Der Drogeriemarkt dm startet seine Apothekenoffensive: Aspirin, Hustenmittel und andere Medikamente sollen bald online zu kaufen sein. Was bedeutet das für Verbraucher und Apotheken?
Deutschlands Apotheken stehen im Wettbewerb. Der Drogeriemarkt dm will bald in das Online-Apothekengeschäft einsteigen. „Die Versandapotheke kommt“, bestätigte dm am Dienstagabend in einer Pressemitteilung. „Stand heute gehen wir davon aus, dass wir die Versandapotheke wie geplant noch in diesem Kalenderjahr starten werden“, sagte dm-Chef Christoph Werner. Dies scheint eine gute Nachricht für die Verbraucher zu sein; für Apotheken hingegen weniger.

Experte zu neuer dm-Strategie: „Wird das Apothekensterben beschleunigen“
„Das wird das Apothekensterben beschleunigen“, sagt Handelsexperte Carsten Kortum. Er ist Leiter des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn und sagte auf Anfrage Münchener Merkur von Ippen.Media: „Der Wettbewerbsdruck steigt durch verstärkte Online-Angebote wie das neue von dm – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Apotheken, insbesondere solche mit eher prekären wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, stärker unter Druck geraten.“
Die Apothekenoffensive von Dm kommt zu einer Zeit, in der immer mehr Apotheken vor Ort schließen müssen. Nach Angaben des Apothekenverbandes ABDA ist die Zahl der Apotheken in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren um 2.000 zurückgegangen. Deutschlandweit gibt es derzeit rund 16.800 Apotheken. Obwohl die Versorgung weiterhin gesichert ist, nimmt die Apothekendichte deutlich ab. „Die Politik muss dem Apothekensterben ein Ende setzen, sonst bleiben die Bürger auf der Strecke“, sagt ABDA-Präsident Thomas Preis. Den Vorteil der Vor-Ort-Apotheken gegenüber der Online-Variante sieht er in der Beratung und schnellen Erreichbarkeit, sagt aber auch: „Der Versandhandel stört den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Apotheken vor Ort.“
Das Verschwinden der Apotheken ist also real, auch wenn Experte Kortum beruhigt: „Das bedeutet nicht, dass in kurzer Zeit zwangsläufig alle Apotheken verschwinden werden – sondern dass das Risiko gestiegen ist und der Strukturwandel an Geschwindigkeit gewinnt.“ Online-Apotheken sind noch kein Sargnagel für das traditionelle Apothekengeschäft. Besonders betroffen von der neuen Konkurrenz sind Apotheken in ländlichen Gebieten, in denen die „potenzielle Anzahl an Kunden bereits begrenzt ist“ oder Apotheken mit standardisierten Angeboten oder alter Infrastruktur. Aber es gibt auch Profiteure. „Wettbewerb fördert auch Innovation“, sagt Kortum. „Ich erwarte, dass sich auch die Apotheken mit ihren selbstständigen Inhabern besser aufstellen und mit neuen Dienstleistungen aufwarten.“
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Auch dm plant neue Dienste. In Tschechien wurde bereits eine Versandapotheke gegründet. Von dort aus sollen die Produkte dann nach Deutschland verschickt werden. Zunächst werden „apothekenexklusive Kosmetik“ und rezeptfreie Produkte angeboten. Neben Salben, Erkältungsmitteln und Allergiemedikamenten sind in Deutschland auch klassische Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen rezeptfrei erhältlich.
Der Verkauf dieser Produkte ist lukrativ. Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro sind Schmerzmittel die umsatzstärksten Präparate in deutschen Apotheken. Wahrscheinlich planen deshalb auch andere Ketten, in das Geschäft einzusteigen. Laut einem Bericht der Handelsblatt Auch bei Rossmann gibt es konkrete Pläne, auch Lidl beobachtet den Markt. (Quellen: Carsten Kortum, dm, ABDA, Handelsblatt, eigene Recherche)