Im Anschluss an die Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten fordert Bundestagspräsidentin Julia Klöckner klare Regeln für Einwanderer im Umgang mit Antisemitismus. Wer nach Deutschland kommt, muss die Einstellung „Nie wieder“ akzeptieren. Kritik kommt von der Linkspartei.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat sich in die Debatte um Antisemitismus eingemischt und klare Vorgaben für Menschen formuliert, die nach Deutschland einwandern. Sie sagte dem Berliner „Tagesspiegel“, dass Deutschland einen wachsenden Antisemitismus erlebe: rechts, links und islamistisch.
„Aber der Absender darf nie darüber entscheiden, wie wir darauf reagieren – es sollte keine Zurückhaltung, keine kulturelle Abwertung und schon gar keine Relativierung oder gar Verständnis geben“, sagte Klöckner. Es darf nicht zugelassen werden, dass sich Hass auf Juden in irgendeiner Form ausbreitet. „Wir sind das Land des ‚Nie wieder‘. Wer nach Deutschland kommt, muss diese Haltung akzeptieren und dabei bleiben.“
Damit reagiert Klöckner auf die Äußerungen des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, der Deutschland den Umgang mit Antisemitismus aus der arabischen Welt lange vernachlässigt hatte.
Dobrindt spricht von vermeintlicher Kritik an Israel
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte: „Antisemitismus zeigt sich heute in vielen Formen – von rechtsextremistischem Hass über importierten Judenhass aus Teilen der arabischen Welt bis hin zu linksantisemitischen Strömungen, die sich hinter vermeintlicher Israelkritik verstecken.“ Eines sei klar, sagt Dobrindt: „Wer antisemitische Hassreden verbreitet, egal ob hier geboren oder eingewandert, stellt sich eindeutig außerhalb unserer Gemeinschaft.“
Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, reagierte auf Gaucks Warnung. Die Bedrohung, die von manchen Spielarten des Antisemitismus ausgeht, werde unterschätzt: „Besonders seit dem 7. Oktober ist der islamistisch motivierte Antisemitismus explodiert. Dieser Antisemitismus geht eine desaströse Allianz mit dem linken Antisemitismus ein, der sich als sogenannter Antizionismus tarnt.“ Es handele sich um eine „neue und akute Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland“. Die Gesellschaft kann ihr nur wirksam begegnen, wenn sie ihren Blick über die Gefahren des rechten Antisemitismus hinaus erweitert.
Van Aken ermahnt Gauck
Der Vorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, richtete jedoch mahnende Worte an den ehemaligen Bundespräsidenten Gauck. Van Aken sagte, es sei unerträglich, dass die Zahl der antisemitischen Gewalt weiterhin hoch sei. „Antisemitismus ist in Deutschland vor allem ein Phänomen der Mehrheitsgesellschaft, das zudem eine jahrhundertealte Tradition hat – der Nationalsozialismus war der Höhepunkt des Grauens.“
Van Aken fuhr fort: „Wenn ich mir die Zeitungen anschaue, kann ich nicht wirklich erkennen, dass jetzt explizit weniger über linken Antisemitismus oder Hass aus der arabischen Welt gesprochen wird. Wenn es Angriffe auf Juden gibt, dann erfährt man das meist über die Presse, egal wer sie begangen hat, und das ist gut so.“
Er kritisierte Gauck: „Insofern kommt es allen, sowohl uns als auch ehemaligen Bundespräsidenten, entgegen, den Antisemitismus nicht anderen in die Schuhe zu schieben, sondern im eigenen Umfeld und im eigenen Dorf kritisch und wachsam zu sein.“ In seiner Partei gibt es derzeit eine scharfe Debatte über den Hass auf Israel in den eigenen Reihen.
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