und angewidert von Donald Trumps zweiter Präsidentschaft. Man müsse nur die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dann könnten auch Deutschland und der Rest der EU vom zu erwartenden „Brain Drain“ profitieren.
In diesem Sinne lässt sich wohl auch der Abgang von Duflo und Banerjee interpretieren; Duflo etwa hatte Trumps drakonische Kürzungen der US-Entwicklungshilfe im Frühjahr als „Blutbad“ bezeichnet.
Duflo und Banerjee kommen nicht nach Deutschland
Das Paar geht einfach nicht in die EU. Sondern in die Schweiz, an die renommierte ETH in Zürich. In Deutschland hingegen folgte den ersten großen Ankündigungen nicht viel. Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, reiste im Frühjahr in die USA; Er wollte mit Koryphäen sprechen, die möglicherweise bereit wären, sich zu ändern, „die meine Augen zum Leuchten bringen.“ Nach seiner Rückkehr sprach Cramer nur noch ganz allgemein davon, dass er „bald weitere Bewerbungen“ erwarte.
Unterdessen hatten führende Sozialwissenschaftler, darunter vier der fünf Wirtschaftswissenschaftler, ein „Meitner-Einstein-Programm“ vorgeschlagen, um 100 Professuren für bedrängte US-Wissenschaftler zu finanzieren. Es wurde nie wieder etwas davon gehört. Doch die Bemühungen hier haben noch lange nicht aufgehört.
Die Landesregierung in Stuttgart will das Land Baden-Württemberg zu einem „Magneten für internationale Spitzenforschung“ machen, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann Ende September ankündigte. Und Ende Juli kam Bundesforschungsministerin Dorothee Bär mit dem „1000 Köpfe Plus“-Programm um die Ecke. Damit soll „internationalen Stars und Talenten eine Perspektive im deutschen Wissenschaftssystem“ geboten werden – ein „wichtiges Zeichen akademischer Freiheit“, wie Bär meint.
Bei einem angekündigten Budget von 50 Millionen Euro im Jahr 2026 bleibt bei „1000 Köpfen plus“ pro Person und Jahr ein fünfstelliger Betrag übrig. Eine ähnliche Dimension hat Kretschmanns „Global Partnership in Science“, die sich vor allem an Harvard-Forscher richtet. Dafür sollen 24 Millionen Euro bereitgestellt werden – wohlgemerkt für alle Forscher zusammen.
In der Schweiz greift man im Regal viel höher. Für den Duflo-Banerjee-Coup fand die ETH einen großzügigen Spender, den brasilianisch-schweizerischen Geschäftsmann Jorge Paulo Lemann. Seine Stiftung, berichtet der „Tagesanzeiger“, finanziert dem Duo zwei Stiftungsprofessuren und den Bau eines neuen Forschungszentrums. Allein dafür gibt Lemann 26 Millionen Franken aus, umgerechnet rund 28 Millionen Euro.