Russland plant die Mobilisierung von Reservisten: Der Druck auf die Ukraine wächst aufgrund jüngster Drohnenangriffe – westliche Partner sind alarmiert.
Moskau – Die Lage an den Frontlinien des Ukraine-Krieges eskaliert weiter dramatisch: Russische Angriffe mit Hunderten Drohnen setzen die ukrainische Luftverteidigung enorm unter Druck. Zuletzt sorgten sie in der Ostukraine für großflächige Stromausfälle.
Neue Berichte des Institute for the Study of War (ISW) weisen darauf hin: Die jüngsten Drohnenangriffe sind nicht Putins einzige Maßnahme im Ukraine-Krieg. Demnach hat eine Kommission des russischen Ministerkabinetts einem Entwurf zugestimmt, der den Einsatz von Reservisten legalisiert: „Der Kreml bereitet sich darauf vor, erstmals schrittweise Reservisten für den Kampf in der Ukraine zu mobilisieren“, schreibt das US-Institut.
Russlands neue Strategie – Reservisten im Fokus
Wie ISW berichtet, könnte Russland mit der schrittweisen Mobilisierung seiner aktiven Reservisten beginnen, um die Kämpfe in der Ukraine fortzusetzen. Der Mechanismus der kleinen, kontinuierlichen Wehrpflichten markiert einen klaren Wendepunkt: Moskau hatte zuvor eine Massenmobilisierung wie Ende 2022 durch hohe finanzielle Anreize für Rekruten vermieden.
Jetzt schafft das russische Ministerkabinett die nötigen Grundlagen: Der neue Entwurf beseitigt die rechtlichen Hürden, und Reservisten können nun ohne offizielle Mobilisierung oder Kriegserklärung eingesetzt werden. Der Kreml stand zuletzt unter Handlungsdruck, weil das bisherige „Pay-to-Play“-System zunehmend an Wirksamkeit verlor, wie das ISW berichtet. Angesichts der anhaltend hohen Verluste in der Ukraine bleibt für Kremlchef Putin nur die schrittweise Rekrutierung von Reservisten, um die Truppenstärke aufrechtzuerhalten.
„Ein erschreckender Meilenstein“: Russland mobilisiert
Wie drastisch der russische Präsident bei der Rekrutierung von Rekruten vorgeht, zeigt ein aktuelles Beispiel CNN-Bericht. Darin heißt es, dass mehrere Regionen in den letzten Tagen Pläne angekündigt hätten, ihre Anmeldeboni zu vervierfachen, um die Rekrutierungszahlen zu erhöhen. Der Kiewer Post fügt hinzu, dass Russland seit Kurzem mit Kampagnen für „sichere“ Arbeitsplätze an der Front wirbt.
Der Personalmangel macht sich auch an der Front bemerkbar: Das ISW berichtete kürzlich, dass die Opferzahlen Russlands zwischen Januar und Juli 2025 mit 32.000 bis 48.000 pro Monat über der Rekrutierungsrate lagen. Allerdings sanken die Verluste auf 29.000 im August und 13.000 in der ersten Septemberhälfte. Den Grund für den Rückgang sieht das Institut in einer Änderung der Taktik: Die russischen Streitkräfte setzten zuletzt verstärkt auf kleinere Infanteriegruppen und Infiltrationstaktiken, um Schwachstellen in der ukrainischen Verteidigung auszunutzen.
Die neue Taktik könnte sich auch aus den bislang verheerenden Gesamtverlusten Russlands ableiten. „Im Sommer 2025 wird Russland voraussichtlich die Marke von einer Million Opfern erreichen – ein beängstigender und grausiger Meilenstein“, erklären Seth G. Jones und Riley McCabe von der US-amerikanischen Denkfabrik CSIS (Zentrum für strategische und internationale Studien). Russland rückt derzeit in der Ukraine ungewöhnlich langsam vor – oft nur zwischen 50 und 100 Meter pro Tag, was relativ weniger Raumgewinn bedeutet als einige Offensiven des Ersten Weltkriegs.
Putins Rekrutierungswelle: Anreize und Zwang
Die Ausweitung der Rekrutierung setzt einen Trend fort: Der russische Präsident Wladimir Putin hat die diesjährige Herbstmobilisierung bereits mit der Einberufung von rund 135.000 Männern im Alter von 18 bis 30 Jahren eingeleitet – der größten Einberufung seit 2016. Beobachter sehen darin eine Vorbereitung auf künftige Fronteinsätze.
Darüber hinaus führte die Regierung in Moskau ein elektronisches Einberufungssystem ein, etwa das Kiewer Post gemeldet. Sobald ein Bescheid erfolgt, wird automatisch ein Ausreiseverbot ausgesprochen. Die Strafen bei Verweigerung sind hart: Wer sich nicht innerhalb von 27 Tagen meldet, verliert seinen Führerschein und die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen oder ein Unternehmen zu gründen. Obwohl das System nur als Test in Moskau und drei Regionen gedacht war, hat die Regierung bereits in mindestens 15 anderen Regionen elektronische Vorladungen verschickt, berichtet die Organisation School for Conscripts.
Russland im Ukraine-Krieg: Neue Soldaten und neue Panzer
Das ISW hatte bereits in der Vergangenheit die Gefahr des Aufbaus einer „strategischen Reserve“ befürchtet. Unter Berufung auf eine russische Quelle berichtet das Institut, dass sich seit Juli 2025 rund 292.000 Menschen beim Verteidigungsministerium gemeldet haben (zum Vergleich: Die Bundeswehr hat rund 260.000 Angehörige). Brisant ist, dass nicht alle Rekruten sofort an die Front gingen. Sie wurden der strategischen Reserve zugeordnet. Die italienische Zeitung La Republica sieht darin die russische Garantie dafür, dass jederzeit neue Kräfte an die Front entsandt werden können.
Doch nicht nur die Aufrüstung dürfte der Nato Sorgen bereiten: Im April lieferte der russische Rüstungskonzern Rostec neue, verbesserte Schützenpanzer vom Typ BMP-3 aus. Die Fahrzeuge wurden laut Verteidigungsblog Ausgestattet mit zusätzlicher Panzerung und Anti-Drohnen-Käfigen gegen moderne Bedrohungen. Die BMP-3 bieten Platz für einen siebenköpfigen Infanterietrupp und bieten Feuerschutz bei Vorstößen. Dem Blog zufolge kündigte Rostec außerdem eine Erhöhung der Produktionsraten an. „Im März steigerte High-Precision Systems die Produktion von Schützenpanzern im Vergleich zu den ersten Monaten dieses Jahres um 10 Prozent“, sagte Bekkhan Ozdoev, Industriedirektor bei Rostec-Unternehmen
Das Besorgniserregende: Laut La Republica Der Einsatz gepanzerter Fahrzeuge an der Front wurde seit dem Frühjahr reduziert und vor allem auf ältere Modelle beschränkt. Die neuen Panzer, wie die neu bestellten T90M, BMP-3 und BMPT, können im Donbass oder Saporischschja nicht beobachtet werden. Zu Putins Verhandlungsmasse gehören möglicherweise nicht nur eine immense Zahl neuer Rekruten, sondern auch brandneue Kampffahrzeuge.
Putins Drohnenterror bedroht die Ukraine: Selenskyj sieht nur „Frieden durch Stärke“
Zuletzt war es eher der Kampf in der Luft als der Kampf am Boden, der für Aufsehen sorgte: Russland nahm gezielt die Energieversorgung der Ukraine ins Visier. Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Luftangriffe in dieser Nacht. Von den 96 gestarteten Angriffsdrohnen sei der Großteil abgeschossen worden – „aber leider nicht alle“, sagte Selenskyj auf Telegram. Von den Anschlägen war auch ein Krankenhaus in Charkiw betroffen – Selenksyj kritisierte dies scharf: „Ein absolut terroristischer, zynischer Angriff auf einen Ort, an dem Leben gerettet werden.“
Die zivilen Angriffe richteten sich auch gegen Eisenbahnstrecken in Kirowograd sowie Energieanlagen und Unternehmen in Sumy und Donezk. In diesem Zusammenhang appellierte der Präsident erneut an die westlichen Partner, die Luftverteidigungssysteme der Ukraine zu stärken. Nur so könne „der Luftraum vor Raketen, Drohnen und präzisionsgelenkten Waffen geschützt werden“. Sein Fazit: „Die Welt muss Moskau zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Nur Frieden durch Stärke kann zu einem Ergebnis führen.“ (Quelle: ISW, CNN, Kyiv Post, School for Conscripts, CSIS, La Repubblica, Defense Blog, Telegram, frühere Berichterstattung) (kox)