Die USA greifen mutmaßliche Drogenboote an. Offiziell soll die Aktion den Schmuggel eindämmen. Es ist völkerrechtlich umstritten und trifft nicht die Hauptroute.

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro ist der amerikanischen Regierung schon lange ein Dorn im Auge. Die Beziehungen zu Caracas sind auf dem Tiefpunkt, Sanktionen und diplomatische Spannungen bestimmen das Verhältnis. Nun setzt die amerikanische Regierung auf militärische Stärke: Amerikanische Streitkräfte bauen ihre Präsenz in Mittelamerika aus und gehen gegen mutmaßliche Drogenlieferungen vor. Doch der Ansatz wirft Fragen auf.
Am 2. September bestätigte die amerikanische Regierung erstmals, dass vor der Küste Venezuelas ein mutmaßliches Drogenboot abgeschossen wurde. An Bord seien Mitglieder der berüchtigten venezolanischen Bande Tren de Aragua gewesen, schrieb Präsident Donald Trump auf Truth Social. Tren de Aragua wird in den Vereinigten Staaten als Terrororganisation eingestuft.
Bis Ende Oktober hatten US-Streitkräfte 14 weitere Schnellboote angegriffen. Bei den Anschlägen kamen mindestens 61 Menschen ums Leben, drei Verdächtige wurden festgenommen und in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte zwar Videos der Operationen, lieferte jedoch keine detaillierteren Geheimdienstinformationen, physischen Beweise oder eine unabhängige Überprüfung der mutmaßlichen Drogenaktivität.
Heute früh führte das Kriegsministerium auf Anweisung von Präsident Trump einen tödlichen kinetischen Angriff auf ein weiteres Drogenhandelsschiff durch, das von einer Designated Terrorist Organization (DTO) im Ostpazifik betrieben wird.
Dieses Schiff war, wie alle anderen, unserem… bekannt. pic.twitter.com/mBOLA5RYQe
– Kriegsminister Pete Hegseth (@SecWar) 29. Oktober 2025
Berichten zufolge wurden mindestens drei Boote nahe der venezolanischen Küste und eines in den Gewässern vor der Dominikanischen Republik getroffen. Das berichteten lokale Medien unter Berufung auf Augenzeugen.
Was die verbleibenden Schnellboote betrifft, ist unklar, wo genau sie angegriffen wurden. Die Trump-Administration gab lediglich an, dass die Operationen in internationalen Gewässern stattgefunden hätten – die meisten davon zunächst in der Karibik. Ende Oktober griffen US-Streitkräfte jedoch sieben Boote im Pazifik an.
Die Regierung von Donald Trump will die Drogenepidemie in den USA eindämmen. Es hat das Land fest im Griff: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Todesfälle durch Überdosierungen deutlich gestiegen.
Ein Großteil der illegalen Drogen gelangt aus Lateinamerika über die Südgrenze in die USA. Zwar beschlagnahmen Grenzschutz- und Sicherheitskräfte dort jedes Jahr tonnenweise Schmuggelware, doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich auf dem amerikanischen Markt landet.
Die USA betrachten die Drogenkartelle und Schmuggelnetzwerke daher als Bedrohung der nationalen Sicherheit, der mit aller Härte begegnet werden sollte. Präsident Trump sagte, er werde „jedes Element amerikanischer Macht nutzen, um den Drogenfluss in unser Land zu stoppen“. Dementsprechend rechtfertigen die USA ihre aktuellen Militäreinsätze in der Region stets damit, dass es sich bei den getroffenen Booten und Menschen um „Narkoterroristen“ handele, die die USA angreifen wollten.
Und mehr noch: Die Trump-Regierung macht den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro direkt für den Drogenhandel verantwortlich. US-Generalstaatsanwalt Bondi erklärte Anfang September, das Maduro-Regime sei nicht die legitime Regierung Venezuelas, sondern ein Drogenkartell. Maduro und seine Anhänger sollen direkt oder indirekt an den Geschäftsaktivitäten des berüchtigten Cartel de los Soles und der Tren de Aragua-Bande beteiligt sein. Darüber gibt es schon seit Jahren Berichte. Anfang September verdoppelten die USA ein bestehendes Kopfgeld für die Festnahme Maduros auf 50 Millionen Dollar.
Venezuela ist ein wichtiges Transitland für den Kokainhandel. Das liegt auch daran, dass das Nachbarland Kolumbien der größte Produzent der Droge ist. Nach Angaben der Drogenagentur der Vereinten Nationen (UNODC) entfallen über 60 Prozent der weltweiten Kokainproduktion auf Kolumbien, gefolgt von Peru und Bolivien. Von dort aus erfolgt der Transport der Güter über verschiedene Routen.
Der Kokainhandel verursacht jedes Jahr Hunderttausende Todesfälle, sowohl in den USA als auch entlang der Lieferkette, wo Gewalt zum Alltag gehört. Obwohl die USA nach Angaben der UN-Drogenagentur nach wie vor einer der wichtigsten Absatzmärkte für Kokain sind, hat Europa die USA mittlerweile überholt. Darauf deuten zahlreiche Sicherstellungen großer Drogenmengen hin. Im Jahr 2023 wurden in der EU rund 420 Tonnen Kokain beschlagnahmt.
Allerdings ist der Handel mit Fentanyl für die USA weitaus verheerender. Das Opioid ist etwa fünfzigmal stärker als Heroin und hat in den letzten Jahren den amerikanischen Drogenmarkt überschwemmt. Die Produktion erfolgt fast ausschließlich in Mexiko, die chemischen Vorprodukte stammen aus China.
Für weltweites Aufsehen sorgte der Einsatz der USA in der Karibik erst, als die Regierung ankündigte, ihren größten Flugzeugträger, die USS „Gerald Ford“, in die Region zu schicken. Mit seinen rund 5.000 Besatzungsmitgliedern, fünf Begleitschiffen und zahlreichen Kampfflugzeugen ist der Flugzeugträger nun auf dem Weg vom östlichen Mittelmeer in die Karibik.
Dort verstärkt er eine bereits beeindruckende Präsenz. Seit Ende August haben die amerikanischen Streitkräfte, allen voran die US Navy, ihre Truppen weiter aufgestockt: Rund 10.000 Soldaten sind bereits in der Region stationiert, dazu Kampfschiffe, Kampfflugzeuge, Drohnen und Versorgungsschiffe.
Auch B-52-Bomber der US-Luftwaffe starteten vom Bundesstaat Louisiana aus, um die Küste Venezuelas zu überfliegen. Die Streitkräfte in karibischen Gewässern können Bedrohungen aus der Luft, vom Meer und unter Wasser bekämpfen sowie Ziele an Land angreifen. Allerdings steht das militärische Potenzial in keinem Verhältnis zum Auftrag, Drogenboote zu jagen. Es wäre eher für einen Einsatz gegen schwerbewaffnete Kartelle in ihren Hochburgen geeignet. Die Trump-Administration hat bereits Militäroperationen an Land angekündigt, bisher wurden jedoch keine angekündigt.
Die venezolanische Regierung verurteilte die Operationen als illegal und politisch motiviert. Präsident Nicolás Maduro sprach von einem „militärischen Angriff auf Zivilisten, die sich nicht im Krieg befanden und keine Gefahr für irgendein Land darstellten“. Er beschuldigte Washington, absichtlich einen größeren Konflikt provoziert zu haben, und erklärte, dass das eigentliche Ziel ein „Regimewechsel für das Öl“ sei.
Ob die Militärpräsenz vor Venezuelas Küste diesem Ziel tatsächlich dient, bleibt Spekulation. Während einflussreiche Republikaner in Trumps Umfeld offen einen Regimewechsel fordern, sehen andere in dem Marsch vor allem eine Drohung, die den Druck aufrechterhalten soll, bis Maduro freiwillig zurücktritt.
Unterdessen sorgt der regelmäßige Abschuss von Booten international für Kritik. Experten für internationales Recht betonen, dass vorsätzliche Tötungen außerhalb bewaffneter Konflikte rechtswidrig sind, es sei denn, sie dienen unmittelbar der Rettung eines Lebens.
Umstritten ist auch, ob und wann die Trump-Administration den Kongress in die Ereignisse verwickelt hat. Nach dem National Defense Authorization Act ist der Präsident verpflichtet, den Kongress zu informieren, wenn er einen militärischen Angriff startet.
Präsident Donald Trump äußerte sich am 24. Oktober zu den Angriffen auf mutmaßliche Drogenboote und erklärte, warum er den Kongress nicht vorab um Zustimmung gebeten hatte.
Im September informierte ein durchgesickerter Brief der Regierung den Kongress über eine ihrer Operationen und bezeichnete die drei getöteten Personen als „rechtswidrige Kombattanten“. Präsident George W. Bush prägte den Begriff für Mitglieder von Al-Qaida und anderen Terrorgruppen. Nach den Anschlägen vom 11. September trat die sogenannte Authorization for the Use of Military Force (AUMF) in Kraft, mit der der Kongress den Präsidenten zum Einsatz begrenzter militärischer Gewalt ermächtigte.
Nach den Anschlägen vom 11. September gab der Kongress im Rahmen der AUMF von 2001 grünes Licht für militärische Kräfte gegen Al-Qaida. Allerdings gibt es keine solche Genehmigung für Tren de Aragua oder andere Drogenkartelle.
