Eine Gruppe von 18 jungen Unionsmitgliedern droht mit einem Boykott des Rentenpakets von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Einer von ihnen, der JU-Vorsitzende Johannes Winkel, attestierte dem Gesetzentwurf in der Podiumsdiskussion von Maybrit Illner am Donnerstag mangelnde Generationengerechtigkeit.
„Dieses Rentenpaket ist nicht gut für die junge Generation. Wir bekommen auch von vielen älteren Menschen die Rückmeldung, dass sie das genauso sehen“, sagte Winkel. Der Entwurf von Bas geht über das hinaus, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, und das ist für die Jüngeren schon „bitter“ genug. Sie befürworten die vereinbarte Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis 2031, nicht jedoch die von Bas vorgeschlagene Stützung der Renten mit 118 Milliarden Euro für die Jahre 2032 bis 2040. Sie wollen keine Rentenkürzung, sondern nur einen langsameren Anstieg. Winkel zitierte drei ehemalige Spitzenminister der SPD – Franz Müntefering, Peer Steinbrück und Ulla Schmidt –, die das Rentenpaket und die Aussetzung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors für einen Fehler hielten. Es sei gut, sagt Winkel, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den Streit um das Rentenpaket nun zur Chefsache machen wolle. Er sagte, dass die jungen Abgeordneten nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hätten, sich dagegen zu wehren.
Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, kritisiert Maybrit Illner wegen mangelnder Generationengerechtigkeit im Rentenpaket.
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SPD-Generalsekretär will keine „Kürzung“ der Renten
Im Studio spiegelte sich dann so etwas wie eine verkehrte Welt: Während der Christdemokrat Winkel prominente Sozialdemokraten auf seiner Seite sah, zitierte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf den Unionsfraktionsvorsitzenden im Bundestag, Jens Spahn, mit den Worten: „Am Ende kommt das Rentenpaket durch.“ Denn laut Klüsssendorf ist das Rentenpaket durch den Koalitionsvertrag abgedeckt. Umstritten ist, von welchem Punkt des Rentenniveaus man nach 2031 ausgehen soll, ob man einen „Kürzung“ vornimmt und wieder ein niedrigeres Niveau festlegt oder die Jahre bis 2031 zugrunde legt. Es sei nicht akzeptabel, dass jede Reform immer auch mit Kürzungen einhergehe, sagte Klüssendorf. Das Rentenniveau hat für die Menschen einen sehr hohen Stellenwert, denn für eine große Gruppe ist die gesetzliche Rente die einzige Einkommensform.
Eine breitere Basis an Mitwirkenden verspricht sich Klüssendorf auch von der Arbeit der Rentenkommission, die Vorschläge zur Rentensicherung machen soll: Nur jeder sechste Deutsche zahlt in die gesetzliche Rentenkasse ein. Es ist unverständlich, warum Anwälte, Architekten, Politiker und Handwerker dies nicht tun. Unterstützung erhielt Klüssendorf von Katja Kipping, der ehemaligen Linken-Parteichefin und heutigen Abteilungsleiterin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, die der Ansicht war, dass die Rentenversicherung in eine „Arbeitsversicherung“ umgewandelt werden müsse. Darüber hinaus ist es nicht angebracht, Bürger für die private Altersvorsorge auf den freien und riskanten Kapitalmarkt zu verweisen. Anders als bei der gesetzlichen Rente, bei der der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags übernimmt, geht diese nur zu Lasten des Arbeitnehmers. Kipping sagte, dass bereits 20 Prozent der über 65-Jährigen von Armut betroffen seien.
Autor fragt JU-Chef: „Warum haben Sie Rabatz nicht früher gemacht?“
Für die Autorin Julia Friedrichs („Die Wahrheit über unsere Renten“) war der Verweis auf Altersarmut ein gutes Stichwort: Es sei nicht richtig, die von der Koalition beschlossene Stabilisierung des Rentenniveaus mit Altersarmut zu rechtfertigen, da diese vor allem den Gruppen mit mittleren und guten Renten zugute komme.
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Friedrichs forderte umfassende Reformen, sonst drohte dem Rentensystem angesichts des demografischen Wandels ein Absturz: „Kein Land altert so schnell wie Deutschland.“ Der Autor fragte den JU-Vorsitzenden Winkel, warum die jungen Abgeordneten bei der Einführung der Mütterrente nicht „einen Handel gemacht“ hätten. Das geht auch zu Lasten der Jungs.
Er persönlich würde den Koalitionsvertrag „ohne Mütterrente“ bevorzugen, antwortete Winkel. Doch nun steht im Vertrag: „Es stimmt: Dem hätten wir mit der Mütterrente besser entgegenwirken sollen.“ Er sagte, dass die Politik im Allgemeinen zu rücksichtsvoll gegenüber älteren Wählern sei und dass sie „Angst vor der Babyboomer-Generation“ hätten. Während sie 115 Milliarden zusätzlich für die Renten ausgeben wollen, suchen sie für Zukunftsprojekte wie Digitalisierung oder KI vergeblich nach einem ähnlichen Paket. Laut OECD-Angaben betragen die deutschen Ausgaben für Renten und Pensionen bereits 11,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und liegen damit über dem Durchschnitt. Allerdings liegt die Rentenhöhe mit 55,3 Prozent des letzten Nettoeinkommens unter dem OECD-Durchschnitt.
Ökonom vergleicht Rentensystem mit „Kettenbrief“
Für Clemens Fuest, Präsident des IFO-Instituts, stellen die mit 41,9 Prozent hohen Lohnnebenkosten eine große Belastung für die Wirtschaft dar. Das derzeitige Rentensystem sei „wie ein Kettenbrief“, sagte Fuest. Ohne die Nachkommen der Kinder gäbe es am Ende „nichts mehr zu verteilen“. Die Sozialversicherungsbeiträge könnten nicht „unbegrenzt“ erhöht werden. Das Wachstum der Renten muss langsamer sein als das der Löhne. Der Ökonom hält das Rentenpaket für verfrüht; Man kann heute nicht entscheiden, was ab 2032 verteilt werden darf: Das soll Teil des Wahlkampfs 2029 sein.
