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Finanzprobleme in Ludwigshafen: „Der Staat lässt uns in Ruhe“

Finanzprobleme in Ludwigshafen: „Der Staat lässt uns in Ruhe“

Stand: 12. Oktober 2025 8:11 Uhr

Steigende Ausgaben, weniger Einnahmen – viele Städte und Gemeinden geraten an ihre finanziellen Grenzen. Der Ludwigshafener Oberbürgermeister warnt: Wenn es so weitergeht, werden wir Menschen verlieren.

„Wir haben kaum Handlungsspielraum“, sagt Jutta Steinruck (parteilos), scheidende Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen am Rhein. Während ihrer achtjährigen Amtszeit musste sie lernen, dass es eher darauf ankam, wo man sparen und die Verwaltungsstrukturen verschlanken konnte. Und das, während gleichzeitig Schulen, Straßen und Brücken saniert werden müssen. Sie warnt vor „zerstörerischem Sparen“ in Städten wie Ludwigshafen, weil dies Auswirkungen auf den Alltag Hunderttausender Menschen habe.

Wenn in Zukunft kein Geld mehr für Kitas, Schulen, Sport und Kultur da sei, „dann werden wir immer mehr Menschen und auch die Demokratie verlieren“, fürchtet der ehemalige SPD-Politiker. Steinruck trat 2023 aus der Partei aus und begründete dies mit landes- und bundespolitischen Entscheidungen – und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen für ihre Stadt. Noch heute sagt der 63-Jährige: „Der Staat lässt uns finanziell allein.“ Mit sozialer Gerechtigkeit habe das nichts zu tun, es sei „eine Zumutung“.

Nachfrage nach gerechteren Lastverteilung

Die ohnehin schon hoch verschuldete Stadt rechnet für das kommende Jahr mit einem Haushaltsdefizit von rund 148 Millionen Euro. Damit steigt die Gesamtschuldenlast Ludwigshafens auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Der Großteil der Ausgaben entfällt auf Sozialleistungen.

Die hohe Neuverschuldung habe nichts mit einem schlechten Finanzmanagement zu tun, sagt Bürgermeister Steinruck. Der Grund liegt darin, dass die Stadt Leistungen erbringen muss, die nicht vollständig abgedeckt sind. Zum Beispiel für die Grundsicherung, die Jugendhilfe, Asylbewerber und die Betreuung in Kitas.

Räumt den Ort zum Jahresende: Ludwighafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck

Steinruck fordert, dass Bund und Länder auch dann die vollen Kosten erstatten, wenn sie Aufgaben an die Kommunen übertragen. Dies ist jedoch nicht der Fall, sei es bei der kommunalen Wärmeplanung oder beim Ausbau der Ganztagsbetreuung in Schulen. So wurden beispielsweise Personal- und Raumkosten größtenteils von der Gemeinde getragen. Für Städte und Kommunen bedeutet das, dass sie an anderer Stelle sparen oder Schulden aufnehmen müssen.

Würden Bund und Länder diese Kosten übernehmen, hätte Ludwigshafen kein Haushaltsdefizit mehr, argumentiert Steinruck. Sie fordert, dass sich der Bund stärker an den Sozialausgaben beteiligt und einen größeren kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer erwirbt. Und ein vollständiger Ausgleich der kommunalen Steuerausfälle durch den Bund.

Städtetag: Kommunale Finanzlage ist bundesweit dramatisch

Die Finanzlage der Kommunen in ganz Deutschland sei dramatisch, sagt Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindetag. Bereits 2024 verzeichneten die Kommunen ein Rekorddefizit von 25 Milliarden Euro, in diesem Jahr könnten es sogar 30 Milliarden sein. Auch Zimmermann geht davon aus, dass die Kommunen in den kommenden Jahren viele neue Schulden aufnehmen werden.

Gründe dafür sind die anhaltend schwache Konjunktur und hohe Inflation sowie sinkende kommunale Steuereinnahmen bei weiterhin ungebremst steigenden Ausgaben. Selbst ehemals finanzstarke Kommunen in Baden-Württemberg und Bayern erleben inzwischen einen Einbruch ihrer Kommunalfinanzen. Vielerorts sind die Reserven bereits vollständig aufgebraucht. Die Folgen sind massive Liquiditätsprobleme, explodierende Barkreditschulden und geringere Investitionen in den Kommunen.

Weitere Einsparungen, wie sie die kommunale Finanzaufsicht vorschreibt, oder höhere Gebühren seien keine Lösung, sagt Ludwigshafens Oberbürgermeister. „Wir können die Industriekrise nicht dadurch kompensieren, dass wir die Eintrittspreise für Schwimmbäder erhöhen – das ist absurd.“

Vielmehr fordert sie eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs und eine nachhaltige Regulierung der Altschulden. Die Liquiditätskredite ihrer Stadt wurden zur Hälfte vom Land Rheinland-Pfalz zurückgezahlt, allerdings unter der Auflage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dafür müsste die Stadt zehn Jahre lang jedes Jahr zehn Millionen Euro einsparen, doch das ist unrealistisch, weil gleichzeitig alle Kosten steigen.

Chemiestandort im Wandel

Ludwigshafen war einst ein florierender Industriestandort mit moderner Infrastruktur, einer florierenden Innenstadt und Sitz des weltgrößten Chemiekonzerns BASF. Doch die fetten Jahre sind längst vorbei. Der Chemieriese steckt seit Jahren in einer schweren Krise, Personal und Produktionsanlagen im Stammwerk werden zunehmend abgebaut und ins Ausland verlagert. Derzeit sind dort rund 33.000 Menschen beschäftigt, weitere „schmerzhafte“ Einschnitte sind aber bereits geplant.

Die BASF ist weiterhin ein wichtiger Wirtschaftsmotor für die Stadt. Doch der Konzern befindet sich im Umstrukturierungsprozess, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Zukunftsinvestitionen der BASF hätten eine steuermindernde Wirkung gehabt, sagt Jutta Steinruck. Steigende Energiekosten und veränderte Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass die Steuerbelastung sinkt. Die bisherige Steuergesetzgebung verlagerte Gelder aus Ludwigshafen, was die Stadt zusätzlich belastete.

Zudem sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer – einer der Haupteinnahmequellen der Kommunen – in den letzten Jahren insgesamt stark zurückgegangen. 143 Millionen Euro Gewerbesteuer flossen im Jahr 2025 in die Stadtkasse – 55 Millionen weniger als vor zehn Jahren.

Hohe Belastung durch Sanierungsstau und Energiewende

Trotz sinkender Einnahmen und knapper Kassen investiert die Stadt enorme Summen in die Straßen- und Brückensanierung sowie die Wärmewende. Für die Umsetzung der Energiewende in Ludwigshafen sind bis 2045 rund eine Milliarde Euro eingeplant, beispielsweise für den Ausbau der Fernwärme. Hinzu kommt die teure Sanierung der beiden maroden Hochstraßen. Die zentralen Verkehrsadern der Region galten einst als Symbole für Fortschritt und Modernität. Jetzt werden sie abgerissen und durch neue, teilweise ebenerdige Straßen ersetzt. Gesamtkosten des Projekts: 1,1 Milliarden Euro, rund 300 Millionen Euro muss die Stadt selbst tragen, den Rest tragen Bund und Länder.

Die Arbeiten an den Bauwerken haben die Innenstadt in eine riesige Baustelle verwandelt. Auch der 70 Meter hohe Rathausturm, das ehemalige Wahrzeichen der Stadt, direkt an der Hochstraße gelegen, wird abgerissen. Wo derzeit Bagger Stockwerk für Stockwerk abtragen, ganz oben im 15. Stockwerk, befand sich einst das Büro des Bürgermeisters. Jutta Steinruck sitzt schon seit längerem im Gebäude gegenüber. Zum Jahresende wird sie ihren Platz räumen. Auf ihre Nachfolge warten noch viele Baustellen, ist sich Steinruck sicher: „Es gibt keine einfache Lösung. Aber eines ist klar: Wir brauchen veränderte Rahmenbedingungen – und endlich echte Unterstützung für die Städte, die die Hauptlast tragen.“

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