Ein 63-jähriger Lehrer aus Erfurt wird wegen jahrelanger Misshandlung einer Schülerin zu mehr als fünf Jahren Gefängnis verurteilt. „Ich hätte gerne noch kurz mit dem Schulleiter gesprochen“, sagt der Richter – und übt scharfe Kritik am Verhalten der Schule.
Ein Erfurter Gymnasiallehrer hat einen Schüler mehrere Jahre lang misshandelt, nun muss er für fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das Gericht befand den 63-Jährigen für schuldig, das Mädchen zwischen 2016 und 2020 in mehr als 80 Fällen sexuell belästigt zu haben – in der Schule, auf Klassenfahrten und in seinem Zuhause. Das Mädchen war zum Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs 13 Jahre alt.
Die Umstände und Ausmaße des Falles verblüfften selbst einen erfahrenen Anwalt wie den Vorsitzenden Richter Holger Pröbstel. Das psychisch labile Mädchen suchte eine Schulter zum Anlehnen – und der Angeklagte missbrauchte daraus langfristigen sexuellen Missbrauch.
Dies machte ihn als Lehrer ungeeignet. Wer sich so verhalte, habe kein Verständnis für seinen Job, sagte Pröbstel bei der Urteilsverkündung.
„Ich hätte mich gerne kurz mit dem Schulleiter unterhalten“
Pröbstel richtete auch deutliche Worte an das Gymnasium, wo ein weiterer Lehrer des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung anderer Schüler verdächtigt wird: „Die Schule vermittelt ein verdammt falsches Bild.“ Das Mädchen hatte sich wegen ihres sexuellen Missbrauchs an diesen – nun angeklagten – Nachhilfelehrer gewandt. Anschließend soll er mit ihr pornografische Bilder ausgetauscht haben. Der Prozess gegen diesen Lehrer wird noch erwartet.
Der Gymnasiast kontaktierte auch den Schulleiter und wurde abgewiesen. „Ich hätte mich gerne noch kurz mit dem Schulleiter unterhalten“, sagte der Vorsitzende Richter gerührt.
Laut Pröbstel soll das Urteil ein klares Signal senden, dass jeder, der solche Straftaten in geschützten Räumen wie Schulen begeht, entsprechend bestraft wird. Das vollständige Geständnis des Mannes vor Gericht sahen die Richter als Strafmilderung an.
Staatsanwalt: Klima des Wegschauens
Staatsanwältin Dorothee Ohlendorf hatte zuvor in ihrem Plädoyer darüber gesprochen, wie schwierig es für Opfer sei, sich im schulischen Umfeld zu offenbaren. Es herrscht oft ein Klima des Wegschauens und Verneinens. Jeder, der von Übergriffen und Belästigungen erfahre, solle dies melden, appellierte Ohlendorf.
Der Angeklagte habe die Studentin als Sexobjekt herabgewürdigt und sich ihr gegenüber einfühlsam und manipulativ verhalten, sagte Ohlendorf. Bei dem Opfer wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, mit deren Symptomen die junge Frau noch heute zu kämpfen hat. Das Opfer trat als Nebenkläger im Prozess auf – dem auch viele Gymnasiasten folgten.
Angeklagter entschuldigt sich beim Opfer
Die Nebenklage schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass der Sport- und Geschichtslehrer die Verbrechen in einem voll besetzten Gerichtssaal und unter großer medialer Aufmerksamkeit gestanden habe. Der 63-Jährige verpflichtete sich außerdem zu einer Täter-Opfer-Vergleichszahlung in Höhe von 30.000 Euro.
In seinem letzten Wort entschuldigte sich der Mann noch einmal bei seiner ehemaligen Schülerin und ihrer Familie.
dpa/jho
