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Ein Jahr nach dem Einsturz des Bahnhofs: Zehntausende gedenken der 16 Opfer von Novi Sad

Ein Jahr nach dem Einsturz des Bahnhofs


Zehntausende gedenken der 16 Opfer von Novi Sad

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Vor einem Jahr starben 16 Menschen, als das Dach des Bahnhofs Novi Sad einstürzte. Die Katastrophe löst Serbiens größte und längste Protestbewegung aus. Seit Monaten fordern Demonstranten Neuwahlen. Doch Präsident Vucic geht mit harter Hand gegen sie vor.

Mit 16 Schweigeminuten gedachten Zehntausende Menschen in der nordserbischen Stadt Novi Sad der 16 Opfer des Bahnhofsunglücks vor genau einem Jahr. Die Menschenmenge füllte nicht nur den breiten Platz vor dem Bahnhof, sondern auch den kilometerlangen Freiheitsboulevard (Bulevar Oslobodjenje), wie ein Reporter beobachtete. Studenten und Bürger legten Blumen und Kränze vor dem Bahnhof nieder, dessen Vordach am 1. November des Vorjahres einstürzte und die Opfer begrub.

In Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens, kamen 14 Menschen, darunter zwei Kinder, ums Leben, als das Dach des Bahnhofs einstürzte. Zwei weitere Menschen starben später an ihren Verletzungen. Erst im Juli 2024 ging der Hauptbahnhof nach jahrelangen Sanierungsarbeiten wieder in den Vollbetrieb.

Die Tragödie löste die stärkste und langlebigste Protestbewegung in der modernen Geschichte Serbiens aus. Ihre Teilnehmer sehen die Korruption und Schlamperei unter Präsident Aleksandar Vucic als Ursache für den Einsturz des frisch renovierten Bahnhofsgebäudes. Erkenntnisse von Experten deuten zudem auf gravierende Mängel bei den Sanierungsarbeiten hin.

Festlicher Empfang in Novi Sad

Zur Gedenkfeier versammelten sich Bürger aus ganz Serbien. Tausende Studenten kamen zu Fuß und mit dem Fahrrad aus allen Teilen des Landes nach Novi Sad. Viele von ihnen wurden bereits am Freitagabend von der Bevölkerung von Novi Sad festlich empfangen. Auch in den Dörfern auf dem Weg zum Ort der Erinnerung wurden die Fußmarschierenden herzlich mit Essen und Trinken sowie einem Schlafplatz empfangen.

Die Vucic-Regierung hat am Freitagnachmittag den Bahnverkehr zwischen der Hauptstadt Belgrad und Novi Sad eingestellt. Sie begründete dies mit einer „Bombendrohung“. Dies erscheint nicht glaubwürdig, da die Regierung bereits vor den Massenprotesten aus denselben Gründen auch den Bahnverkehr gestoppt hatte. Vucic bestimmt seit 2012 in verschiedenen Rollen die Geschicke Serbiens. Die meisten Entscheidungen trifft er allein.

Studierende fordern Rechtsstaatlichkeit

Die Proteste begannen fast zwei Wochen nach dem Unfall in Novi Sad. Sie wurden von Studierenden initiiert, die ihre Universitäten besetzten und mit Straßenblockaden auf sich aufmerksam machten. Damals standen die Forderung nach Rechtsstaatlichkeit und Rechenschaftspflicht gegenüber den Machthabern im Vordergrund. Es wurde außerdem gefordert, dass die Verantwortlichen für den Tod von 16 Menschen, darunter auch auf höchster politischer Ebene, vor Gericht gestellt werden.

Die beharrlichen Aktionen der Studenten überzeugten immer mehr Bürger, sich der Protestbewegung anzuschließen. Die Bewegung fordert seit mehreren Monaten vorgezogene Neuwahlen. Beobachtern sagen, dass es der Bewegung gelungen sei, eine zuvor apathische Bevölkerung aufzurütteln. „Die Bewegung hat Serbien wieder Hoffnung gegeben“, schrieb die unabhängige Wochenzeitung Vreme in einem Kommentar in ihrer neuesten Ausgabe.

13 Anklagen gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen

Während sich in Belgrad erneut Demonstranten versammelten, nahmen Vucic und mehrere Minister an einer Zeremonie zum Jahrestag der Bahnhofskatastrophe in der Kathedrale des Heiligen Sava teil.

Die serbische Staatsanwaltschaft leitete kurz nach dem Unfall Ermittlungen ein. Im September erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen 13 mutmaßliche Verantwortliche, darunter den ehemaligen Bauminister Goran Vesic. Auch die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) untersucht den möglichen Missbrauch von EU-Geldern bei der Sanierung des Bahnhofs.

Die Renovierung des Bahnhofs Novi Sad ist Teil des Neubaus der Eisenbahnstrecke Belgrad-Budapest. Generalunternehmer sind chinesische Unternehmen. Für Vucic ist es ein Prestigeobjekt. Er reagierte auf die Proteste mit Polizeigewalt, gerichtlicher Repression und Desinformationskampagnen.

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