31. Oktober 2025
Die Gesetzliche Krankenversicherung steuert auf ein Milliardenloch zu. Der Arbeitgeberverband BDA fordert radikale Sparmaßnahmen – darunter auch Pflichtbeiträge für bisher beitragsfrei versicherte Ehegatten.
Die Zahlen sind alarmierend: Bis 2027 wird es in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein zweistelliges Milliardenloch geben. Der durchschnittliche Beitragssatz, der derzeit bei 17,5 Prozent liegt, könnte bis 2035 auf satte 20 Prozent steigen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schlägt jetzt Alarm – und stellt ein brisantes Sparkonzept vor.
Ehepartner sollten zahlen
Arbeitgeber streben eine beitragsfreie Mitversicherung der Ehegatten an. Laut „FAZ“ müssen sie künftig den monatlichen Mindestbeitrag von 220 Euro an die Krankenkassen zahlen.
Bisher können sich Ehegatten mit geringem Einkommen (unter 535 Euro im Monat) kostenlos in der Familienversicherung mitversichern. Der Clou: Allein durch diese Maßnahme könnten jährlich 2,8 Milliarden Euro eingespart werden, wie „Bild“ berichtet.
Politischer Sprengstoff
Die Reaktionen auf die Initiative sind erwartungsgemäß unterschiedlich. CDU-Politiker Albert Stegemann sagte gegenüber „Bild“, er sei offen für die Diskussion. Angesichts des drohenden zweistelligen Milliardendefizits dürfe es „keine Denkverbote“ geben.
Die SPD hingegen positioniert sich klar dagegen. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher Christos Pantazis bezeichnet laut „Bild“ die Familienversicherung als „tragende Säule unseres solidarischen Gesundheitssystems“ – wer hier Abstriche machen will, beschädigt das Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Radikales Sparpotenzial
Allerdings geht das BDA-Papier weit über die Ehegattenregelung hinaus. Wie die „FAZ“ berichtet, sieht der Arbeitgeberverband ein Einsparpotenzial von bis zu 50 Milliarden Euro jährlich.
BDA-Geschäftsführer Steffen Kampeter äußerte sich gegenüber „Bild“ deutlich: Das Gesundheitssystem befinde sich „fast auf der Intensivstation“. Der Status quo ist keine Option, sonst würden die Beiträge weiter explodieren.
Systemreform statt Symptombekämpfung
Derzeit sind rund 16 Millionen Ehegatten und Kinder in der Familienversicherung versichert. Arbeitgeber argumentieren, dass die Beitragslast für Arbeitnehmer und Unternehmen zu hoch sei und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährde.
Der „Nettodiebstahl bei Mitarbeitern“ müsse gestoppt werden, sagte Kampeter laut „Bild“. Nur wenn Arbeit wieder attraktiver wird, wird Deutschland aus der Rezession finden.
Business-Punk-Check
Der Schritt der Arbeitgeber ist mehr als nur ein Sparvorschlag – er ist ein Frontalangriff auf ein Grundprinzip des deutschen Sozialsystems. Die Rechnung ist einfach: Entweder zahlt jeder mehr (steigende Beitragssätze) oder einige zahlen neu (die bisher Mitversicherten). Was in der Debatte untergeht: Die eigentlichen Kostentreiber im System werden kaum angesprochen.
Weder die Pharmaindustrie mit ihren lächerlichen Medikamentenpreisen noch die ineffizienten Parallelstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung stehen im Fokus. Stattdessen sollen Ehepartner – meist Frauen – die Lücke füllen. Die eigentliche Herausforderung liegt nicht darin, wer zahlt, sondern darin, wie das System effizienter gestaltet werden kann. Wer nur an der Beitragsschraube dreht, heilt Symptome statt Ursachen.
Häufig gestellte Fragen
- Welche Ehegatten wären von der neuen Beitragspflicht betroffen?
Betroffen wären alle Ehegatten, die bisher beitragsfrei versichert waren und über ein monatliches Einkommen von weniger als 535 Euro verfügten. Künftig müssten Sie den Mindestbeitrag von 220 Euro pro Monat zahlen. Kinder waren weiterhin beitragsfrei versichert. - Wie würde sich die Reform auf den Arbeitsmarkt auswirken?
Die Arbeitgeberseite argumentiert, dass sinkende Lohnnebenkosten die Arbeit attraktiver machen und den Wirtschaftsstandort stärken würden. Kritiker befürchten jedoch, dass der zusätzliche finanzielle Druck auf Familien den Konsum schwächen und damit die Wirtschaft belasten könnte. - Welche Alternativen zur Beitragszahlung für Ehegatten gibt es?
Effizientere Strukturen im Gesundheitswesen, eine Digitalisierung der Verwaltungsprozesse, eine stärkere Regulierung der Arzneimittelpreise und eine Reform der Dualstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung könnten ähnliche Einspareffekte erzielen, ohne das Solidaritätsprinzip zu schwächen. - Wann könnte die Reform umgesetzt werden?
Eine Expertenkommission prüft derzeit verschiedene Reformvorschläge. Die Ergebnisse sollen bis März vorliegen. Mit einer politischen Entscheidung und rechtlichen Umsetzung sei frühestens nächstes Jahr zu rechnen. - Wie könnten Unternehmen von der Reform profitieren?
Sinkende oder zumindest stabilisierende Lohnnebenkosten würden die Personalkosten planbarer machen. Vor allem der Mittelstand könnte von Entlastungen profitieren und Spielraum für Investitionen und Neueinstellungen gewinnen.
Quellen: „Bild“, „FAZ“
