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E-Fuels: Wann kommen die grünen Kraftstoffe?

Stand: 14. Oktober 2025 16:52 Uhr

„Grüne“ Kraftstoffe: Sie gelten als klimafreundliche Option für den Weiterbetrieb von Verbrennungsmotoren. Aber davon wird es noch lange nicht genug geben. Auch ein Import ist derzeit keine Lösung.

Von Hellmuth Nordwig, WDR

Vor wenigen Tagen beschloss der Autogipfel der Bundeskanzlerin: Das „Verbrennungsmotor-Ende“ soll später als – wie geplant – 2035 kommen. Verkehrsminister Volker Wissing hatte die EU bereits in der letzten Legislaturperiode dazu überredet, das Verbot abzuschwächen: Fahrzeuge, die nur mit sogenannten E-Fuels fahren, sollen davon nicht betroffen sein.

E-Fuels sind Kraftstoffe, die mit Strom hergestellt werden. Sie gehören wie die meisten Kraftstoffe zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe, die eine Kohlenstoffquelle und Wasserstoff benötigen. „Grün“ können solche Kraftstoffe sein, wenn der Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen stammt – also auch die Energie, die zusätzlich zur Herstellung von Wasserstoff aus Wasser benötigt wird. Der Kohlenstoff kann aus unterschiedlichen Quellen stammen: aus Biomasse (zum Beispiel aus Biogas oder Abfallprodukten aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie) oder aus dem Treibhausgas Kohlendioxid.

Technisch funktioniert die Produktion

Verfahren, mit denen E-Fuels hergestellt werden können, sind grundsätzlich technisch machbar. In Frage kommt vor allem das seit hundert Jahren bekannte „Fischer-Tropsch-Verfahren“, mit dem Südafrika rund 30 Prozent seines Treibstoffbedarfs deckt. Kohle ist dort derzeit der Hauptrohstoff – genauso wie damals, als das Verfahren erfunden wurde.

Die Nutzung von CO2 als Rohstoff (z. B. aus den Abgasen von Industrieanlagen oder aus der Luft) ist dagegen technisch deutlich anspruchsvoller. Entsprechende Systeme im industriellen Maßstab gibt es bislang nicht.

Bisher gibt es nur Forschungs- und Pilotprojekte wie Care-o-sene, an denen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt ist. „Wir konnten eine Kerosinausbeute von rund 80 Prozent erreichen“, berichtet KIT-Forscher Jan-Dierk Grunwaldt, der die Rohstoffe ohne große Verluste umwandeln kann. „Im Vergleich zu fossilen Rohstoffen ist das allerdings deutlich teurer.“ Der Preis für künstlich hergestellte Kraftstoffe ist nach Ergebnissen mehrerer Studien, unter anderem des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, rund viermal so hoch.

Doch die Rohstoffe fehlen

Die derzeit größte Anlage Deutschlands wird von der Firma INERATEC in Frankfurt am Main betrieben und könnte jährlich rund 2.500 Tonnen Kraftstoff produzieren. Zum Vergleich: Der Flughafen Frankfurt benötigt 15.000 Tonnen Kerosin – täglich.

Bei INERATEC heißt es: Um mehr E-Fuels zu produzieren, fehlen die notwendigen Rohstoffe. Derzeit ist weder „grüner“ Wasserstoff in nennenswerten Mengen verfügbar, noch Kohlendioxid, das nicht aus fossilen Quellen stammt. Für beide Gase müssten zunächst die entsprechenden Anlagen in ausreichender Zahl gebaut werden. Dies erfordert politische Unterstützung und Planungssicherheit für Unternehmen. Beides scheint derzeit nicht ausreichend zu sein.

Und selbst wenn die entsprechenden Investitionsentscheidungen jetzt getroffen würden, würde es Jahre dauern, bis sowohl Wasserstoff als auch Kohlendioxid klimafreundlich hergestellt werden könnten. Allerdings werden dann auch andere Branchen um ihn konkurrieren – die Stahlindustrie benötigt künftig grünen Wasserstoff und die chemische Industrie wird auf Kohlendioxid statt auf Erdöl als Rohstoff setzen. Und nicht zuletzt muss auch eine Infrastruktur aufgebaut werden: ausreichend Leitungen für erneuerbaren Strom sowie Pipelines, die beide Rohstoffe (CO2 und Wasserstoff) in den benötigten Mengen dorthin transportieren, wo sie für die Produktion benötigt werden.

Import als Lösung?

Viele Experten setzen daher auf den Import künstlich hergestellter Kraftstoffe. Damit beschäftigt sich derzeit eine Konferenz des World Energy Council und des Fuels and Energy Trade Association. V. (en2x). Hintergrund hierfür ist unter anderem der relativ hohe Strompreis in Deutschland.

Die Idee: Kraftstoffe – oder zumindest grünen Wasserstoff – in Ländern zu produzieren, in denen Solar- oder Windkraft wenig kostet, und sie zu uns zu liefern. Beispielsweise hat Porsche 2022 in Chile eine entsprechende Anlage in Betrieb genommen. Sie ist für eine maximale Produktionsmenge von 130.000 Litern pro Jahr ausgelegt. Es gibt keine Informationen darüber, wie viel davon derzeit produziert wird. Aber selbst dieser Höchstbetrag wird die Nachfrage nicht annähernd decken.

Das Potsdam-Institut schätzt, dass alle derzeit weltweit geplanten Anlagen nur etwa zehn Prozent dessen produzieren könnten, was allein in Deutschland zur Erreichung der Klimaziele benötigt wird. Auch Matthias Runkel, Mobilitätsexperte beim Think Tank Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, hält groß angelegte Importe in naher Zukunft für unrealistisch: „Man muss berücksichtigen, dass andere Länder natürlich auch Pläne für künstliche Kraftstoffe und grünen Wasserstoff haben.“

In einem Faktenblatt zu E-Fuels weist er zudem auf die hohen Transportkosten hin – obwohl auch dieser Transport klimaneutral erfolgen müsste, was derzeit nicht möglich sei. Das „E-Fuels-Forum“ kritisiert die Studie erneut als einseitig: Sie berücksichtige unter anderem nicht, dass bei großen Produktionsmengen die Kosten und der Klima-Fußabdruck deutlich günstiger seien.

Grundsätzlich stellen künstlich hergestellte Kraftstoffe durchaus eine Chance dar, bestimmte Verkehrssektoren – insbesondere den Luftverkehr – klimafreundlicher zu gestalten. Technische Probleme bei der Herstellung aus Kohlendioxid und Wasserstoff scheinen lösbar, wie erste Anlagen zeigen. Allerdings werden in absehbarer Zeit nicht genügend regenerativ erzeugte Rohstoffe zur Verfügung stehen. Auch die dazugehörige Infrastruktur fehlt weitgehend – sowohl in Deutschland als auch international.

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