
S Sie gehörten zu den größten Protesten, die Israel je erlebt hat: Über 300.000 Menschen gingen Anfang September in Tel Aviv auf die Straße. US-Präsident Biden schlug einen Deal vor, Vertreter der Hamas und der israelischen Regierung verhandelten in Katar. Der Druck auf Netanjahu, der Freilassung der Geiseln und der Beendigung des Krieges in Gaza zuzustimmen, war noch nie so groß.
Bekanntlich hat nichts geholfen. Der Krieg tobt weiter, der Aufenthaltsort der Geiseln bleibt unklar und ein unabhängiger palästinensischer Staat ist kein Stück näher.
Ein Dokument, das ein Netanyahu-Vertrauter an die schickte Bild-Zeitung durchstochen: Das Dokument, das angeblich auf einem Computer in einem Hamas-Tunnel gefunden wurde, beschreibt, dass Hamas-Führer Jahia Sinwar kein Interesse an einem Deal hat und durch die Geiseln weiterhin psychologischen Druck auf Israel ausüben will.
Das Bild zeigt Netanjahus Falle
Netanjahu hat aus der Veröffentlichung ein Narrativ gesponnen, in dem die Demonstranten auf den Hauptstraßen Tel Avivs Sinwars Erfüllungsgehilfen seien, weil sie genau diesem psychologischen Druck erliegen. Sie seien in die „Hamas-Falle“ getappt, sagte Netanjahu.
Umgekehrt scheint es nun so zu sein, dass dies geholfen hat Bild bei der Interpretation der „Netanyahu-Falle“, nachdem er das Dokument nicht nur übernommen, sondern auch seine Bedeutung künstlich aufgebläht hatte. Es wird als „Kriegspapier des Terrorboss“ bezeichnet, also von Sinwar persönlich, wofür es keine Beweise gibt.
Nichtkritik wird belohnt
Die Veröffentlichung geleakter Dokumente gehört zum Instrumentarium kritischer Medienunternehmen. Es ist eines der wirksamsten Mittel, um Transparenz in Krisen- und Kriegssituationen zu schaffen, in denen eine kritische Öffentlichkeit von Regierungen als Hindernis angesehen wird.
Das Springer-Medium glänzt mit einer exklusiven Anbindung – und einer besonders unkritischen Herangehensweise
Aber die Verbindung zwischen Netanjahu undBild ist etwas Besonderes. Das Springer-Medium glänzt mit einer exklusiven Verbindung zur israelischen Regierung – und einem besonders unkritischen Umgang mit ihr. Ein Blick auf die Website der Zeitung zeigt, woran sie ist: Die dortigen Demonstranten seien „Israelhasser“, die UNRWA, die die Versorgung mit dem Nötigsten in Gaza aufrechterhalte, sei eine „Skandalbehörde“, die angeblich „Hass und Hetze“ fördere. Weit verbreitet wird eine Menschenrechtsorganisation als „Anti-Israel-Vereinigung“ beschimpft.
Damit das Dokument ausgerechnet an diesen verschickt wurde Bild durchbohrt wurde, ist nicht verwunderlich. Mangelnde Kritik wird in Jerusalem offenbar belohnt.
„Der Bild bin ich“, soll der in der Affäre angeklagte Eli Feldstein mit seiner direkten Verbindung zur Boulevardzeitung geprahlt haben. Ein Zitat, das von Netanyahu selbst stammen könnte.
http://www.taz.de/Die-Connection-Bild-Netanjahu/!6044035/