In der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez produzieren viele Unternehmen vor allem für den US-amerikanischen Markt. Kürzlich haben sie Tausende entlassen. Dies ist vor allem auf die Zollpolitik von US-Präsident Trump zurückzuführen.
Die Sonne ist noch nicht über der Wüste aufgegangen, als bereits die ersten Arbeitssuchenden auf einem riesigen Parkplatz in Ciudad Juárez eingetroffen sind. Alma, die ihren Nachnamen nicht nennen will, ist seit einem Monat arbeitslos: „Früher gab es viel Arbeit, aber die Nachfrage ist stark zurückgegangen.“ Sie hat weder Ersparnisse noch eine Arbeitslosenversicherung, wie kaum einer der sogenannten „Jornaleros“, Tagelöhner, die hier auf einen Job hoffen. Ihr Freund zahlt derzeit die Miete.
Wenn die Stände um sieben Uhr morgens öffnen, haben sich bereits lange Schlangen gebildet. Ein Vermittler ruft: „Kommt her, kommt zu uns, wir nehmen auch Menschen ohne Erfahrung, ohne Zertifikate, aber mit Lust auf Arbeit auf.“ Es ist ein leeres Versprechen, sie können nicht viele Jobs anbieten. Während der große Raum vor Monaten voller Verkäufer war, sind es heute nur noch vier. Viele sogenannte Maquilas, produzierende Betriebe, die sich auf den für die Grenzregion so wichtigen Export spezialisiert haben, hätten geschlossen, sagt Jobvermittler Gilberto Sandoval: „Noch vor einem halben Jahr habe ich jede Woche 500 Jobs verschenkt, jetzt sind es nicht mehr als 20, vielleicht 30.“ Er fühlt sich schlecht, wenn er die meisten von ihnen abweist.
50 Prozent Zölle auf Aluminium und Stahl
Nach Angaben des mexikanischen Statistikamtes gingen in Juárez allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 14.000 Arbeitsplätze verloren. Besonders stark betroffen sind Maquilas, die auf Elektronik, Metallverarbeitung und Autoteilezulieferer spezialisiert sind. Einige Unternehmen mussten schließen, der Autoteilehersteller Lear Corp hat Teile seiner Produktion nach Honduras verlagert und auch der Elektronikhersteller Lacroix will sich zurückziehen. Die Branchenverbände der Region warnen, dass 30 Prozent der Maquila-Unternehmen vor enormen Schwierigkeiten stünden.
Einer von ihnen ist Thor Salayandia, Präsident eines regionalen Wirtschaftsverbandes und selbst Unternehmer in der Metallverarbeitung. Er musste seinen Personalbestand von 80 auf nur noch 20 Mitarbeiter reduzieren. Auf seine Aluminium- und Stahlprodukte fallen bereits Zölle in Höhe von 50 Prozent an. Und das hat drastische Folgen: „Ich habe einen Kunden in Houston und ich habe ihm ein Angebot über 20.000 Dollar gemacht. Im Juli musste ich ihn erneut anrufen: Entschuldigung, wegen der neuen Tarife muss ich 10.000 Dollar hinzufügen. Er sagte: Dann kann ich hier in Houston kaufen, das kostet das Gleiche.“ Der Kunde war weg.
Unvorhersehbare Zollpolitik ist nur ein Faktor
Die Zolldrohungen und -vorschriften ändern sich ständig: Im März wurden plötzlich 25 Prozent Zölle auf Waren von Mexiko in die USA erhoben, später drohte Trump mit 30 Prozent. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum konnte dies bisher abwenden, doch Ende des Monats läuft eine 90-Tage-Frist ab und es drohen neue Einfuhrzölle in den USA.
Salayandia und andere Unternehmer betrachten die unberechenbare Zollpolitik der Trump-Regierung als den letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Andere Faktoren hätten die Wirtschaft bereits ins Stocken gebracht, erklärt Ökonom Alejandro Brugués vom Colegio de la Frontera Norte in Juárez. „Wir sehen, dass viele Rohstoffe aus China und Südostasien aufgrund der globalen Veränderungen teurer werden.“ Auch die Lieferketten würden unter den steigenden Material- und Energiekosten leiden. Es würde auch Konkurrenz durch billigere chinesische Importe geben.
Eine Justizreform würde Investoren abschrecken
Manuel Sotelo Suárez, Präsident des Verkehrsunternehmensverbands von Ciudad Juárez, sieht einen weiteren Grund in der seit einem Jahr geltenden Justizreform in Mexiko. Seitdem können Richter direkt vom Volk gewählt werden. „Dies führte zu einem großen Vertrauensverlust bei den Anlegern“, sagt Sotelo. Viele Experten teilen die Sorge: Eine Direktwahl könnte Korruption und Einflussnahme der organisierten Kriminalität fördern.
Kartelle spielen in Juárez eine zentrale Rolle: Hierhin führen die Schmuggelrouten für Waffen, Drogen und Menschen, was die Stadt zu einer der gefährlichsten der Welt macht. Lokale Verbände befürchten, dass die organisierte Kriminalität vom Mangel an Arbeitsplätzen und Perspektiven profitiert, weil Menschen in Not stärker auf ihre Angebote reagieren.
Freihandelsabkommen schützt nicht vor Sondertarifen
Eigentlich sollte das Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko, das USMCA, in Mexiko T-MEC genannt, vor all diesen Schwankungen und Unsicherheiten schützen. Allerdings verhindere das Abkommen keine Sonderzölle, erklärt Ökonom Brugués. Und: Viele Produkte müssen strenge Auflagen erfüllen, um den Zollfreistatus zu erreichen.
Das Freihandelsabkommen soll nächstes Jahr neu formuliert werden; Die Verhandlungen haben gerade erst begonnen. „Wir müssen bei den Verhandlungen dafür sorgen, dass die Zölle auf Aluminium, Stahl und andere Rohstoffe abgeschafft oder gesenkt werden“, sagt Brugués. Die USA üben unter anderem mit massiven Zöllen Druck aus, um bessere Bedingungen für diese Verhandlungen zu erreichen.
Die Unternehmer in Ciudad Juárez hoffen, dass die neuen Tarife im November zumindest bis zur Fertigstellung des neuen T-MEC Planungssicherheit und damit mehr Stabilität und Ruhe in den Markt bringen.