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EU-Kritiker übernehmen: Tschecho-Japaner wird Parlamentspräsident in Prag – Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Die Partei des Milliardärs Andrej Babis ging als Siegerin aus der Parlamentswahl in Tschechien hervor. Allerdings wird mit Tomio Okamura ein Mann, der noch weiter rechts steht, Parlamentspräsident. So sehr, dass die Justiz wegen Volksverhetzung ermittelt.

Das neue Repräsentantenhaus der Tschechischen Republik hat den ausgesprochenen EU- und NATO-Kritiker Tomio Okamura zum Parlamentspräsidenten gewählt. Der Gründer der ultrarechten Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) erhielt 107 Stimmen. Damit besiegte er den christdemokratischen Gegner Jan Bartosek, für den 81 Abgeordnete stimmten.

Das Besondere ist, dass ein Gericht die Aufhebung der Immunität Okamuras beantragt hat, damit gegen ihn ein Verfahren wegen Volksverhetzung eröffnet werden kann. Der Fall betrifft einen früheren Wahlkampf mit angeblich rassistischen Inhalten. Auf Plakaten war neben der Forderung „Stoppt den EU-Migrationspakt“ ein blutüberströmter Schwarzer mit einem langen Messer zu sehen.

Als Tschecho-Japaner ist Okamura der Sohn eines Japaners und einer Tschechin. Er wurde in Tokio geboren, aber seine Familie zog in die damalige Tschechoslowakei, als Okamura sechs Jahre alt war. Später lebte er eine Zeit lang in Japan und verdiente seinen Lebensunterhalt als Müllsammler und Popcornverkäufer in einem Kino, bevor er in die Tschechische Republik zurückkehrte und in der Reisebranche arbeitete.

2015 gründete er „Freiheit und direkte Demokratie“. Bei der Parlamentswahl Anfang Oktober erreichte die Partei 7,8 Prozent der Stimmen. Wahlsieger Andrej Babis und seine ANO wollen eine Koalition mit Okamuras Partei und der Autofahrerpartei bilden. Voraussetzung dafür ist jedoch die Bereitschaft des liberalen Präsidenten und Ex-NATO-Generals Petr Pavel, die neue Regierung in dieser Form zu ernennen. Seine Entscheidung wird mit Spannung erwartet.

Die drei Parteichefs unterzeichneten am Montag einen Koalitionsvertrag. Sie verkündeten „Null Toleranz gegenüber illegaler Migration“, versprachen niedrigere Energiepreise, ein Ende des Rundfunkbeitrags und die Wiedereinführung von Renten ab 65 Jahren. Sie lehnen den Euro ab und wollen den Erhalt der Krone in der Verfassung verankern. Aus dem Ausland finanzierte Organisationen sollten künftig ihre Spender offenlegen. Der Green Deal der EU wird als „nicht nachhaltig“ kritisiert und das europäische Migrations- und Asylpaket strikt abgelehnt.

Bruder warnt vor „Sicherheitsbedrohung“ in Tschechien

Sein eigener Bruder lehnte die Wahl von Tomio Okamura zum Parlamentssprecher ab. Der fünf Jahre ältere Hayato Okamura sitzt für die Christdemokraten im Repräsentantenhaus. In einer emotionalen Rede sprach er von einer „ernsthaften Bedrohung der Sicherheit“ des Landes. Der scheidende konservative Innenminister Vit Rakusan sprach von einer „internationalen Schande“ für sein Land und warnte vor irreparablen Schäden.

Im Wahlkampf forderte Okamura ein Referendum über den Austritt aus der NATO. Er drohte Ukrainern, die nicht arbeiten, mit dem Verlust ihrer Aufenthaltserlaubnis.

dpa/sebe

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