taz | Ein Video auf Tiktok zeigt den nächtlichen Großeinsatz der Polizei in Berlin-Kreuzberg Ende September. Wie nun bekannt wurde, handelte es sich um einen SEK-Einsatz, bei dem der bayerische Neonazi Dan E. in einer Jugendhilfeeinrichtung festgenommen wurde. Wie zunächst einmal Tagesspiegel berichtet hatte, soll E. zuvor einen Amoklauf angekündigt haben.
Auf Anfrage der taz bestätigte die Berliner Staatsanwaltschaft, dass sie gegen E. „wegen des Verdachts der Androhung einer Straftat und des Verstoßes gegen das Waffengesetz“ ermittelt. Der angeklagte Neonazi soll „in einer Therapieeinrichtung gesagt haben, er wolle so viele Ausländer wie möglich töten, bevor er sich das Leben nehme“.
Laut Tagesspiegel E. soll geplant haben, sich im Rahmen einer Schießerei von der Polizei erschießen zu lassen. Im Rahmen der Durchsuchung wurden ein verbotenes Springmesser und Datenträger sichergestellt. E. wurde vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, ein „Gutachten steht noch aus“, so die Staatsanwaltschaft.
Dan E. ist ehemaliger Funktionär des Nürnberger Bezirksverbandes der Neonazi-Partei Die Rechte. Er soll etwa zwei Jahre in Berlin gelebt haben. Ab Mitte der 2010er Jahre trat er als Anmelder der Pegida-Abteilung Nügida und als Redner bei rechtsextremen Veranstaltungen, etwa bei Pegida München, in Erscheinung.
Einem Bericht des Bayerischen Rundfunks zufolge beschwor er dort die Menge auf einen „Systemwechsel“ und drohte Journalisten, „wenn es soweit ist, werden die Menschen sie als Vergeltung wieder auf den Marktplatz stellen.“ Auf seiner Brust soll er ein Tattoo der neonazistischen Terrororganisation Combat 18 haben.
Kontakt zu Berliner Neonazis
Nach taz-Informationen war E. vorübergehend in einem Aussteigerprogramm für Neonazis untergebracht. Auch soll er erfolglos versucht haben, sich linken Gruppierungen anzuschließen. In den vergangenen Monaten wurde er mehrfach auf Neonazi-Veranstaltungen gesehen. Bilder zeigen ihn bei einer Gegendemonstration gegen den CSD in Magdeburg Ende August, die auch von verschiedenen neuen Neonazi-Gruppen aus Berlin mobilisiert wurde.
Auch seine Anwesenheit bei der Inhaftierung von Julian M. am 1. September vor der JVA Berlin-Hakenfelde spricht für Kontakte in Neonazi-Kreisen. Der Anführer der als rechtsextremistisch eingestuften deutschen Jugendgruppe Voran war zuvor wegen mehrerer Gewaltverbrechen zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden.
E. war bereits 2015 ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Wenige Tage nach der Messerattacke eines Rechtsextremisten auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker wurde er bei einer Razzia gegen Neonazis in Franken wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung festgenommen. Den Neonazis wurde vorgeworfen, sich im Ausland illegal Sprengstoff beschafft zu haben, insgesamt 78 Kilogramm pyrotechnische Gegenstände, darunter mindestens vier Kugelbomben. Außerdem wurde eine scharfe Schusswaffe sichergestellt. Sie hatten Anschläge auf zwei Flüchtlingsunterkünfte in Bamberg und auf das antifaschistische Balthasar-Gelände geplant.
E. wurde nach wenigen Tagen aus der Haft entlassen und nahm kurz darauf an einer AfD-Kundgebung in Nürnberg teil. Als der Prozess drei Jahre später vor dem Landgericht Bayreuth stattfand, waren nur vier der elf angeklagten Neonazis angeklagt – E. gehörte nicht dazu. „Es ist im Prozess nicht klar geworden, warum sie nicht mitangeklagt wurden“, schrieb das Fachmagazin Der rechte Rand.