Wer zukünftig in den Dienst aufgenommen wird, entscheidet ein Zufallsverfahren. Mit dem neuen Modell reagiert die Koalition auf den Personalmangel in der Bundeswehr – und entfernt sich vom bisherigen Ziel der Freiwilligenarbeit.
Personalprobleme: Der Bundeswehr fehlen mindestens 80.000 Soldaten.
Christoph Hardt / Imago
Nach langer Debatte hat sich die Regierungskoalition aus Union und SPD auf einen Kompromiss zu neuen Regelungen für den Wehrdienst geeinigt. Kernstück des Plans ist ein Lotteriesystem: Junge Männer, die einen obligatorischen Fragebogen über ihre Bereitschaft zum Militärdienst ausfüllen, werden nach dem Zufallsprinzip für den Militärdienst ausgewählt.
Reichen die freiwilligen Anmeldungen in einem Jahr nicht aus, könnte von den Auserwählten ein mindestens sechsmonatiger Dienst in der Bundeswehr verlangt werden. Das berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag unter Berufung auf die Regierungsfraktionen.
Am kommenden Donnerstag wird der Vorschlag erstmals im Bundestag beraten. Nach Informationen des RND soll Verteidigungsminister Boris Pistorius bis dahin festlegen, bei welcher Personalzahl die freiwillige Teilnahme endet und die Lotteriepflicht greift.
Dänemark als Vorbild
Das Modell orientiert sich an der dänischen Praxis: Es besteht Wehrpflicht, aber nur ein Teil der Kohorte wird eingezogen. Die deutschen Koalitionsfraktionen hoffen, durch Zufälligkeit die Anzahl der Musterungen zu begrenzen und gleichzeitig die Militärgerechtigkeit zu wahren.
Der SPD-Politiker Pistorius seinerseits hatte lange auf ein rein freiwilliges Modell gesetzt. Der erste Entwurf einer Gesetzesnovelle aus seinem Ministerium sah daher kein verbindliches Muster vor. „Wir bekommen diese Zahlen“, versicherte der Verteidigungsminister im Sommer. Die Koalitionspartner CDU und CSU hielten dies jedoch für zu vage und forderten Nachbesserungen.
Der Druck, den Personalbestand der Bundeswehr aufzustocken, ist groß. Nach den NATO-Vorgaben muss die Truppe von derzeit rund 180.000 Soldaten auf 260.000 wachsen. Hinzu kommen 200.000 Reservisten, die über das neue Wehrdienstsystem rekrutiert werden sollen.
Kritik an der Freiwilligkeit
Es bestanden große Zweifel, dass der ursprüngliche Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius zu einer spürbaren Entlastung des Personals führen würde. Patrick Sensburg, Präsident des Bundeswehr-Reservistenverbandes, kritisierte, das Konzept setze zu stark auf freiwilliges Handeln. „Viele glauben, dass es jetzt wieder eine Pflicht gibt. Die gibt es nicht. Die einzige Pflicht ist, dass man einen Fragebogen beantworten muss“, sagte Sensburg dem Bayerischen Rundfunk.
Nach Angaben des Verbandschefs wird der Personalmangel dadurch nicht behoben – weder bei den aktiven Soldaten noch in den Reserven. „Wir stecken bei 180.000 fest. 203.000 wollen wir schon seit Jahren haben. Trotz aller Werbekampagnen, trotz aller guten Maßnahmen schaffen wir es nicht, noch mehr Leute für die Bundeswehr zu gewinnen.“
Auch der langjährige Heeresinspekteur Alfons Mais hatte sich für die Wehrpflicht ausgesprochen. „Das Vertrauen auf Gott für genügend Freiwillige wird bald nicht mehr ausreichen“, warnte Mais.