Mit seiner starken Erwärmung nähert sich unser Planet rasch katastrophalen und unumkehrbaren Kipppunkten – so die Warnung von 160 Klimaforschern aus 23 Ländern. „Wir steuern schnell auf mehrere Kipppunkte im Erdsystem zu, die unsere Welt verändern und zerstörerische Folgen für Mensch und Natur haben könnten“, betont Tim Lenton von der University of Exeter, der mit einem internationalen Team den „Global Tipping Points Report“ veröffentlicht. Es sind beispiellose und sofortige Maßnahmen seitens der politischen Entscheidungsträger auf der ganzen Welt erforderlich.
Ein Kipppunkt in der Klimaforschung ist eine kritische Schwelle, deren Überschreitung dazu führt, dass ein Teil des Erdsystems vergleichsweise plötzlich und oft irreversibel in einen neuen Zustand übergeht – mit möglicherweise schrecklichen Folgen für die Menschheit. Um gravierende, irreversible Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern, halten Forscher es für unerlässlich, Kipppunkte zu vermeiden.
- Dem Bericht zufolge ist mit dem großen Korallensterben bereits ein Wendepunkt erreicht. Die Temperaturschwelle für diesen Kipppunkt wird auf 1,2 Grad geschätzt – und ist angesichts der aktuellen globalen Erwärmung von rund 1,4 Grad bereits überschritten. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass die globale Erwärmung auf 1,5 Grad stabilisiert werden kann, besteht eine Wahrscheinlichkeit von über 99 Prozent, dass Warmwasserkorallenriffe verloren gehen.
- Auch der Amazonas-Regenwald, an dessen Rande bald die Weltklimakonferenz stattfinden wird, ist durch eine Kombination aus klimabedingten Dürren und Abholzung gefährdet: Die Schwelle, ab der ein flächendeckendes Absterben droht, sei niedriger als bisher angenommen – das untere Ende des angenommenen Bereichs, bei dem das System kippen könnte, liege mittlerweile bei 1,5 Grad und sei damit fast erreicht, hieß es.
- Die atlantische Umwälzströmung könnte möglicherweise zusammenbrechen, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad sinken würdevermuten die Forscher. Dies würde zu deutlich härteren Wintern in Nordwesteuropa führen und unter anderem die Bedingungen für die Landwirtschaft in weiten Teilen stören – mit drastischen Folgen für die globale Ernährungssicherheit. Allerdings gelten Prognosen zur Entwicklung des Strömungssystems noch als sehr unsicher.
Seit ihrer letzten Bestandsaufnahme vor zwei Jahren konnten die Forscher auch Fortschritte im Wandel feststellen. „Es hat eine radikale globale Beschleunigung gegeben, einschließlich der Verbreitung von Solarenergie und Elektroautos. Aber wir müssen mehr tun und schneller voranschreiten, um positive Wendepunkte zu erreichen“, sagte Lenton. Bestenfalls käme es zu Kettenreaktionen – etwa zwischen den Bereichen Energie, Verkehr und Wärme. „Wir müssen noch viele weitere positive Wendepunkte identifizieren und auslösen“, sagte das Team. (dpa)