Die britischen Konservativen setzen sich durch und die Ukraine gibt ihre Ziele auf. Die Kontroverse über Angriffe tief im Inneren Russlands bleibt bestehen.
Kiew – „Wladimir Putin ist kein drei Meter großer Mensch. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen. Er ist sehr verwundbar und, offen gesagt, in einer Position erheblicher Schwäche“, sagt Jason Crow. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert den demokratischen US-Abgeordneten, weil er, Reuters Dem Bericht zufolge wird die Gefahr eines russischen Angriffs auf die Nato heruntergespielt. Seit Tagen ist eine neue Eskalationsstufe des Ukraine-Kriegs in greifbare Nähe gerückt: die Frage, ob die Ukraine russisches Territorium mit westlichen Waffen angreifen darf. Ein Ja scheint in der Luft zu liegen, doch soll die Ukraine inzwischen auch andere Ziele im Auge haben als die ursprünglichen.
Anfang September tagte die Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine gegen den Angriffskrieg Russlands erneut im rheinland-pfälzischen Ramstein – auf dem dortigen Luftwaffenstützpunkt. Reuters berichtete, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten erneut dazu aufgerufen habe, „Russlands rote Linien zu ignorieren und Langstreckenschläge gegen Russland zu autorisieren, um Druck auf Moskau auszuüben“.
„Dramatische Eskalation“: Russische Offensiven bringen USA zum Nachdenken
Die beiden Hauptkontakte scheinen jedoch noch zögerlich zu sein, was ihren Kurs angeht. Das Magazin Forbes berichtete, dass Russland gerade 200 ballistische Fateh-360-Raketen aus dem Iran erhalten habe. Dies würde eine Eskalation des Krieges in der Ukraine bedeuten – „und könnte für Russland nach hinten losgehen“, wie Forbes schreibt. Laut dem Magazin räumte Antony Blinken ein, dass die Ankunft dieser Fateh-360-Raketen zumindest eine weitere Diskussion über die Beschränkungen rechtfertigte. Laut dem Nachrichtensender NBC Die US-Außenministerin jedenfalls sprach von einer „dramatischen Eskalation“, wenn es um die Lieferung iranischer Raketen an die russischen Invasionstruppen ginge.
„Der Datenbus der F-16 bedeutet auch, dass Raketen wie Storm Shadow, SCALP-EG und möglicherweise Taurus ihren Weg in die F-16 finden könnten, obwohl sie die Grenzen dessen, was die F-16 tragen kann, in Bezug auf Gewicht und Größe der Waffenstationen überschreiten würden.“
Die Ukraine sieht sich jedoch offenbar gezwungen, ihre ursprünglichen Pläne gegen Wladimir Putin den Bedenken ihrer NATO-Partner anzupassen. Im Gespräch ist der Einsatz von ATACMS-Raketen (Army Tactical Missile Systems) aus den USA, Storm Shadow-Marschflugkörpern aus Großbritannien und SCALP-Marschflugkörpern aus Frankreich. Alle drei Länder haben begonnen, ihre ursprüngliche Opposition aufzuweichen und sich der sich drastisch verschärfenden Kampfsituation in der Ukraine zu beugen.
Ursprünglich wollte die Ukraine jedoch russische Luftwaffenstützpunkte im russischen Kernland neutralisieren, um Gleitbombenangriffe auf ukrainische Städte zu verhindern. Reuters Das Pentagon korrigierte diese Forderung allerdings mit der Aussage, dass nur zehn Prozent aller möglichen Flugplätze für ATACMS-Raketen erreichbar sein sollten, also außerhalb eines Radius von 300 Kilometern. Offiziellen Angaben zufolge will die Ukraine die Raketen nun einsetzen, um russische militärische Kommando- und Kontrollzentren, Treibstoff- und Waffendepots sowie Truppenkonzentrationen anzugreifen, berichtet die Nachrichtenagentur.
Die Zeit läuft ab: „Go“ für Gegenoffensive gegen Russland vor US-Präsidentschaftswahl wahrscheinlich
Nach einem jüngsten bilateralen Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premierminister Keir Starmer bleibt die Entscheidung offen, wie das Magazin Politico schreibt. Ein nächster Versuch werde auf der 79. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 22. und 23. September in New York unternommen, sagte Starmer: „Wir werden das Thema natürlich in ein paar Tagen mit einer größeren Gruppe von Leuten in der UN-Generalversammlung erneut aufgreifen“, wie er Politico zitiert.
Joe Biden und vor allem Keir Starmer sehen sich in einer Zwickmühle: Einerseits fürchten beide die US-Präsidentschaftswahlen im November. Ein Sieg des Republikaners Donald Trump könnte die US-Unterstützung ganz beenden; zudem gibt es in Großbritannien inzwischen erheblichen Druck von rechts. Der ehemalige konservative Premierminister Boris Johnson und fünf ehemalige Verteidigungsminister fordern den Labour-Premier auf, der Ukraine den Abschuss britischer Raketen auf Russland zu erlauben, wie die britische Unabhängig gemeldet.
Konservative Gegenoffensive: Britische Tories kritisieren Premier Starmers Zögern
Dem Bericht zufolge sollen Grant Shapps, Ben Wallace, Gavin Williamson, Penny Mordaunt und Liam Fox gesagt haben, dass der Ukraine die Stationierung von Storm Shadow-Raketen in Russland gestattet werden sollte. Gleichzeitig berichtet das Blatt, dass Starmers eigener Außenminister die Bedeutung der Raketenstationierung herunterspiele. David Lammy soll in einer Erklärung gegenüber der britischen BBC betonte, dass Großbritannien das besetzte Land bereits durch die Ausbildung von Truppen unterstütze.
Lammy sagte, keine Waffe allein könne einen Krieg gewinnen. Experten sehen das allerdings differenzierter. Joe Biden sollte der Ukraine erlauben, „alle militärischen Ziele in Russlands operativen und tiefsten rückwärtigen Gebieten mit von den USA gelieferten Waffen anzugreifen.“ Das Institute for the Study of War (ISW) zeigt eine klare Haltung zu dem, was Nachrichtenwoche berichtete im Juni. Der Thinktank hatte gerade eine Karte voller Markierungen veröffentlicht, die zeigten, welche Gebiete unter Wladimir Putins illegaler Besatzung in Reichweite amerikanischer Langstreckenraketen lagen.
Russland im Fadenkreuz: Thinktank will mehr als 200 Ziele für Langstreckenwaffen geortet haben
Die ISW-Analysten forderten ausdrücklich den Einsatz von ATACMS. Die ISW-Analysen haben weit über 50 militärische Ziele auf der Karte als in Reichweite und offenbar auch für den Abschuss wertvoll markiert, sowie mehr als ein Dutzend Militärflughäfen in Russland. Wie die BBC berichteten, dass das ISW zudem rund 200 Stützpunkte in Reichweite der Storm Shadow-Marschflugkörper identifiziert habe.
Laut der Zeitschrift Das Kriegsgebiet Die bereits an die Ukraine ausgelieferten F-16 könnten diese Waffen tragen – dazu wäre allerdings eine Anpassung ihrer Software an die neuen Waffen – der Datenbus – nötig, damit der Jet mit den Waffen kommunizieren und deren volle Fähigkeiten ausschöpfen kann: „Der Datenbus der F-16 bedeutet auch, dass Raketen wie Storm Shadow, SCALP-EG und möglicherweise Taurus ihren Weg in die F-16 finden könnten, allerdings würden sie hinsichtlich Gewicht und Größe der Waffenstationen an die Grenzen dessen stoßen, was die F-16 tragen kann“, mutmaßt das Magazin.
Putins Albtraum: US-Präsident Biden hat die Optionen der Ukraine längst erweitert
Storm Shadow wird von der Ukraine Berichten zufolge bereits in einer improvisierten Integration an Bord der Su-24 Fencer eingesetzt – auf der Krim wurde diese Waffe erfolgreich gegen russische Kommandozentralen und Kaianlagen sowie Schiffe eingesetzt. Die US-Regierung hatte grundsätzlich nur Angriffe auf militärische Ziele zugelassen: Laut derWashington Post US-Präsident Joe Biden ermächtigte ukrainische Kommandeure, „gegen russische Streitkräfte zurückzuschlagen, die sie in und um Charkiw, nahe der Grenze im Nordosten der Ukraine, angreifen oder einen Angriff vorbereiten“, wie die Post schreibt.
Dies würde bedeuten, dass die Ukraine zurückschießen dürfte, wenn sie angegriffen würde oder wenn sie beabsichtige, militärische Einrichtungen direkt hinter der Grenze zu zerstören. KiewPostÜber verschiedene Medien hatte der russische Diktator seine Drohung vor Angriffen mit hochwertigen Waffen auf russisches Territorium längst konkretisiert.
Putin bleibt zuversichtlich: Der Westen rechnet nicht mit einem Atomschlag
Bereits im Juni Reuters Putins Äußerungen fanden insofern Widerhall, als er angeblich Waffen an Gegner der USA liefern könnte, etwa an die vom Iran unterstützten Milizen im Irak und in Syrien, die im Konflikt mit den US-Truppen stehen. Reuters Die Frage, wen Putin aktiv unterstützen wolle, um Großbritannien oder Frankreich von der Freigabe ihrer Langstreckenwaffen abzuhalten, blieb jedoch vergebens.
Eine weitere konkretere Drohung Putins war Reuters ebenfalls im Juni erschienen: Putin will konventionelle Raketen näher an westliche Länder heranbringen – „in Schlagdistanz zu den USA und ihren europäischen Verbündeten“. Konkrete Aussagen hierzu vermied Putin allerdings ebenfalls. Als weitere Eskalation soll der Hamburger Sicherheitspolitiker Ulrich Kühn von der Universität Hamburg es für möglich halten, dass Putin eine Atomwaffe testet, um den Westen einzuschüchtern.
Gegenteil Reuters Doch Putin blieb im Juni vage: „Als er nach der Gefahr eines Atomkriegs gefragt wurde, sagte Putin, die russische Nukleardoktrin erlaube den Einsatz solcher Waffen. ‚Aus irgendeinem Grund glaubt der Westen, dass Russland sie niemals einsetzen wird.‘“ (KaHin)