Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan äußerte sich am Samstagabend euphorisch über den bevorstehenden Regimewechsel in Damaskus. In Syrien gebe es nun eine neue Realität, sagte er. „Das syrische Volk wird über die Zukunft seines Landes entscheiden.“ Dies gilt für alle Syrer, unabhängig von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit.
Erdoğan beschrieb den Beitrag seines Landes wie folgt: „Die Geschichte wird belegen, dass die Türkei den Test der Aufnahme syrischer Flüchtlinge trotz aller feindseligen Propaganda erfolgreich bestanden hat.“ Mit der Propaganda meinte er die türkische Opposition.
Mehr türkischer Einfluss in Syrien
Der Sturz Assads dürfte zu einer deutlichen Zunahme des Einflusses der Türkei im südlichen Nachbarn führen. Nur einige der siegreichen Rebellen stehen unter ihrer direkten Kontrolle. Aber auch über den Geheimdienst bestehen längst freundschaftliche Verbindungen zur HTS. Ein islamistisch geprägtes Regime wäre im Sinne Erdoğans ideologisch. Er versuchte jedoch, Behauptungen entgegenzuwirken, Türkiye habe die Rebellen bei ihrem Vormarsch unterstützt. „Wir sind an keinem Stück Land interessiert.“
Aus seiner Sicht ist es auch wichtig, dass sich die Türkei beim Amtsantritt des designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump als unverzichtbarer Gesprächspartner der USA in der Region etabliert hat. Ankara dürfte nun auf eine Überarbeitung des Quasi-Autonomiestatus der kurdisch dominierten Gebiete im Nordosten des Landes drängen. Aus türkischer Sicht hatte die lokale Selbstverwaltung auch kurdische Autonomiebestrebungen in der Türkei befeuert.
Auch die Rückkehr einiger der mehr als drei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei steht ganz oben auf Erdoğans Prioritätenliste. Zu Beginn des Bürgerkriegs öffnete das Land seine Grenzen für Flüchtlinge. Damals wurde erwartet, dass sie bald nach dem Sturz Assads zurückkehren würden. Doch je tiefer die Türkei in die Wirtschaftskrise geriet, desto größer wurde die Feindseligkeit in der türkischen Bevölkerung. Erdoğan geriet innenpolitisch unter Druck.
Deshalb haben seine Minister vor anderthalb Jahren begonnen, mit dem syrischen Regime zu verhandeln. Sicherheitsgarantien für zurückkehrende Syrer waren eine ihrer Kernforderungen. Sie forderten außerdem eine „Sicherheitszone“ entlang der türkisch-syrischen Grenze, in der das türkische Militär gegen kurdische Milizen vorgehen dürfe. Doch Assad wehrte sich. Auch nach dem Fall von Aleppo setzte die Türkei weiterhin auf eine Verhandlungslösung mit dem Diktator. „Wir haben Assad aufgefordert: ‚Kommt, lasst uns gemeinsam über die Zukunft Syriens bestimmen‘“, sagte Erdoğan am Freitag. „Leider haben wir keine positive Antwort erhalten.“