„Eine unglaubliche Geschichte“
Der skrupellose tschetschenische Kommandant Apti Alaudinov
17.09.2024, 13:03
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Er ist der wichtigste Kommentator der Kursk-Offensive: der tschetschenische Kommandant Alaudinow. Wie Machthaber Kadyrow präsentiert er sich rücksichtslos, mächtig und gefährlich.
Als Kiew Russland Anfang August mit einer Invasion der Grenzregion Kursk überraschte, blieb die russische Militärführung stumm. Der tschetschenische Kommandant Apti Alaudinow verbreitete dagegen auf seinem Telegram-Kanal Optimismus: „Bleiben wir ruhig, essen Popcorn und schauen in Ruhe zu, wie unsere Jungs den Feind vernichten“, sagte er am ersten Tag des Vormarsches. Seitdem ist Alaudinow zum wichtigsten Kommentator der Kursk-Offensive geworden.
Alaudinov kommandiert die Spezialeinheit Achmat, die mit ihren tschetschenischen Soldaten gegen die Ukraine kämpft. Der 50-Jährige veröffentlicht regelmäßig Videos, die aussehen, als wären sie an der Front gedreht worden. Sein Telegram-Kanal hat 275.000 Abonnenten und auch russische Medien verbreiten Alaudinovs Botschaften.
Darin versucht er, die Russen zu beruhigen, indem er etwa behauptet, „der Feind sei fast stehen geblieben“ – zu einem Zeitpunkt, als die Ukrainer tatsächlich weiter vorrückten. Mit Militärhelm oder Barett auf dem Kopf ist der Tschetschene in den sozialen Medien mittlerweile ein bekanntes Gesicht.
„Diese seltsame Gestalt Alaudinow“
Der proukrainische Telegram-Kanal Nexta nannte Alaudinow „den Militärexperten, dessen Vorhersagen nie eintreffen“. Zuletzt hatte der Kommandeur vorausgesagt, der Krieg gegen das Nachbarland werde in zwei bis drei Monaten vorbei sein.
Dies sei „eine unglaubliche Geschichte“, schreibt Tikhon Dsiadko, Journalist des unabhängigen russischen Exilsenders Dozhd, auf Telegram. „Ein Teil Russlands steht unter der Kontrolle eines anderen Staates, und der Hauptkommentator der Geschehnisse in der Region Kursk ist diese seltsame Figur Alaudinov.“
Eine solche Medienpräsenz sei nur mit Billigung von ganz oben möglich, sind sich die von uns befragten Experten einig. „Ich bin überzeugt, dass das vom Kreml gesteuert wird“, sagt Sarah Oates, Expertin für russische Propaganda an der US-Universität Maryland. „Bisher hat es offensichtlich den Machthabern gepasst“, sagt Georgi Bowt, Politikanalyst in Moskau.
Wie der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow genießt auch Alaudinow eine ungewöhnliche Meinungsfreiheit. Manche sehen in ihm sogar einen möglichen Nachfolger des angeblich kranken Kadyrow.
Genauso gnadenlos wie Kadyrow
Alaudinow scheint ebenso skrupellos wie Kadyrow. Als Eltern befürchteten, ihre 18-jährigen Söhne könnten in den Krieg gegen die Ukraine geschickt werden, zeigte Alaudinow kein Mitgefühl. Wenn diese jungen Männer „das Vaterland nicht verteidigen, warum braucht Ihr Land dann Sie und Ihre Kinder?“, sagte er in einem Video.
Alaudinovs Aussagen sind das Gegenteil der nüchternen Aussagen aus dem Verteidigungsministerium. „Er präsentiert Informationen auf emotionalere Weise und es ist für die Öffentlichkeit wahrscheinlich leichter, sie zu verarbeiten“, sagt Analyst Bowt. Forscherin Oates sagt, Alaudinovs „unerhörte, grobe Aussagen“ erinnerten sie an den Stil des russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinen frühen Jahren, als er ankündigte, er werde „Terroristen sogar auf der Toilette erschießen“. „Ich denke, er ist ein wirksames Sprachrohr für Propaganda“, sagt Oates über den Tschetschenen.
Vorwurf der Entführung und Folter
Alaudinow wuchs in der Region Stawropol im Süden Russlands auf. Sein Vater und einer seiner Brüder fielen in den Tschetschenienkriegen auf Seiten Moskaus. Später wurde Alaudinow Chef der tschetschenischen Polizei und stellvertretender Innenminister.
Die USA und andere Länder werfen ihm Menschenrechtsverletzungen wie Entführung und Folter vor. Alaudinow sei „mächtig und gefährlich“ und seit langem Mitglied von Kadyrows Leibwache, schrieb die unabhängige russische Zeitung Nowaja Gaseta 2016.
Im Jahr 2021 entließ Putin Alaudinow aus der tschetschenischen Regierung, was zu Spekulationen führte, dass es zwischen ihm und Kadyrow zu einem Streit gekommen sei. In den ersten Wochen der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 kündigte Kadyrow jedoch an, sein „lieber Bruder“ werde tausend freiwillige Kämpfer aus Tschetschenien anführen.
Während Alaudinow zum „Helden Russlands“ gekürt wurde, wird seine Einheit Achmat als „TikTok-Armee“ verspottet, weil sie in den sozialen Medien erfolgreicher ist als an der Front. Die Einheit, die Teil der russischen Nationalgarde ist, wurde beauftragt, die Grenze zu schützen, über die die ukrainische Armee in Kursk einmarschierte. In einem Video gab Alaudinow zu, dass Kiews Soldaten „gute Arbeit geleistet“ hätten. „Das Einzige, was sie nicht berücksichtigt haben, ist, dass Gott Russland liebt.“