Erfolg der Corona-MaßnahmenDrosten: Frühes Eingreifen hat Zehntausende Leben gerettet
Virologe Drosten rechnet im Corona-Untersuchungsausschuss vor, welche Folgen es gehabt hätte, wenn Deutschland mit Maßnahmen so lange gezögert hätte wie Großbritannien. Er berichtet auch, was ihn überraschte und welche Hoffnungen sich nicht erfüllten.
Aus Sicht des Virologen Christian Drosten hätte ein längeres Zögern mit Corona-Maßnahmen in der ersten Infektionswelle der Pandemie viele Menschenleben in Deutschland gekostet. „Ich kann daher klar sagen: Es wäre ein Fehler im politisch verantwortungsvollen Infektionsschutz, zu warten, bis das Gesundheitssystem erste Anzeichen einer Überlastung zeigt“, sagte Drosten im Thüringer Untersuchungsausschuss. Der 53-Jährige ist Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin und wurde als Experte in den Thüringer Landtag eingeladen.
Drosten zeigte den Abgeordneten Daten zur ersten Infektionswelle in Großbritannien und Deutschland. Demnach warteten die Briten mit der Ausweitung der Infektionsschutzmaßnahmen drei Wochen länger als die Deutschen.
Der Virologe errechnete, dass es in Deutschland im Betrachtungszeitraum rund 70.000 Todesfälle gegeben hätte, statt der rund 9.300, wenn es dem Weg Großbritanniens gefolgt wäre und auf Maßnahmen gewartet hätte. So konnten rund 60.000 Menschenleben gerettet werden. Während der gesamten Pandemie gab es in Deutschland knapp 180.000 Todesfälle. „Wir hätten viel mehr erwarten und in dieser ersten Welle viele, viele Leben retten können – allein durch dieses frühe Eingreifen“, sagte Drosten.
Er zeigte sich auch erstaunt darüber, wie wenig Schutz die Menschen nach einer ersten Corona-Infektion aufgebaut hätten. „Ich war auch erstaunt, wie wenig Immunität eine einzelne Erstinfektion hinterlassen hat“, sagte Drosten. Er hoffte und wünschte, dass die Immunität größer gewesen wäre – insbesondere für Länder im globalen Süden. „In Deutschland war klar, dass bei diesem Sterblichkeitsprofil, also bei dieser hohen Sterblichkeit bei älteren Menschen und unserer alten Bevölkerung, eine Infektionsstrategie undenkbar war“, sagte er.
In Ländern des globalen Südens ist die Bevölkerung noch nicht so alt. „Ich hatte gehofft, dass die Menschen schneller immun wären, wenn das Virus durchkäme.“ Allerdings war ihm nicht so klar, dass das Virus in diesen Ländern seit so vielen Jahren in neuen Wellen wütet. „Ich habe es mir insofern schöner und einfacher vorgestellt“, sagte der Virologe.
Der Corona-Untersuchungsausschuss soll Fehler und Versäumnisse der Politik in der Corona-Pandemie aufklären und Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten. Neben dem Untersuchungsausschuss gibt es in Thüringen auch eine Enquete-Kommission, die sich mit den Erfahrungen während der Corona-Pandemie befasst und Handlungsempfehlungen für künftige Pandemien oder andere Gesundheitskrisen erarbeiten soll.
