Bitterfeld-Wolfen. Zunächst ein kurzer Abriss der industriellen Nutzung von Lithium. Die Idee, in dieses Geschäft einzusteigen, entstand bereits 2012. Und schließlich entstand in gut zwei Jahren eine Fabrik in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt). „Das ist es“, sagt Heinz Schimmelbusch ganz lakonisch. Er ist Chef des Rohstoffkonzerns Advanced Metallurgical Group (AMG) und Vater der ersten Raffinerie Europas zur Veredelung des leichtesten Metalls der Erde, das die wichtigste Zutat für den Erfolg der Elektromobilität ist.
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Am Mittwoch wurde die Anlage mit einer „offiziellen Feier“ in Betrieb genommen, hieß es in der Einladung. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), war aus Berlin angereist, um die Pionierleistung zu würdigen. Rohstoffsicherung sei wichtig. Er gratulierte herzlich.
AMG-Geschäftsführer Stefan Scherer (v.l.n.r.), Ministerpräsident Reiner Haseloff und AMG-CEO Heinz Schimmelbusch haben symbolisch Europas erste Lithiumhydroxid-Raffinerie in Betrieb genommen.
Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Reiner Haselhoff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, betont die „große strategische Bedeutung“ der Fabrik, ihren Beitrag zur Energiewende, für die – wie man sieht – auch die traditionelle Chemieindustrie notwendig sei. 140 Millionen Euro hat AMG investiert, davon hat das Land 5,5 Millionen beigesteuert. Doch die Anlage in ihrer jetzigen Größe ist nur ein Anfang.
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Lithium: Unverzichtbar für die E-Auto-Produktion
Der Reihe nach: Die Lithium-Ionen-Batterie ist das mit Abstand teuerste und auch schwerste Bauteil von Elektroautos. Das bedeutet für die Autohersteller, dass sie möglichst effiziente Energiespeicher verbauen müssen. Dafür braucht es hochreines Lithiumhydroxid, damit die Lithium-Ionen maximal agil im Akku schweben können. Im Prinzip passiert in der Raffinerie in Bitterfeld-Wolfen nichts weiter als eine Art Reinigung und Anreicherung der angelieferten Vorprodukte. Doch erst durch diesen Prozess wird das Lithium für den Einsatz in Autobatterien qualifiziert.
Die nun in Betrieb genommene Anlage soll im Normalbetrieb 20.000 Tonnen des „weißen Goldes“ genannten Stoffes pro Jahr produzieren. Laut Stefan Scherer, Chef der AMG-Lithiumsparte, reichen 20.000 Tonnen für die Batterien von rund 500.000 Elektroautos.
Doch ganz so weit ist man in Wolfen noch nicht. „Nach dem Anfahren der Anlage müssen wir zunächst die sogenannten Qualifikationsmengen produzieren, rund 100 Tonnen“, erklärt Scherer. Die Qualität des Lithiumhydroxids, dessen Konsistenz an etwas zu grob geratenen Zucker erinnert, wird dann von Kunden getestet. Das kann bis zu sechs Monate dauern.
Europas erste Lithiumhydroxid-Raffinerie wird vor allem europäische Kunden beliefern.
Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Der Rohstoff dafür stammt ebenfalls aus einer Mine in Brasilien, die vom Mutterkonzern betrieben wird. Das langfristige Ziel von AMG ist es, eine Lieferkette komplett unter eigener Kontrolle aufzubauen. Der Mann hinter dem Plan ist Schimmelbusch („Schibu“), eine deutsche Industrielegende, einst Chef der Metallgesellschaft und heute 80 Jahre alt.
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China dominiert das globale Geschäft mit Weißgold
Auch die chinesische Regierung hat die Bedeutung von Lithium erkannt. Die Volksrepublik dominiert mittlerweile das globale Geschäft mit dem weißen Gold. Neben Chile, Argentinien und Australien ist China einer der größten Produzenten des Rohstoffs.
Noch wichtiger: Die Volksrepublik hat in der Mitte der Lieferkette eine enorme Marktmacht aufgebaut: Rund 60 Prozent der weltweiten Lithiumverarbeitung finden derzeit in dem Land statt.
Elektroautos: Ruhepausen steigern Leistung von Lithium-Metall-Akkus
Sie könnten die Reichweite von Elektroautos deutlich erhöhen, haben aber eine große Schwäche: Lithium-Metall-Akkus verlieren rasch an Leistung. Forschern der Stanford University ist es nun gelungen, deren Ladefähigkeit länger aufrechtzuerhalten.
Warnungen vor einer neuen, größeren Abhängigkeit von China gibt es genug. Vor allem die EU-Kommission wirbt dafür, dass Europa bei der Gewinnung und Verarbeitung des Batterie-Rohstoffs auf eigenen Beinen stehen müsse. Hier sieht Schimmelbusch seine Chance. Er plant bereits weitere Produktionsmodule am Standort, im Vollausbau soll die Raffinerie 100.000 Tonnen pro Jahr produzieren.
Im kommenden Jahr wird es dann richtig ernst mit der Produktion. Dann will Scherer die 20.000-Tonnen-Marke „ansteuern“, wie er es ausdrückt. Zu den Kunden zählen unter anderem Batteriefabriken in Polen und Ungarn. In nur zwei Tagen kann das Lithium von Wolfen zum Kunden transportiert werden. Der CEO von AMG Lithium sieht darin einen wichtigen Standortvorteil.
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Lithiumhydroxid-Preise: Höhen und Tiefen
Doch lässt sich das hochreine Hydroxid auch gewinnbringend verkaufen? Die Preise an den Rohstoffbörsen erlebten in den vergangenen zwei Jahren eine atemberaubende Achterbahnfahrt. Zunächst stiegen sie in astronomische Höhen.
Noch im Frühjahr 2023 fragten sich etwa Analysten der kanadischen Scotiabank, wie die damals massiv steigende Nachfrage in absehbarer Zeit gedeckt werden könne. Doch bald darauf folgte ein noch tieferer Einbruch. Auf dem chinesischen Spotmarkt für kurzfristige Lieferungen sind die Preise im Vergleich zum Allzeithoch (Ende 2022) mittlerweile um mehr als 80 Prozent gefallen.
Blick auf die Lithiumhydroxid-Raffinerie von AMG in Bitterfeld-Wolfen.
Quelle: Hendrik Schmidt/dpa
Der Grund: In Erwartung eines gigantischen Bedarfsschubs vor allem in China wurde die Lithium-Produktion gnadenlos hochgefahren. Doch die globale Nachfrage nach Elektroautos wuchs langsamer als erwartet – auch weil staatliche Kaufsubventionen vielfach gekürzt wurden.
Bestes Beispiel: Deutschland. In den ersten acht Monaten 2024 sank die Zahl der neu zugelassenen Batterie-Elektroautos um rund ein Drittel. Weltweit wurden inzwischen zahlreiche Lithium-Projekte gestoppt. Ende vergangener Woche kündigte der weltgrößte Batteriehersteller CATL an, eine seiner großen Minen in China umgehend zu schließen.
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Ist nun auch das zarte Pflänzchen in Wolfen in Gefahr – noch bevor es zur Blüte kommen kann?
Die zweite Lithiumfabrik ist bereits im Bau
Scherer gibt sich optimistisch: „Ein Auf und Ab gehört zum Geschäft. Wir befinden uns bereits im zweiten sogenannten Schweinezyklus innerhalb von fünf Jahren. Und es gibt erste Spekulationen, dass die Preise bald wieder steigen werden.“
Der Manager rechnet damit, dass es im kommenden Jahr einen Gesamtbedarf von rund 50.000 Tonnen Lithiumhydroxid für die Batteriefabriken in Europa geben wird. Und er mache sich „überhaupt keine Sorgen, ob er das Material in Europa verkaufen kann“, sagt er. Er fügt aber hinzu: „Wir geben gerne zu, dass die Margen dann etwas anders aussehen werden als noch vor einem Jahr.“
Auch Scherer betont den Vorteil, als Erster in Europa Batterie-Lithium zu produzieren. Und er betont: „Wenn man zu den Pionieren gehört, ist das immer etwas Besonderes. Es ist schon ein gewisser Stolz da, dass wir es geschafft haben, die Idee einer Lithium-Raffinerie in Deutschland umzusetzen.“
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Doch AMG wird nicht lange allein bleiben. Der kanadische Rohstoffkonzern Rock Tech baut im brandenburgischen Guben die zweite Li-Raffinerie. 24.000 Tonnen Hydroxid sollen jährlich produziert werden. Geplante Inbetriebnahme: 2025.