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Die aktuellen Trends auf dem Automarkt setzen China und Japan, deutsche Firmen hinken meist hinterher. Doch es gibt auch positive Impulse – gerade für die Kunden.
Ob Volkswagen, Mercedes, BMW oder Audi: Es muss gespart werden, Mitarbeiter sollen teils auf Prämien oder Gehalt verzichten. Vielerorts stehen Jobs auf dem Spiel und sogar ganze Werke. Investoren verlieren das Vertrauen, die Kurse an der Börse purzeln: In diesem Jahr gaben die Aktien der Autokonzerne im DAX zwischen zwölf und 25 Prozent nach.
Ein Grund: Die Abhängigkeit vom riesigen chinesischen Markt kommt die Deutschen teuer zu stehen. Zugleich fehlen Modelle für die Zukunft.
Der Massenmarkt braucht günstige E-Autos
Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia-Hochschule, sagt dazu: „Der Erfolg in der Zukunft hängt sehr stark davon ab, ob und wann die deutschen Automobilhersteller wettbewerbsfähige E-Autos und Hybridfahrzeuge insbesondere im großen Automobilmarkt China anbieten können. Und da ist der zeitliche Druck jetzt besonders groß.“
Bisher konnten die Deutschen mit ihren luxuriösen und margenträchtigen Verbrennern in China sehr gute Geschäfte machen. Das habe Investitionen in neue E-Modelle sogar gebremst, meinen Experten. Doch der chinesische Markt schwächelt; große, teure Wagen sind derzeit weniger gefragt. Stattdessen sind kleine, günstige Autos in – und zwar Elektroautos.
Kleinere Autos sind gefragt – aber die rechnen sich nicht
Auch BMW, Mercedes, Volkswagen und Porsche zum Beispiel haben inzwischen eine Vielzahl vollelektrischer und hybrider Fahrzeuge in petto. Aber, sagt Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands: „Es ist der Ruf nach kleineren E-Fahrzeugen, dem die deutschen Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes nicht nachkommen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass mit diesen Fahrzeugen kein Geld zu verdienen war und ist.“
Elektro-Varianten sind derzeit noch teuer in der Herstellung, und kleinere Wagen erzielen nicht so hohe Verkaufspreise. Ein wichtiger Kostenfaktor, die Batterie, sagen Experten, müsse noch zu oft für viel Geld auf dem internationalen Markt eingekauft werden. Die Preise dort bestimmten die Asiaten.
Chinesische Autobauer als gefährliche Konkurrenz
Waren die Deutschen bei Verbrennern uneinholbar, haben sich bei E-Autos vor allem die Chinesen – auch wegen massiver staatlicher Subventionierung – zu gefährlichen Konkurrenten entwickelt. „Man kann nicht abstreiten, dass chinesische Hersteller Marktführer sind“, ordnet Schwope ein.
„Gerade bei der Herstellung von Batteriezellen, gerade auch bei Entertainment-Systemen oder Software-Geschichten sind die Chinesen sicherlich deutlich stärker.“ Im Reich der Mitte hat der chinesische Anbieter BYD inzwischen den VW-Konzern als Marktführer abgelöst.
Das Auto als Entertainment-Zentrale
Vom Fahrzeug aus per App einen Tisch im Restaurant reservieren, Karaoke singen, das Auto als Spielkonsole mit Surround-Sound: Beispiele für veränderte Wünsche der Kunden. Autos sind nicht mehr nur Fortbewegungsmittel, sondern dienen auch als Dienstleistungs- und gar als Entertainment-Zentrale.
Auch Autoexperte Christoph Stürmer meint, da müssten die Deutschen schnell nachlegen: „Einfach spannendere, interessantere Benutzererlebnisse kreieren und den Kunden eine größere Einfachheit in der Bedienung ermöglichen.“
Deutsche Autobauer hinter dem Puls der Zeit zurück
Gerne etwas kleiner, dafür als E-Auto umweltschonend, erlebnisorientiert und möglichst günstig: Marktkennern zufolge ein gutes Angebot für die automobile Zukunft – nicht nur in China. Die deutschen Hersteller scheinen Kennern zufolge hier lange gezögert zu haben, zugunsten der Gewinne.
Doch es lässt sich ein gewisses Momentum beobachten: Der VW-Konzern, die BMW-Group und die Mercedes-Benz-Group investieren zum Beispiel viele Milliarden Euro in moderne E-Antriebe, in autonomes Fahren, eigene Batterietechnik und Batterieproduktion sowie digitale Angebote.
Filme schauen am Steuer bald auch bei Mercedes
Es gibt Rückschläge, aber auch positive Beispiele: So kann Mercedes Benz den nächsten Schritt beim hochautomatisierten Fahren, dem sogenannten Level 3, gehen. Bei entsprechend ausgestatteten Autos dürfen die Fahrer ab kommendem Jahr im fließenden Verkehr bis zu einer Geschwindigkeit von 95 Stundenkilometern anderen Beschäftigungen nachgehen. Solange sie auf der rechten Spur bleiben, dürfen sie hinter dem Steuer etwa lesen oder Filme schauen. Bei Aufforderung müssen sie sofort eingreifen können.
Laut Mercedes hat das Kraftfahrtbundesamt die Genehmigung erteilt. Laut dem Unternehmen ist es der einzige Hersteller mit einer solchen Genehmigung für Serienfahrzeuge in Deutschland. Bisher durfte diese Form des automatisierten Fahrens nur in Staus beziehungsweise bis zu einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern angewendet werden.
BMW investiert in Batterie-Herstellung
Die BMW-Group erweitert ihre Batterieproduktion: „Für die sechste Generation unserer Hochvoltbatterien bauen wir fünf Standorte auf drei Kontinenten auf“, heißt es vom Konzern. Nämlich in Niederbayern, Ungarn, China, Mexiko und den USA: „Dieser Ansatz sichert die Produktion auch bei unvorhergesehenen politischen und wirtschaftlichen Ereignissen ab.“
VW-Konzern: Günstigere Einstiegsmodelle ab 2026
Und auch in Sachen günstige E-Einstiegsmodelle tut sich etwas: Der VW-Konzern will als sogenannter Volumenanbieter 2026 Elektro-Autos unter 25.000 Euro auf den Markt bringen, 2027 E-Autos für unter 20.000 Euro.
Günstigere Elektro-Modelle sollen die Massen begeistern, den Absatz richtig ankurbeln. Doch mehr E-Autos auf die Straße, das müsste deutlich schneller gehen: wegen der strengeren CO2-Flottengrenzwerte, die ab kommendem Jahr in der EU gelten. Ab 2025 dürfen die Fahrzeugflotten der Hersteller in der EU im Schnitt nur noch 93,6 Gramm pro Fahrzeug pro gefahrenem Kilometer ausstoßen. Das sind 15 Prozent weniger als derzeit.
Billigere Elektro-Autos, um CO2-Grenzwerte zu schaffen?
Branchenkenner gehen davon aus, dass die meisten Autobauer den strengeren Grenzwert reißen werden – weil sie zu wenig E-Autos verkaufen können. Dazu sagt Autoexperte Christoph Stürmer: „Man muss 25 Prozent Elektroautos in den Markt bringen, sonst zahlt man hohe Strafen für das Nichterfüllen dieser CO2-Ziele. Deswegen gehe ich davon aus, dass nächstes Jahr ein sehr gutes Jahr sein wird, um günstig Elektroautos zu kaufen.“
Analysten rechnen im kommenden Jahr mit einer regelrechten Rabattschlacht. Schon jetzt würden die Preise für E-Autos reduziert, um die Verkäufe anzukurbeln – und damit die CO2-Bilanz aufzubessern. Das werde sich 2025 verstärken. Gut für Umwelt und Verbraucher. Die deutschen Autobauer dürften dagegen erst mal draufzahlen.