Die Welt trauert um Tina Turner
Warum der Tod von Popstars so bewegend ist
26.05.2023, 12:28 Uhr
Auch zwei Tage nach Tina Turners Tod empfinden viele Menschen noch immer Trauer um die 83-Jährige. Dass die meisten den Sänger nicht persönlich kannten, spielt dabei keine Rolle. Es gibt noch andere Faktoren, die über das Mitgefühl beim Tod von Popstars entscheiden.
Selbst Menschen, die sie noch nie persönlich getroffen haben, können nach dem Tod einiger Prominenter von Trauer überwältigt werden. Gerade bei Rock- und Popstars sind mit ihrer Musik mitunter etliche Erinnerungen verbunden. Bei viel zu früh verstorbenen Menschen wie Freddie Mercury, Kurt Cobain, Michael Jackson, Amy Winehouse, Whitney Houston, David Bowie, Prince oder George Michael ist der Schock ein anderer, als wenn Menschen über 80 sterben. Doch der Tod von Tina Turner im Alter von 83 Jahren trifft auch Millionen Menschen mitten ins Herz. Warum das?
„Jetzt ist eine der letzten Ikonen der 80er und 90er Jahre tot“, denken manche spontan – das Ende einer Ära. Man sollte aber bedenken, dass viele Stars von damals noch am Leben sind, darunter Madonna, Kate Bush, Cher, Mariah Carey, Kylie Minogue, Boy George, Stevie Wonder oder Elton John (der beispielsweise bis Juli auf Abschiedstournee ist). ).
Mit Tina Turner ist jedoch eine Frau gestorben, die dem deutschsprachigen Europa besonders nahe stand. Mit ihrem Mann Erwin Bach hatte sie ein positives Verhältnis zu Deutschland. Auch der gebürtige Amerikaner aus Tennessee lebte jahrzehntelang am Zürichsee und war sogar Schweizer Staatsbürger geworden.
„Dann kommt eine Wehmut auf…“
„Wenn jemand stirbt wie Tina Turner, die man schon seit einer gefühlten Ewigkeit kennt, die ein Superstar war, die einem mit ihrer Musik etwas bedeutete, dann kommen bei älteren Menschen Erinnerungen hoch, aus ihrer Jugend, aus der analogen Ära, „Als die Welt noch eine ganz andere war“, sagt der Medienpsychologe Sebastian Buggert. Es ist fast so, als würde man jemanden sterben lassen, den man schon lange kennt, den man lange nicht gesehen hat – und den man vielleicht noch einmal anrufen wollte. Du wusstest nicht, dass es ihm so schlecht geht, oder du hast es verdrängt.
„Ein solcher Tod und der damit verbundene Abschied sind für viele Menschen Anlass, einfach nur traurig zu sein, in sich hineinzugehen und zu sehen, was sich verändert hat, alles ist – anders als vorher – nicht mehr da.“ , sagt Buggert, der Mitglied der Geschäftsleitung des Rheingold-Instituts in Köln ist und dort die Abteilung Medienforschung leitet. „Dann kommt eine Wehmut auf, die auch etwas mit den aktuellen Belastungen zu tun haben kann, wie das Leben heute ist – unberechenbarer und bei vielen auch voller Zukunftsängste.“
Wenn Prominente aus früheren Jahrzehnten, aus der Zeit ohne Internet, sterben, dann führe diese Trauer auch zu einer Rückkehr in eine Zeit, „die anders war, in der vieles unbeschwerter schien als heute“, sagt Buggert.
Das Vorbild Tina Turner
(Foto: imago/ZUMA/Keystone)
Hören Sie Tina Turners Musik auf RTL+ Musik.
Tina Turner war auch daran beteiligt, dass sie eine unglaubliche Kämpferin war, die zu Lebzeiten ein schwieriges Leben mit ihrem brutalen Ex-Mann Ike oder den Tod ihrer eigenen Kinder hatte. „Und sie hat sich trotzdem durchgekämpft. Das ist auch etwas, was die Leute als Vorbild sehen. Und manche assoziieren das vielleicht auch mit der heutigen Zeit, in der wir das Gefühl haben, dass wir uns zusammenreißen und durchkämpfen müssen.“
Buggert betont auch in Bezug auf Tina Turner: „Was in Interviews mit ihr immer so deutlich wurde: Sie hat trotz aller Schwierigkeiten in ihrem Leben immer versucht, optimistisch zu bleiben. Und sie hat offenbar auch einen sehr guten Umgang mit ihrem Alter gefunden.“ „
Turner wurde im Alter spirituell, verabschiedete sich deutlich, zog sich von ihrer Musikkarriere zurück und ging in den Ruhestand. „Das sind alles schwierige Entwicklungsphasen im Leben eines jeden Menschen. Aber man kann in ihr als Vorbild sehen, wie man es gut macht – und auch bewundern, wie sie es gemacht hat.“
Was bleibt, ist die Musik
Der Gedanke, dass fast alle Superstars der (vermeintlich) guten alten Zeit tot sind, kommt schnell auf, aber das macht ihn nicht richtig. Der Tod von Tina Turner könnte ein Anlass sein, sich Hits aus der Vergangenheit anzuhören, sich an Ohrwürmer anderer großer Stars zu erinnern, alte Titel auszuwählen, anstatt auf den nächsten Trauerfall zu warten.
Millionen Menschen auf der ganzen Welt hören heutzutage Lieder von Tina Turner als Hommage, aber vielleicht auch bewusst Lieder der Rolling Stones, Abba, Genesis, Paul McCartney, Sting, Bruce Springsteen, Bryan Adams, Lionel Richie, Cyndi Lauper oder Sandra.
Gb1