Es fühlte sich an, als würden alle bei Borussia Dortmund nach dem Schlusspfiff die Fäuste ballen. Siege im Elfmeterschießen lösen bei den Spielern auf dem Spielfeld und den Fans auf der Tribüne besondere Emotionen aus. Direkt vor ihrem Fanblock feierten die BVB-Spieler an diesem verregneten Dienstagabend im Frankfurter Stadtwald ihren glücklichen Erfolg gegen die Eintracht (4:2 iE, 1:1, 0:1) in der zweiten Pokalrunde gegen die Eintracht. Im Hintergrund brannten die Bengalos, als Torwart Gregor Kobel und Torschütze Julian Brandt als Helden gefeiert wurden, während Ex-Dortmunder Mario Götze mit gedämpfter Stimme anmerkte, dass Elfmeterschießen „immer so etwas wie eine Lotterie“ sei.
Sein Ex-Klub hat das Auswärtsspiel im Waldstadion sicherlich nicht gewonnen, doch dass der BVB diese Hürde genommen hat, ist einmal mehr ein Beweis für den Mentalitätswandel unter Trainer Niko Kovac. „Im Pokal muss man nicht jubeln, man muss einfach weiterkommen und alles geben. Das haben die Jungs von der ersten bis zur 120. Minute gemacht. Am Ende ist Roulette“, sagte Dortmunds Trainer.
:Der größte Coup in der jüngeren Geschichte des 1. FC Köln
Vor zwei Jahren war eine Profikarriere für den 19-jährigen Saïd El Mala nichts weiter als ein Wunsch. Jetzt begeistert er die Bundesliga mit seinen Dribblings – und große Vereine aus Europa bekunden Interesse.
Der gebürtige Berliner ist ein lebenslanges Mitglied der Hessen, nachdem er dem leidgeprüften Traditionsverein mit dem DFB-Pokalsieg 2018 das entscheidende Erweckungserlebnis für den Aufschwung bescherte. Deshalb äußerte sich der 54-jährige Kovac nach einem aufreibenden, wenn auch nicht hochklassigen Pokalkampf geradezu mitfühlend: „Das Spiel konnte nur durch Elfmeterschießen entschieden werden. Die Eintracht hat es sehr gut gemacht, Kompliment. Das war eines der schönsten Dinge, die ich in letzter Zeit gesehen habe.“ Und er fügte hinzu: „Mit einem Mann weniger hätten wir das Spiel nicht gewonnen, wir wären nicht ins Elfmeterschießen gegangen.“
Chelsea-Leihspieler Aaron Anselmino spielte in seinem zweiten Pflichtspieleinsatz für Dortmund mit Feuer und Flamme. Der Argentinier stürzte sich früh in die Zweikämpfe, foulte kurz nach einer Verwarnung erneut – und das Publikum forderte vehement seine Sperre. Doch Schiedsrichter Sven Jablonski zeigte sich nachsichtig (44.). Anselmino blieb nach der Pause in der Kabine.
Die Eintracht ging nach einem fein herausgespielten Tor mit einer meisterhaften Vorlage von Götze und einem gekonnten Abschluss des ehemaligen Dortmunders Ansgar Knauff (7.) früh in Führung, doch Brandt glich mit einem ebenso cleveren Spielzug aus (48.). Da Maximilian Beier bei der Entstehung im Abseits stand, hätte das Tor nicht zählen dürfen, VAR kommt im Pokal aber erst ab dem Achtelfinale zum Einsatz.
Dortmund vertieft sich in die Defensivaufgaben, eine neue Qualität unter Kovac
Dem Torschützen war das eigentlich egal. „Manchmal muss man es erzwingen. Das ist uns letzte Saison fast nie gelungen“, sagte Brandt, 29, im ZDF. „Nachdem wir in den letzten Jahren oft erst in der zweiten Runde unsere Koffer packen mussten, ist das ein schöner Abend für uns.“ Das Spiel wird sicherlich richtig eingeordnet: „Niemand wird nach Hause gehen und sagen, wir haben heute gegen die Sterne vom Himmel gespielt.“ Nicht zum ersten Mal vertieften sich die Dortmunder angesichts der besten Frankfurter Leistung seit Wochen in ihre Defensivaufgaben, für die sich niemand zu schade war. Nur Karim Adeyemi verstand seine Auswechslung als Majestätsbeleidigung eines Nationalspielers und stolzierte sichtlich beleidigt über das halbe Feld.
Wie schon beim Last-Minute-Sieg gegen Köln (1:0) war die fußballerische Leistung des BVB ohne den verstorbenen Ersatzstürmer Serhou Guirassy nicht gerade überzeugend. Aber am Ende zählte nur der Erfolg. „Es ist schön, dass wir gegen Köln und heute zwei wirklich tolle Erlebnisse hatten. Das gibt uns Energie“, sagte Torwart Kobel bei Sky. Über 120 Minuten vermittelte der Schweizer Nationaltorwart enorme Ruhe auf seine Mitspieler. Als die Entscheidung vom Elfmeterpunkt fiel, witterte er die Ecke gegen Fares Chaibi; Zuvor hatte Ritsu Doan den Ball weit über die Latte geschossen.

Dortmund musste keinen fünften Schützen mehr schicken, weil Fabio Silva, Niklas Süle, Carney Chukwuemeka und Felix Nmecha mit einer Entschlossenheit verwandelten, die typisch für dieses Kollektiv ist. Geschäftsführer Lars Ricken zog ein ähnliches Fazit wie sein Torhüter aus „zwei nervenaufreibenden Spielen“ gegen Köln und Frankfurt: „Solche Siege machen etwas mit der Mannschaft, wenn man sieht, was in der Kabine passiert. So etwas gibt uns Rückenwind. Spiele wie diese können die Initialzündung für die nächsten Wochen sein.“ Und die Reise nach Berlin zum Pokalfinale der Westfalen ist schon eine Weile her: Das letzte Mal, dass der Pott 2021 nach Dortmund ging.
Und die Frankfurter? Trainer Dino Toppmöller konnte mit dem Verliererdasein nur schwer leben. „Die glücklichere Mannschaft hat gewonnen, wir waren die aktivere und bessere Mannschaft“, sagte er. Auch SGE-Vorstandssprecher Axel Hellmann vertrat nach dem Ausscheiden aus dem Pokal, nachdem die einzig realistische Titeloption geplatzt war, eine Ausnahmestellung. „Insbesondere unsere Defensivarbeit steht in der Kritik. Starke Leistungen habe ich nur in der Abwehr gesehen. Das ist genau die Stabilität, die wir für die Saison brauchen“, sagte Hellmann und schloss: „Manchmal ist die Wirkung eines solchen Spiels auf lange Sicht wichtiger als ein einziger Sieg. Natürlich hätte ich gerne gewonnen, weil wir – wie man gesehen hat – den Pokal gewinnen können.“ Borussia Dortmund ist seit Kurzem wieder zurück.
Korrekturhinweis: Den letzten haben wir in einer früheren Version dieses Artikels DFB-Pokal-Der Gewinn des BVB wurde fälschlicherweise auf das Jahr 2017 datiert. Zwar konnte Dortmund 2021 den Pokal gegen RB Leipzig gewinnen. Wir haben den Abschnitt angepasst.
