Kevin McCarthy war Donald Trumps rechte Hand im Kongress, auch nach dessen Präsidentschaft. Acht Republikaner meuterten, setzten ihn ab und stürzten die Partei ins Chaos. McCarthy führt noch immer einen Rachefeldzug innerhalb seiner eigenen Partei.
Irgendwann an diesem Nachmittag strahlt Kevin McCarthy übers ganze Gesicht. „Seien wir ehrlich: Das war kein kleiner Sieg, es war ein großer persönlicher Sieg“, unterbricht er am Rande des Parteitags der Republikaner die nüchterne Frage eines Journalisten; seine politische Haltung ist für einen Moment wie weggefegt. Der gestürzte Führer des Repräsentantenhauses ist auf Rachefeldzug. Er investiert Millionen Dollar in die Konkurrenten seiner Feinde. So wie in John McGuire, der nun anstelle von Bob Good für die Republikaner in seinem Wahlkreis in Virginia antreten wird.
Im Oktober 2023 rebellierten Good und sieben weitere Abgeordnete gegen Fraktionschef McCarthy; sie setzten ihn gemeinsam mit den Demokraten ab. Das Chaos brach aus, bis sich Mike Johnson als sein Nachfolger etablierte. Beim aktuellen Nominierungsparteitag der Konservativen im Bundesstaat Wisconsin steht er täglich auf der Bühne. Oder er sitzt in einem der weißen Sessel neben Präsidentschaftskandidat Donald Trump, wenn dieser wie ein Tribun über die Menschen blickt, die sich amüsieren und ihm zujubeln. McCarthy kommt keinen Augenblick auf der Bühne zu; aber er ist da, gibt im Fernsehen Interviews und Einschätzungen.
Acht Jahre lang hatte Kevin McCarthy als Fraktionschef die Geschicke der Republikaner im Repräsentantenhaus gelenkt und wurde von seinem Wahlkreis im US-Bundesstaat Kalifornien, einer Hochburg der Demokraten, achtmal wiedergewählt. Der Kalifornier war eine kleine Institution. Schon vor seiner Amtseinführung bezeichnete Trump ihn öffentlich als „mein Kevin“, suchte Rat bei ihm und verließ sich auf seine Erfahrung mit den Mechanismen im Kongress. Seine rechte Hand im Kapitol war McCarthy. Er blieb auch nach den Wahlniederlagen im Amt.
Aufstand unter Vorwand
McCarthys Karriere nahm eine unerwartete Wendung, als Matt Gaetz, ein prominentes Mitglied von Trumps MAGA-Flügel, die Rebellion gegen seinen Chef anzettelte. „Er tat es, weil er einer Minderjährigen für Sex bezahlt hatte und es eine Beschwerde im Ethikkomitee gab“, sagte er auf dem Parteitag. „Er wollte, dass ich (die Untersuchung) beende.“ Gaetz nutzte ein normales Verfahren, um McCarthy zu durchkreuzen, die Einigung mit den Demokraten auf einen Übergangshaushalt, mit dem er Good und andere Abgeordnete auf seine Seite zog. Erstmals hatte eine Partei mit Mehrheitsanteil ihren Fraktionsvorsitzenden abgesetzt. Er trat nicht mehr zur Wiederwahl an und trat als Abgeordneter zurück.
Wenn McCarthy jetzt, rund neun Monate später, über den Vorfall spricht, wettert er gegen Gaetz. „Man muss sich anschauen, wer mit Gaetz rumhängt“, sagt er. „Die können nicht 150 Meter zur Schule laufen.“ Als den Journalisten im Saal die Kinnladen herunterfallen, fügt er schnell hinzu: „Das war ein Witz.“ Ein übler Witz über jemanden aus seiner eigenen Partei und aus dem Kongress, wo doch die Botschaft des Parteitags Einheit gegen die Demokraten sein soll.
Am Dienstagabend werden sogar jene auf die republikanische Bühne treten, die sich von Trump losgesagt hatten und ihn als Kandidaten verdrängen wollten. Floridas Gouverneur Ron DeSantis etwa, der sich als Hardliner präsentierte, dessen Kampagne aber implodierte. Auch Vivek Ramaswamy ist mittlerweile einer von Trumps Wahlkämpfern und wird in Milwaukee auftreten. Sogar Nikki Haley, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen unter Trump, die bei den Vorwahlen länger durchhielt als alle anderen Kandidaten, erhielt in letzter Minute eine Einladung und spricht sich für Trump aus. Haley hatte sich bei den Vorwahlen als Trumps schärfste Kritikerin profiliert und sich als „neue Generation von Führungspersönlichkeiten“ präsentiert. McCarthy wird keine Redezeit eingeräumt.
Wenn es nicht um Gaetz geht, schaltet McCarthy in den Profimodus. Er finde es „fabelhaft“, dass Haley ohne eine Spur von Neid auftrete, sie sei die wichtigste Wortführerin nach Trump: „Als sie ausstieg, hatte sie 18 Prozent der Stimmen.“ Wenn der Gegner in interne Kämpfe verwickelt sei, müsse man diszipliniert und ruhig bleiben, sagt er. McCarthy meint damit US-Präsident Joe Biden und Trumps Rivalen, über dessen Eignung die Demokraten wegen sichtbarer Alterserscheinungen seit Wochen debattieren. Hinzu komme der Kontrast in politischen Fragen wie Einwanderung, Außenpolitik und Wirtschaft. „Wir sind geeinter als 2016 oder sogar 2020, auch dank solcher Dinge.“
Ermittlungen gegen Gaetz gehen weiter
McCarthy bezeichnet sich selbst als unabhängigen Republikaner, tauscht sich aber regelmäßig mit Trump aus, lobt dessen Widerstandskraft, und wenn man ihn darauf anspricht, sagt er: Wenn Trump ihm einen Posten im Kabinett anbieten würde, würde er das auf jeden Fall in Erwägung ziehen. Brauchen tut er das nicht. Seit seinem unrühmlichen Ende als Fraktionschef tritt er für viel Geld als Redner oder als Experte im Fernsehen auf. Zudem ist er ein hervorragender Spendensammler und hat mit dem Majority Committee weiterhin eine eigene Wahlkampforganisation, mit deren Geld er sich in der Partei engagiert.
Er nutzt diese Organisation auch, um diejenigen zu bekämpfen, die ihn aus dem Amt gedrängt haben. Dabei ist ein Hauch von Ironie dabei: Die Organisation hatte zuvor insgesamt 150.000 US-Dollar investiert, um jene acht Abgeordneten ins Amt zu bringen. „Können wir von Ihnen mehr erwarten als bei Bob Good und Ihren Einfluss nutzen, um jemanden aus dem Amt zu drängen?“, fragt ein Journalist. McCarthy entgegnet, Good, der Vorsitzende des erzkonservativen „Freedom Caucus“-Flügels, stehe für Chaos. Sein Gegenkandidat sei ein guter Konservativer und ehemaliger Elitesoldat. Und Gaetz, nun ja, er bezahle für Sex mit Minderjährigen, was kein gutes Licht auf die Partei wirft.
Höchst ungewöhnlich veröffentlichte das Ethikkomitee im Juni einen Statusbericht zum Fall: Die Untersuchung der Sex-Vorwürfe gegen Gaetz dauere an. Gaetz war 2016 erstmals in den Kongress gewählt worden und hat die Vorwürfe zurückgewiesen. US-Medien zufolge liegen dem Komitee Aussagen vor, wonach der Vorfall mit dem Kongressabgeordneten im Jahr 2017 auch mit Kokain und der Droge MDMA in Zusammenhang stehen könnte; diese seien bei einer Veranstaltung konsumiert worden, bei der der 17-Jährige nackt herumlief und Räume als Rückzugsorte für Sex zur Verfügung standen.
Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt, deshalb kämpft Gaetz auch im November um seine Wiederwahl. Der Kongressabgeordnete behauptet, er habe Trumps Unterstützung, was McCarthy bestreitet. Die Vorwahlen in Gaetz‘ Bezirk in Florida finden im August statt. Und das Mehrheitskomitee unterstützt den einzigen Gegenkandidaten. McCarthys Rachefeldzug ist damit noch nicht vorbei.