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Deutsche Kinder statt Ukraine unterstützen? – DW – 21.09.2023


Im Internet tauchen immer wieder gefälschte Inhalte auf, die renommierte Medien, darunter auch die DW, imitieren. Der Inhalt ist größtenteils erfunden, aber so detailliert erzählt, dass er den Eindruck von Echtheit erwecken kann, zumal manipulierte oder KI-generierte Bilder und Videos dies zu untermauern scheinen.

In diesem Fall handelt es sich um ein englisch untertiteltes Video, das offenbar von der Nachrichtenagentur Reuters stammt, und Screenshots dieses Videos werden geteilt auf Xfrüher bekannt als Twitter, Facebook und Telegramm. Die Inhalte werden hauptsächlich auf russischen Kanälen verbreitetund einige davon wurden mehr als 100.000 Mal angesehen. Es gibt aber auch Beiträge auf EnglischDeutsch und selbst japanisch.

Beanspruchen: Den Beiträgen zufolge soll die deutsche Hilfsorganisation Bunte Kreis Rheinland in Berlin eine Plakatkampagne durchgeführt haben, bei der die Kosten von „10 Leben deutscher Kinder“ und einem „1 Leopard“-Panzer verglichen wurden – jeweils geschätzte 29 Millionen Euro. Der Bunte Kreis ist eine deutsche Organisation mit regionalen Standorten, die Familien mit schwerkranken Kindern unterstützt.

Die Bilder der angeblichen Plakataktion sind recht gut manipuliert und wirken auf den ersten Blick echtBild: X

Die angebliche Kampagne bezieht sich nicht explizit auf den Krieg in der Ukraine. Diese Interpretation ist im Video und in einigen Konten enthalten, die es geteilt haben. Dem Video zufolge habe die Kampagne eine „Welle der Empörung“ unter Flüchtlingen aus der Ukraine in Deutschland ausgelöst und „die europäische Gemeinschaft gespalten“.

Auch unter politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren soll die Kampagne für Kontroversen gesorgt haben. Dem Video zufolge soll Karl Kopp, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die Aktion als „eklatant nationalsozialistisch“ bezeichnet haben.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprang den mutmaßlichen Aktivisten angeblich zur Seite: „Niemand hat das Recht, die Gesundheit deutscher Kinder hinter die Interessen der Ukraine zu stellen.“ So ließe sich zumindest das teils ungeschickt verwendete Englisch im Video-Untertitel verstehen.

DW-Faktencheck: Gefälscht

Zugegeben, die manipulierten Fotos der Plakataktion können durchaus überzeugen. Eine umgekehrte Bildsuche ergibt keine Hinweise darauf, dass die Bilder älter sind, was darauf hindeutet, dass sie aus dem Kontext gerissen wurden. Auch eine forensische Bildanalyse verlief eher unauffällig. Aber die Plakate selbst sind immer noch Fälschungen.

Unstimmigkeiten in Sprache und Inhalt

Das angebliche Reuters-Video, das über die Plakataktion und ihre Reaktionen berichtet, zeigt typische Fehler bei sogenannten „Spoofing“-Versuchen. Nachahmungen renommierter Medien erscheinen auf den ersten Blick oft echt, entsprechen bei näherer Betrachtung jedoch meist nicht den Standards des Medienunternehmens.

Beispielsweise fallen Formatfehler und sprachliche Inkonsistenzen in den Untertiteln auf. Sie enthalten Fehler, die englischsprachige Medienschaffende nicht oder zumindest nicht in der vorliegenden Menge machen würden. Es gibt zu viele Leerzeichen, Fehler in der Großschreibung, fehlende Kommas und ein grammatikalisches Durcheinander von Verben in verschiedenen Zeitformen. Die britische Nachrichtenagentur bestätigte auf DW-Anfrage unsere Vermutung: „Reuters hat dieses Video nicht veröffentlicht.“

DW Fact Check Screenshot gefälschtes Reuters-Video
Reuters hat bestritten, dieses Video erstellt zu habenBild: X

Darüber hinaus lief die Plakataktion dem Video zufolge im Juli 2023. Eine Debatte hätte stattgefunden und in deutschen Medien darüber berichtet, insbesondere wenn sich der Bundesgesundheitsminister dazu geäußert hätte.

Was sagen die mutmaßlichen Kampagneninitiatoren?

Die DW hat alle Beteiligten angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Ralph H. Orth, Finanzvorstand des Bunten Kreises Rheinland in Westdeutschland, der Organisation, die für die Kampagne verantwortlich gewesen sein soll, bestätigte, dass seine Organisation keine solche Kampagne durchgeführt habe.

„Da Spenden unsere Öffentlichkeitsarbeit finanzieren, haben wir auch in Berlin – fernab unserer Standorte im Rheinland – keine Möglichkeit, solche Maßnahmen zu finanzieren“, sagte er

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Auch die Organisationen Paritätischer Wohlfahrtsverband und Aktion Mensch, deren Logos ebenfalls auf den Plakaten zu sehen sind, dementierten ihre Beteiligung an der Aktion. Die Logos seien ohne „Wissen und Zustimmung“ missbraucht worden.

„Aktion Mensch ist an dieser angeblichen Aktion nicht beteiligt und distanziert sich ausdrücklich von den dargestellten Inhalten“, schrieb eine Sprecherin des aus Lotterieeinnahmen finanzierten Sozialvereins.

Plakatflächen werden nicht mehr genutzt

„Wir können ausschließen, dass die im Beitrag gezeigten Plakate jemals auf unserer Plakatfläche angebracht waren oder sind“, schrieb ein Sprecher der Wall GmbH, einem Berliner Außenwerbeunternehmen, dessen Logo auf mehreren der gezeigten Plakate zu sehen ist in den Screenshots.

DW-Faktencheck Screenshot einer gefälschten Plakataktion am Berliner Checkpoint Charlie
Diese Anzeige am Berliner Checkpoint Charlie wurde bereits entfernt, als die angebliche Aktion im Juli 2023 stattfinden sollteBild: X

Das Unternehmen weist darauf hin, dass an mindestens zwei der dargestellten Stellen logische Fehler vorliegen. Seit 2019 gäbe es in Berlin keine Werbung für Aktionen auf öffentlichen Toiletten, wie sie auf dem Bild vom Berliner Alexanderplatz zu sehen sind. Nach Angaben der Wall GmbH wurde das Plakat am Checkpoint Charlie bereits im zweiten Quartal 2023 entfernt. vor dem angeblichen Wahlkampf.

Auf einem weiteren Screenshot ist ein Plakat zu sehen, das angeblich von der Kölner Werbefirma Ströer angefertigt wurde. Auch Stöer bestätigte auf Anfrage der DW, dass sie das Plakat nicht verbreitet hätten.

Hat sich jemand öffentlich zu der gefälschten Kampagne geäußert?

Auf Anfrage der DW erklärte das Bundesgesundheitsministerium, Gesundheitsminister Lauterbach habe sich zu der angeblichen Plakataktion nicht geäußert – und schon gar nicht in der im Video vorgetäuschten Art und Weise.

„(Lauterbach) hat sich mehrfach gegen den barbarischen russischen Angriffskrieg und für die Unterstützung der Ukraine ausgesprochen“, sagte das Gesundheitsministerium der DW. „Die Gesundheitsversorgung von Kindern in Deutschland durch Ukraine-Hilfe zu kompensieren, ist unsensibel und liegt ihm fern.“

Ähnlich reagierte Karl Kopp von „Pro Asyl“, der in dem Fake-Video mit einem Nazi-Vergleich zitiert wird: „Ich kenne diese sogenannte Kampagne nicht. Ich habe nichts kommentiert.“ Das Filmmaterial, das ihn zeigt, ist mehr als sechs Jahre alter fügte hinzu.

Abschluss: Um es mit den Worten von Karl Kopp zu sagen: „Das ist Fake von A bis Z.“ Die Kampagne ist ebenso erfunden wie die Fake-Reaktionen darauf. Die Fotos der angeblichen Plakate sind gefälscht, das Video stammt nicht von der Nachrichtenagentur Reuters.

Kate Hairsine, Sean Sinico und Inna Zavgorodnya haben zu diesem Bericht beigetragen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.

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