Zahl der Todesopfer steigt
Wassermassen sorgen in Südosteuropa für Chaos
06.09.2023 20:23 Uhr
Es hört nicht auf zu regnen. Massive Regenfälle fordern in Griechenland, Bulgarien und der Türkei mehrere Todesopfer. Flüsse treten über die Ufer, Brücken werden beschädigt, Stromnetze brechen zusammen. Lediglich in einem der betroffenen Länder dürfte sich die Lage bald entspannen.
Bei heftigen Regenfällen und den daraus resultierenden Überschwemmungen kamen in der Türkei und den Nachbarländern Griechenland und Bulgarien mindestens 14 Menschen ums Leben. Allein aus der Türkei wurden mindestens sieben Todesopfer gemeldet. Vor allem im Nordwesten des Landes hatte der Regen in der Nacht und am Vorabend vielerorts Straßen in reißende Flüsse verwandelt, so auch in Istanbul. In Bulgarien starben vier Menschen, in Griechenland meldeten die Behörden drei Todesopfer.
Nach Angaben des Gouverneurs starben am Dienstagabend in Istanbul zwei Menschen an den Folgen des Sturms. Fünf weitere Menschen starben in der Provinz Kirklareli, ebenfalls im Nordwesten des Landes, eine Person wird dort noch vermisst. Im Laufe des Tages ließ der Regen nach und die Aufräumarbeiten begannen.
Zuvor hatten sich die Straßen Istanbuls in reißende Flüsse verwandelt, eine U-Bahn-Station stand teilweise unter Wasser. Medienberichten zufolge mussten Dutzende Menschen aus einer Stadtbibliothek in Sicherheit gebracht werden. Im Fernsehen und in Online-Netzwerken waren Bilder von Autos und Marktständen zu sehen, die von den Fluten weggeschwemmt wurden. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums wurden in den Sturmgebieten mehr als 30 Menschen verletzt.
Vor dem Feuer gerettet, vom Sturm zerstört
Auch in Griechenland, das in den letzten Wochen unter extremer Hitze und vielen Waldbränden litt, regnet es seit Dienstag sintflutartig. Nach Angaben eines Meteorologen erreichte die Niederschlagsmenge ein Niveau, das seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1955 nicht mehr gemessen wurde. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte Vassilis Tsalamouras in der Stadt Volos im Zentrum des Landes. „Tausende Geschäfte und Gebäude wurden überflutet und niemand ist da, um uns zu helfen“, sagte der 58-Jährige.
In Vólos brach das Stromnetz zusammen, ein zuvor als vermisst gemeldeter 51-jähriger Mann konnte erst am Dienstag tot aufgefunden werden. Auch die Leiche eines 87-Jährigen, der seit Dienstag vermisst wurde, wurde heute, Mittwoch, im Dorf Paltsi gefunden. Eine weitere Leiche in der Stadt Karditsa im Zentrum des Landes. „Alles, was vor dem Feuer im Juli gerettet wurde, wurde durch diesen Sturm zerstört“, sagte Christos Kleftakis, ein Bewohner des Dorfes Nea Anchialos, das von den vorherigen Bränden schwer getroffen wurde.
In den überschwemmten Gebieten herrscht Chaos. Immer wieder müssen vom Wasser eingeschlossene Menschen gerettet werden. Auch der Verkehr ist lahmgelegt, insbesondere in der Region Thessalien in Zentralgriechenland. Vielerorts verbot der dortige Zivilschutz den Bürgern die Mitnahme ihrer Autos und warnte davor, überhaupt auf die Straße zu gehen. Einerseits werden viele Straßen und Bäche überschwemmt, andererseits blockieren private Autos dann die wichtigsten Verkehrsverbindungen für die Einsatzkräfte. Zudem gefährden Menschen sich selbst, weil immer wieder Autos von den Wassermassen mitgerissen werden.
Tausende Urlauber betroffen
Auch in Bulgarien fielen völlig ungewöhnliche Wassermassen, die vielerorts zu Überschwemmungen führten. Nach Angaben eines Sprechers der Rettungsdienste fielen innerhalb von 24 Stunden mehr Niederschläge als in mehreren Monaten. Das letzte Mal gab es solche Niederschläge im Jahr 1994.
Flüsse traten über die Ufer, Brücken wurden beschädigt und die gesamte Region südlich der Küstenstadt Burgas war vorübergehend von der Außenwelt abgeschnitten. Auch Tausende Urlauber waren betroffen. Fotos und Videos in den Online-Netzwerken zeigten Wohnmobile und Autos, die von den Wassermassen auf Campingplätzen an der Küste ins Meer gespült wurden.
Ein 61-jähriger Bauarbeiter starb nach Angaben des örtlichen Polizeichefs durch Ertrinken, außerdem wurden die Leichen eines 50-jährigen Mannes und zweier Frauen gefunden. Ihr Auto sank in einem reißenden Fluss, nachdem die Brücke, die sie überqueren wollten, eingestürzt war.
Nach Angaben der Behörden war Zarewo am stärksten betroffen. Laut Tourismusministerin Zaritsa Dinkova waren dort rund 4.000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen. Umweltminister Julian Popow warnte nach Angaben des Fernsehsenders Nova vor der Gefahr durch den „schlechten Zustand der Infrastruktur und zu viele Bauarbeiten an der Küste“.
Es regnet „immer an der gleichen Stelle“
Für Zentralgriechenland können die Meteorologen unterdessen keine Entwarnung geben, im Gegenteil. In der Nacht zum Donnerstag soll es weiterhin stark regnen und stürmen. Das gilt auch für die Türkei: Auch dort warnen die Behörden vor weiteren Stürmen in der Schwarzmeerregion. Lediglich in Bulgarien scheint sich die Lage zu entspannen – dort dürfte es vorerst nicht mehr regnen.
An der Schwarzmeerküste kam es bisher selten zu Überschwemmungen. Experten machen den Klimawandel und den oft schlechten Zustand der Infrastruktur für die immer häufiger auftretenden Sturmkatastrophen und ihre schwerwiegenden Folgen verantwortlich.
Der Meteorologe Kostas Lagouvardos vermutet, dass die derzeit relativ hohen Meerestemperaturen zu den extremen Wetterbedingungen beigetragen haben könnten. „Es ist ein statisches System, das ständig mit feuchter Seeluft versorgt wird, sodass es immer an der gleichen Stelle regnet“, sagte er.
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