Serhat Gündogan musste mehrfach um Geduld bitten. Der Händler der Baader Bank konnte am Montag in Frankfurt den ersten Preis der TKMS-Aktie bekannt geben. Doch die Nachfrage nach den Papieren war so groß, dass die Eröffnungsauktion nicht wie geplant um 9 Uhr endete, sondern mehrfach verlängert wurde. „Es sieht sehr, sehr gut aus“, sagte Gündogan kurz nach 9 Uhr. „Es sieht noch besser aus“, dann ein paar Minuten später. Der erste Preis um 9:11 Uhr: 60 Euro je Aktie. Wenige Minuten später waren es bereits 65 Euro. Nach einer halben Stunde schoss der Preis auf 97 Euro.
Umgerechnet auf die 63 Millionen Aktien ergibt sich für TKMS ein Marktwert von rund 6 Milliarden Euro. 51 Prozent der Anteile verbleiben beim Mutterkonzern Thyssenkrupp, zehn Prozent gehen an die Krupp-Stiftung und 39 Prozent an die bisherigen Thyssen-Aktionäre. Für jeweils 20 Thyssen-Aktien erhalten Sie eine TKMS-Aktie. Demnach fiel der Kurs der Thyssen-Aktie um gut 20 Prozent. Eine Abspaltung führt nicht zu einer wundersamen Geldvermehrung. Weder Thyssen noch TKMS erhalten durch die Listung der Papiere Geld.
In den Reden zum Börsengang betonte Oliver Burkhard, CEO von TKMS, den Wert der Unabhängigkeit für sein Kieler Unternehmen. Wer in die Marine investieren möchte, kann dies jetzt tun, ohne Thyssen-Aktien kaufen zu müssen und nicht nur in die Marine, sondern vor allem in Stahl zu investieren. Dass sich viele Anleger nach einer reinen Verteidigungsaktie sehnen, spiegelte sich in der Kursentwicklung wider. Davon profitieren auch die bestehenden Thyssen-Aktionäre: Der Gewinn der TKMS-Aktien überstieg aufgrund des Kurssprungs den Verlust ihrer Thyssen-Krupp-Aktien.
Ich hoffe auf einen Großauftrag aus Kanada
Burkhard machte am Montag deutlich, wie gefragt sein Unternehmen derzeit ist: „Unmittelbar nach dem Klingeln und einigen Interviews werde ich mit Verteidigungsminister Pistorius nach Kanada reisen, um mit Norwegen und Kanada über ein neues U-Boot-Programm zu sprechen. Der kanadische Premierminister Carney hat unsere Werft in Kiel bereits besucht und wir gehören zu den letzten beiden Anbietern für diese Zusammenarbeit.“
Neben der Werft in Kiel baut TKMS die 2022 erworbene Werft in Wismar aus. Dort sollen 200 Millionen Euro investiert werden. TKMS gilt als führender europäischer U-Boot-Hersteller und beliefert nahezu alle NATO-Staaten.
Der Kieler Hersteller von Kriegsschiffen hatte bis vor einigen Jahren unter einer schwachen Nachfrage gelitten und war eines der Sorgenkinder des strauchelnden Industriekonzerns Thyssenkrupp. Diese Rolle hat sich grundlegend verändert: Mit einem Auftragsvolumen von 18,6 Milliarden Euro sind die Auftragsbücher so voll wie nie. Die 9.100 Mitarbeiter erwirtschafteten in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2024/2025 einen Nettogewinn von 75,2 Millionen Euro bei einem Umsatz von 1,59 Milliarden Euro.
Die rechtliche Struktur schützt vor feindlichen Übernahmen
Ab dem laufenden Geschäftsjahr 2025/2026, das am 1. Oktober begann, soll eine Dividende ausgeschüttet werden, die zwischen 30 und 50 Prozent des Nettogewinns beträgt. Dies geht aus dem Börsenprospekt hervor. Zuvor bestand ein Gewinnabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft.
Die Rechtsform einer AG & Co. KGaA mit Thyssenkrupp als Mehrheitsgesellschafter soll den deutschen Einfluss auf diese kritische Infrastruktur und dieses Know-how sichern. Auch Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez betonte in Frankfurt, dass es ein Eckpunkteabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland gebe, das Konsultationen mit der Bundesregierung zu wichtigen Fragen sowie Vorkaufsrechte für Deutschland und Standortzusagen für die Produktionsstandorte vorsehe.
Für Thyssenkrupp bedeutet der Börsengang des profitablen U-Boot-Geschäfts, eine der zahlreichen Baustellen des Unternehmens schließen zu können. Unterdessen geht die Suche der Essener Industrieikone weiter, einen Partner für die notleidende Stahlsparte zu finden. Der indische Stahlkonzern Jindal Steel International hat ein unverbindliches Angebot für Thyssenkrupp Steel Europe abgegeben. Ob es dabei zu einem Deal kommt, ist noch völlig unklar, auch weil das Unternehmen milliardenschwere Pensionsverbindlichkeiten in der Bilanz hat. Darüber hinaus muss die ebenso kostspielige Transformation zu einer grünen Stahlindustrie finanziert werden. Thyssenkrupp hat in den letzten Jahren viel Geld aus dem lukrativen Verkauf der Aufzugssparte in das defizitäre Stahlgeschäft investiert. Vor fünf Jahren ging Thyssenkrupp Elevator für mehr als 17 Milliarden Euro an Finanzinvestoren.