Die nicht enden wollende Siegesserie des FC Bayern ist zu Ende. Bei Union Berlin findet der Rekordmeister nicht ins Spiel. Die Gastgeber stehen vor der großen Sensation. Es ist nicht ganz genug. An diesem Tag schenkt ein Spieler dem Fußball einen Moment, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Josip Stanisic verschränkte entsetzt die Hände über dem Kopf. Seinen Pass auf Luis Diaz verfehlte er komplett. Kurz vor der Pause wurde eine vielversprechende Chance des FC Bayern mangels Klarheit vertan. Im Getümmel im Strafraum von Union Berlin konnten die Gastgeber den Ball nicht wirklich klären. Auf der linken Seite ergab sich eine gute Gelegenheit.
Bei einem Spielstand von 0:1 waren diese Chancen eher spärlich. In den ersten 30 Minuten gelang dem FC Bayern kein einziger Schuss. Der erste Schuss von Harry Kane war kurz zuvor geblockt worden. Nun war es wieder von vorne. Kein Abschluss. Keine Torchance. Was für ein Horror.
Dachte Stanisic. Aber Luis Diaz glaubte das nicht. Er ging dem unberechenbaren Ball nach. 38 Minuten gespielt.
Manuel Neuer: „Das passiert den Leuten“
Der Kolumbianer hatte noch einiges zu klären. Er hatte den FC Bayern unter der Woche mit seinem Platzverweis bei Paris Saint-Germain in eine missliche Lage gebracht und den Rekordmeister, der über 45 Minuten in Unterzahl war, zu einer Meisterleistung der Defensivkunst inspiriert. Doch der 2:1-Sieg gegen den Titelverteidiger der Königsklasse hatte Spuren hinterlassen, auch wenn später in Berlin niemand mehr davon wissen wollte. Die erste Auslosung der Saison hatte damit nichts zu tun.
„Wir wussten, dass es eklig sein würde“, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer nach dem 2:2 (1:1) an der Alten Försterei. „Wir waren darauf vorbereitet. Jeder war motiviert. Jeder wollte von den Spielern. Ich würde nicht sagen, dass die Frische gefehlt hat.“ Zu Beginn kamen die Bayern gegen eine zweikampfstarke Mannschaft einfach nicht ins Spiel. „Es passiert Menschen, es passiert im Fußball und es passiert auch dieser Mannschaft.“
Allerdings gab es nach dem bisherigen Saisonverlauf erhebliche Zweifel daran. Denn diese Mannschaft hatte im ersten Drittel der zu Ende gehenden Saison 2025/2026 die Welt in Grund und Boden gespielt. Mit einer Schönheit, die schon einige Beobachter von der wohl besten Bundesligamannschaft der vergangenen Jahrzehnte schwärmen ließ.
Union Berlin zähmt die Aliens
Der FC Bayern war der Außerirdische in einer ganz gewöhnlichen Bundesliga. Jetzt hatten sie bewiesen, dass sie doch nur Menschen waren. Sie schienen nach dem Spiel damit nicht unzufrieden zu sein. Jetzt rede niemand mehr über den Rekord, sagte Harry Kane. Der Engländer war wieder überall zu finden. Es hielt ihn selten an der Spitze.
Kane verteilte die Bälle, gewann die Bälle und sorgte sehr spät dafür, dass die ansonsten makellose Abwehr von Union Berlin in der 93. Minute einen Kratzer erlitt. Mit seinem Kopfball nach einer Halbfeldflanke des eingewechselten Tom Bischof verlor der sonst überragende Leopold Querfeld kurzzeitig die Orientierung. Das 2:2 war hochverdient. Es war einfach sehr spät. Und deshalb war es für Union „ärgerlich“, wie der stolze Trainer Steffen Baumgart zugab. Kurz zuvor hatte Danilho Doekhi mit seinem zweiten Tor für wilde Euphorie gesorgt. Doch dann kam Kane. Doch die Serie war kaputt.
Bayern-Trainer Vincent Kompany hat alles getan, um dies zu erreichen. Anders als gegen Bayer Leverkusen in der Vorwoche wechselte er nicht. Die Münchner spielten mit der Mannschaft, die sich in Paris als Favorit auf den Gewinn der Champions League präsentiert hatte. Lediglich Leon Goretzka ersetzte Aleksandar Pavlović. Zur Bilanz von zehn Bundesligasiegen zum Auftakt fehlte ein Sieg. Diesen hielt und hält die große Guardiola-Bayern-Mannschaft der Saison 2015/2016.
Zu viel Stress im alten Forstamt
Union Berlin war furchtlos. Mit dem engen Stadion im Rücken eroberte Berlin in hohen Positionen den Ball und zwang den FC Bayern zu Fehlern. Joshua Kimmich konnte das Bayer-Spiel nicht weiterentwickeln. Er ärgerte sich ständig über Rani Khedira, die den DFB-Kapitän nie aus den Augen ließ. So entwickelte sich schon früh das Gefühl für eine mögliche Sensation.
Der Dauerstress war zu viel für den FC Bayern. Die alte Forstbehörde war zurück. Weil es für die Iron Men in absehbarer Zeit keine Champions League mehr geben wird, sind es die großen Spiele für den Klub aus dem tiefen Südosten der Hauptstadt. Ein Festtag, der entsprechend gefeiert wird. Das Stadion zeigte seine brachiale Gewalt.
Union erzielte früh sein erstes Tor. Es waren nicht einmal zehn Minuten gespielt. Doch nach einer Ecke und einem Pass aus dem Crossfield stand Ilyas Ansah angeblich Millimeter im Abseits. Unter den obligatorischen Rufen „Ihr zerstört unseren Sport“ scheiterte das Tor eine Minute lang. „Jemand hat Farbe getrunken“, vermutete Baumgart nach dem Spiel. Er war der nächste Beweis dafür, dass der VAR und die Protagonisten des Spiels in dieser Saison ein sehr gestörtes Verhältnis zueinander haben. Nicht einmal eine Paartherapie konnte das beheben.
Momente vollkommener Zufriedenheit
Knapp 20 Minuten später sprang die Anzeigetafel nach einem weiteren Standard auf 1:0. Doekhis verdeckter Schuss war für Neuer haltbar, nur an diesem Tag nicht. Der alte Torwartrevolutionär war für das Gegentor verantwortlich. Er hat einfach die falsche Entscheidung getroffen, den Ball festzuhalten und ihn nicht wieder ins Spiel bringen zu wollen. Es war ihm nicht gelungen. Zumindest gab er den Zuschauern in der Alten Försterei die Möglichkeit, ihre Handys zu zücken. Gerne fotografierten sie die Anzeigetafel, um die Bilder der bevorstehenden Sensation in die ganze Welt zu schicken. Sie lagen einander in den Armen.
Dann warf Stanisic die Hände über den Kopf und Luis Diaz ging dem Fehlpass nach. Mit einem Tackling kontrollierte er den Ball kurz vor der Seitenlinie, Janik Haberer stürmte in seine Richtung und legte ihn ab. Doch noch im Stehen drehte der Kolumbianer seinen Körper um 180 Grad. Er blickte nicht mehr auf die Seitenlinie, sondern auf das Tor. Der Ball blieb an seinem Fuß hängen. Also noch ein Tackling. Aber dieses Mal war kein Feind das Opfer, sondern nur das Gewöhnliche. Er hat es jetzt rasiert.
Diaz zog den Ball mit sich, brachte seinen Körper in eine aufrechte Position und stand plötzlich allein an der Torlinie. Torwart Frederik Rönnow lauerte darauf, den kurzen Winkel zu blocken, Kane bedrohte die Abwehr am Elfmeterpunkt, doch Diaz dachte nicht daran, den Ball noch einmal irgendwohin zu bringen. Mit seiner Innenseite zog er den Ball scharf in die nicht vorhandene Lücke zwischen Rönnow und dem Pfosten.
Stanisic ist erneut fassungslos.
(Foto: IMAGO/DeFodi Images)
Kompany kann sich das alles nicht erklären
„Einfach Weltklasse“, schwärmte Baumgart, Trainer von Union Berlin, nach dem Spiel. Er erinnerte sich wieder an den magischen Moment. Haberer hatte ihn bereits an der Grundlinie aufgestellt und eigentlich alles richtig gemacht. Diaz habe nur „zehn Zentimeter Platz“ gehabt und dann diese Bewegung, diesen Abschluss, von dem Bayern-Keeper Manuel Neuer aus der Ferne nur verwundert berichten konnte. „Lucho“ hat es wirklich sensationell gemacht und „den Ball in die Decke geschossen“. Fast nüchterne Worte.
„Wir haben diesen Moment gebraucht“, sagte Kompany und blickte seinen Kollegen Baumgart im Presseraum der Alten Försterei an. Sie lachten. „Ich kann für dieses Ziel genauso viel tun wie er“, sagte Kompany. „Diese Qualität haben wir in dieser Mannschaft. Das brauchen wir in dieser Saison.“
Als Lucho traf, klatschte Stanisic erneut in die Hände über dem Kopf. Er konnte es nicht glauben und mit ihm ein ganzes Stadion. Luis Diaz bescherte dem Fußball an dem Tag, an dem die große Erfolgsserie des FC Bayern endete, ein magisches Tor. Das 2:2 zwischen Union Berlin und dem FC Bayern machte allen Freude. Mehr ist nicht möglich.
