Beim heutigen Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel dürfte erneut ein Thema im Mittelpunkt stehen: die aus US-Sicht zu niedrigen Rüstungsausgaben der Europäer. Auch Vereinbarungen zur Unterstützung der Ukraine enthalten Brisanz.
Wenn Amerikas Verteidigungsminister ins Nato-Hauptquartier in Brüssel kommt, ist er immer ein besonderer Gast. Er kommt aus dem mächtigsten Mitgliedsland und ist für die meisten immer noch der wichtigste Verbündete. Unter Donald Trump hat sich daran nichts Wesentliches geändert. Was sich geändert hat, ist, dass der US-Verteidigungsminister nun Kriegsminister heißen möchte.
Dies ist nicht das Einzige, was Pete Hegseth von seinen Vorgängern unterscheidet. Sein Auftreten gegenüber seinen Partnern erscheint beleidigend bis aggressiv und seine Sprache ist kompromisslos. Das hat die Stimmung verändert. Die Europäer gehen davon aus, dass Hegseth ihn bei der heutigen Begegnung noch einmal stark unter Druck setzen wird.
Spanien zieht Trumps Zorn auf sich
Das Beharren auf der Umsetzung der Beschlüsse des letzten Nato-Gipfels in Den Haag gehört zu den weniger dramatischen Konfliktpunkten. Es wurde vereinbart, dass 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für direkte Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für verteidigungsbezogene Infrastruktur ausgegeben werden. Auch die Europäer seien auf dem Weg dorthin, bestätigte Nato-Generalsekretär Mark Rutte kurz vor dem Treffen. Allerdings mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Spanien ist am weitesten vom Waffenziel entfernt, und Premierminister Sanchez steht im Weg. In Den Haag hatte er nur pro forma zugestimmt und dann mehrfach erklärt, dass er der gewünschten Aufrüstung nicht zustimmen werde. Was ihm vor einer Woche eine persönliche Drohung aus Washington einbrachte: „Vielleicht sollten sie aus der NATO geworfen werden“, sinnierte Donald Trump. Nach Angaben der Nato will bei dem Treffen in Brüssel niemand in die Rolle des spanischen Verteidigungsministers schlüpfen.
Ein Angebot, das die Europäer ablehnen
Auch die Frage nach der Zukunft der Militärhilfe für die Ukraine birgt Brisanz, auch Hegseth kann auf hier getroffene Vereinbarungen verweisen. Die USA hatten versprochen, der Ukraine weiterhin Waffen zu liefern – allerdings nur, wenn die Europäer dafür bezahlen würden.
Allerdings kaufen nicht alle europäischen Regierungen gerne bei amerikanischen Verteidigungsunternehmen ein. Besonders in Frankreich ist die Idee unpopulär, aber auch andere große EU-Länder halten sich zurück. Nicht einmal Großbritannien, sonst ein enger Partner Washingtons in Verteidigungsfragen, hat das „Buy American“-Angebot bisher angenommen.
Kaum Interesse an US-Waffen
Im Juli startete US-Präsident Trump gemeinsam mit NATO-Generalsekretär Rutte ein eigenes Programm zur neuen Lastenteilung, die „Priorisierte Liste der Anforderungen für die Ukraine“ (PURL). In den USA hergestellte Waffen stehen auf der Liste und die Europäer sollten sie für die Ukraine kaufen. Bisher ist der Interessentenkreis überschaubar.
Deutschland und die Niederlande kauften jeweils Waffen im Wert von 500 Millionen Dollar, die skandinavischen Länder schlossen sich zusammen und bestellten rund 500 Millionen. Andere Verbündete halten sich zurück. Sie können davon ausgehen, sagt die NATO, dass der Pentagon-Chef sie an die Vereinbarung namens PURL erinnern wird.
Schwäche im Luftraum aufgedeckt
Bei der Drohnenabwehr werden weniger Konflikte erwartet. Die meisten Bündnispartner sind sich einig, dass es noch viel Nachholbedarf gibt. Angesichts der Luftraumverletzungen durch russische Drohnen in den letzten Wochen sah es für das Bündnis nicht besonders gut aus. „Aus Fehlern lernen wir immer etwas“, erklärte der Oberbefehlshaber der alliierten Truppen in Europa, US-Luftwaffengeneral Alexus Gynkewich, nach den ersten Drohnenflügen über Polen.
Viel zu komplex, viel zu teuer, das war eine der Erkenntnisse. Teilweise mussten große Kampfflugzeuge mit teuren Raketen gegen relativ einfache und kostengünstige russische Drohnen eingesetzt werden, doch das soll sich ändern.
Unterstützung kommt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die vorschlägt, dass die EU-Regierungen beim Bau einer Drohnenmauer zusammenarbeiten sollten. Das Ziel: ein europäisches System zur schnellen und wirksamen Abwehr russischer Drohnen. Genaueres erfahren die Verteidigungsminister der EU-Staaten am Abend – allerdings nicht mehr im Nato-Hauptquartier, sondern im Ratsgebäude im Brüsseler Europaviertel.
Helga Schmidt, ARD Brüssel, tagesschau, 14. Oktober 2025 18:00 Uhr