Plötzlich reden alle über China. Und das ist gut so. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Volksrepublik bzw. mit der Politik der Staats- und Parteiführung ist endlich dort angekommen, wo sie hingehört: ganz oben auf der Agenda der deutschen Politik.
Deutschland hat es jahrelang versäumt, sich von vermeintlich sicheren Lieferketten aus China unabhängiger zu machen: von seltenen Erden, von einfachen, aber unersetzlichen Halbleitern und von Rohstoffen für die deutsche Pharmaindustrie.
In diesen und anderen Bereichen ist die deutsche Wirtschaft von der weder fairen noch rechtssicheren Wirtschaftspolitik Chinas abhängig geworden. Ironischerweise hat die chinesische Staats- und Parteiführung in den letzten Jahren genau das getan, was wir dringend brauchen: Sie richtet ihre Wirtschaftspolitik seit einigen Jahren auf das Ziel aus, in strategisch wichtigen Bereichen möglichst unabhängig vom Rest der Welt zu sein: etwa in den Bereichen Hightech, Biotechnologie, erneuerbare Energien und Automobilbau.
Nicht der erste Weckruf
Deutschland hat im Umgang mit China Fehler gemacht, weil es nicht darauf geachtet hat, Risiken zu minimieren. Deshalb ist Deutschland bereits zu spät dran, wie selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) offen zugibt.
Das Ganze ist ein Weckruf, wenngleich dieser Weckruf nicht der erste ist – siehe die Debatte um die chinesische Übernahme des deutschen Roboterspezialisten Kuka vor fast zehn Jahren, siehe auch die Diskussion um den Netzwerkausrüster Huawei oder den Kauf eines Teils des Hamburger Hafens durch chinesische Investoren. In den letzten Jahren gab es immer wieder Gründe, Deutschland Naivität gegenüber der Volksrepublik vorzuwerfen.
Xi und Trump betrachten Europa als Nebenschauplatz
Für Deutschland und den Rest Europas kam das Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Südkorea zum richtigen Zeitpunkt. Es brachte kaum konkrete Ergebnisse. Dennoch war es wichtig, denn eine Aussage von Xi und Trump lieferte eine entscheidende Erkenntnis: Sie sprachen von China und den USA als den größten Volkswirtschaften der Welt – ohne Europa als größten Binnenmarkt der Welt überhaupt zu erwähnen. Diese Aussage zeigt, dass Xi und Trump Europa als zweitrangigen Schauplatz betrachten.
Glücklicherweise haben große Teile der deutschen Politik dies endlich erkannt. Außenminister Johann Wadephul von der CDU hat jüngst unerwartet und kurzfristig eine lange geplante Reise nach China abgesagt – wie zu hören ist, auch aus Protest dagegen, dass ihn die Führung in Peking zuvor zum Rückzug kritischer Äußerungen zur Politik Chinas aufgefordert hatte. Wadephuls Absage war ein konsequenter und selbstbewusster Schritt, mit dem Deutschland nach Jahren des Zappelns mit China Rückhalt bewiesen hat.
Mützenich übernimmt die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas
Ein Zeitungsinterview mit SPD-Chef Rolf Mützenich zeigt, dass die Haltung der Bundesregierung in der China-Frage nicht einheitlich ist. Darin kritisiert er Wadephuls abgesagte Reise in die Volksrepublik. Offene Worte gegenüber China seien wichtig, aber Kritik an China dürfe strategische Beziehungen und Interessen nicht gefährden, sagte er dem Handelsblatt. Und: Deutschland sollte ein pragmatisches Verhältnis zu China anstreben – ohne unnötige Reibungen und mit Respekt, sagte Mützenich.
Mit Worten wie diesen übernimmt der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten die Propagandaparolen der Kommunistischen Partei Chinas nahezu eins zu eins. Es bleibt zu hoffen, dass sich solche Stimmen in der Debatte um die deutsche China-Politik nicht durchsetzen.
