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Es ging nach Berlin, Rom und Paris: der 89-jährige Münchner und sein 53 Jahre alter Sternenkreuzer

Mit leisem Fauchen hält der 53 Jahre alte Mercedes 250/8 vor dem Haus von Fritz Scholze in Waldperlach. Was folgt, wirkt fast wie ein religiöser Akt: Scholze lächelt selig und streicht über das Armaturenbrett mit seinen silbernen Details. „Gut gemacht“, lobt der 89-Jährige.

Trotz seines hohen Alters schwingt er sich dynamisch aus den cremefarbenen Stahlbergen, rückt seine weiße Schiebermütze zurecht, schließt die Autotür und klopft erneut auf die Motorhaube seines Oldtimers.

Fritz Scholze sammelt seit rund 50 Jahren Oldtimer im Miniaturformat. Hier zeigt er einen Opel von 1926, den seine Mutter fuhr.
© Anna Kelbel
Fritz Scholze sammelt seit rund 50 Jahren Oldtimer im Miniaturformat. Hier zeigt er einen Opel von 1926, den seine Mutter fuhr.

von Anna Kelbel

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Eine halbe Stunde Morgengymnastik, jeden Tag ohne Gnade

Wem so viel Liebe zum Automobil irritiert, sei beruhigt: Es handelt sich nicht um die Geschichte eines autobesessenen Fanatikers, sondern um einen mürrischen Münchner, der behält, was er liebt.

Wer sich ausruht, rostet – das gilt für Menschen genauso wie für Autos. Fritz Scholze kümmert sich um beides. Seit seiner Pensionierung im Jahr 1999 macht der ehemalige Schaufensterdekorateur jeden Morgen eine halbe Stunde Frühsport – er kennt keine Gnade.

Auch Scholze fährt regelmäßig seinen Oldtimer mit dem stehenden Stern über dem Kühler.

Der Stern auf der Motorhaube war bereits in halb Europa

Seine Standardtour: Der 89-Jährige geht jeden Freitag ins Pep-Einkaufszentrum in Neuperlach. „Das haben meine Frau Hilde und ich früher jede Woche gemacht.“ Zuvor besucht er die 2009 verstorbene Hilde auf dem Friedhof.

Bitte einmal einsteigen! Am
Bitte einmal einsteigen! Bei der „Langen Nacht der Museen“ ist Fritz Scholze einer von rund 100 Oldtimerfahrern, die Besucher zwischen dem Deutschen Museum und dem Verkehrszentrum hin und her fahren.
© Anna Kelbel
Bitte einmal einsteigen! Bei der „Langen Nacht der Museen“ ist Fritz Scholze einer von rund 100 Oldtimerfahrern, die Besucher zwischen dem Deutschen Museum und dem Verkehrszentrum hin und her fahren.

von Anna Kelbel

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Die Scholzes fuhren einst mit ihrem Mercedes-Oldtimer nach Berlin, Rom oder Paris. Alte Liebe rostet nie: bei Scholze weder die zu seiner Hilde noch die zu seinem Oldtimer. Der Benzinmotor ist immer noch makellos poliert.

Keine Sicherheitsgurte auf dem Rücksitz

Keine Schrammen, keine Kratzer, der Kassettenrecorder erzeugt kein Bandgewirr. Das einzige Problem sind die Träger hinten. Sie existieren nicht. Als Opa-Taxi für die inzwischen erwachsenen Enkel war der Oldtimer nicht geeignet.

Scholzes Großvater war Automobilingenieur, und der Ur-Waldperlacher hatte Benzin im Blut: „Bei uns lagen immer Autos zu Hause herum.“ Scholze machte 1954 seinen Führerschein – nach nur zwei Stunden Training. „Ich, genau so war das damals.“ Er zahlte 75 Mark. In Bayern kostet ein Führerschein heute durchschnittlich 4.200 Euro.

Die Quittung für seinen Lappen hat Scholze bis heute aufbewahrt: „Ich kann einfach nichts wegwerfen.“

Erstes Auto mit 13 PS

Das erste Auto des jungen Fritz war ein Lloyd 400. Dieser in Deutschland hergestellte Borgward-Kleinwagen hatte 13 PS und war grün. Vielleicht hätte er es in Blau oder Rot bekommen sollen? „Pünktlich zum Gründonnerstag ist mir jemand in den Rücken gefahren – ein Totalschaden“, sagte Scholze.

Es folgten sechs weitere Autos, die Scholze allesamt in einem Fotoalbum dokumentierte. Als er fast 50 war, kaufte er von einem Freund den Mercedes 250/8. Eine verzögerte Midlife-Crisis? „An so etwas habe ich noch nie gedacht“, lacht Scholze.

Der Mann hat einfach ein Auge für Schönheit – schon immer. Im Alter von 14 Jahren begann Scholze eine Lehre als Schaufensterdekorateur. Er war 49 Jahre lang sehr glücklich in diesem Job, bis er in den Ruhestand ging. Auch in Scholzes Haus im Märchenviertel Waldperlach werden Wohnträume wahr.

Scholze hat auch einen Mini-Opel von 1926

Orangefarbene Stühle und ein orangefarbener Lampenschirm erhellen das Esszimmer. Auch im Wohnzimmer ist alles bis in die hinterste linke Ecke durchgeplant. Unter einer beeindruckenden Bierglassammlung befindet sich eine Oldtimersammlung.

Die Autos sind Mini, die Sammlung ist groß. Rund 300 kleine Oldtimer reihen sich nach Marken und Modellen sortiert aneinander. „Das sind einfach meine Spiele“, erklärt Scholze. Zur Sammlung gehört auch ein Opel aus dem Jahr 1926, den einst seine Mutter Hannerl Hofbauer fuhr.

Scholze hat Modelle aller von ihm gefahrenen Autos in einer separaten Vitrine gesammelt. „Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für eine Arbeit ist, wenn man hier Staub wischt“, sagt er und lächelt.

Der Mann ist am Steuer in seinem Element

Ob im Haus oder in der Garage – bei Scholze ist alles in Top-Zustand. Als ein Gutachter vor Jahren den Mercedes begutachtete, sagte Scholzes Frau scherzhaft: „Wenn er sich genauso gut um mich kümmern würde wie um das Auto, würde es mir gut gehen.“

Der Gutachter habe herzlich gelacht, sagte Scholze. Dann sagte der Gutachter: „Ihre Frau hatte Recht.“ Scholze gewann den ersten Platz im Wettbewerb um den am besten erhaltenen Oldtimer im Originalzustand.

Er treffe sich regelmäßig mit anderen Oldtimer-Fans, „damit ich das Auto öfter fahren kann.“ Seinen Fahrstil beschreibt der 89-Jährige so: „So fährt man eben.“ Der AZ-Reporter kann berichten: Mit Fritz Scholze kommt man ganz gut klar. Am Steuer ist er in seinem Element. Scholze erklärt: „Wenn ich nicht mehr Auto fahren kann, dann will ich nicht mehr leben.“

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