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Der Xpeng P7 AWD Performance im Langstreckentest: Das beste chinesische Elektroauto?

Der Xpeng P7 AWD Performance im Langstreckentest: Das beste chinesische Elektroauto?

Vertraute Umgebung

Unser Test beginnt mit einer Überraschung: Ein Motor hilft, wenn die Tür nicht ganz schließt. Eine solche Soft-Close-Funktion ist in diesem Preissegment (unser Testwagen kostet 63.460 Euro) eher ungewöhnlich, sonst findet man sie nur in sehr hochpreisigen Fahrzeugen.

Nach dem Einsteigen erinnert man sich sofort an diverse Konkurrenten. Ein großer Bildschirm in der Mitte, kaum Knöpfe, alles sehr aufgeräumt. Ein Head-up-Display gibt es nicht, dafür aber eine schöne Tachoanzeige, die Inhalte links und rechts vom Tacho lassen sich frei konfigurieren. In der Mittelkonsole befindet sich die typische Smartphone-Ablage mit induktiver Ladefunktion, die Gangwahl erfolgt wie bei Mercedes und älteren Teslas über einen Hebel rechts neben der Lenksäule. Die Außenspiegel werden über die Tasten am Lenkrad eingestellt.

Die Bedienung der Lüftungsdüsen der Klimaanlage erfolgt über den Touchscreen, wo auch die Belüftung der Vordersitze aktiviert wird. Auf ihnen lässt es sich recht bequem sitzen – in der hinteren Reihe hat der Xpeng P7 allerdings ein typisches Problem vieler vollelektrischer Limousinen: Die Batterie im Unterboden schränkt das Platzangebot etwas ein. Oben ist trotzdem überraschend viel Platz, bis exakt 1,80 Meter kann man gerade noch aufrecht sitzen, ab 1,81 Meter muss man den Kopf einziehen. Auch die Kniestellung ist durch den hohen Boden nicht optimal und die Oberschenkel liegen nicht voll auf der Sitzfläche auf. Die Beinfreiheit vorn geht allerdings in Ordnung und generell ist das Platzangebot für eine Elektrolimousine akzeptabel, denn irgendwo muss die Batterie ja hin. Positiv fällt der sparsame Einsatz von Hochglanzoberflächen und der große Lederanteil auf. An manchen Stellen findet sich zwar noch etwas Hartplastik, aber auch das ist hochwertig.

Schnelles Laden

Das Äußere des Wagens ist ebenso vertraut wie sein Inneres. Auf den ersten Blick sticht der Xpeng P7 kaum aus der Masse hervor, er ist praktisch ein 08/15-Autogesicht. Die geschlossene Front, durchgehende Lichtleisten vorn und hinten, versenkbare Türgriffe und leicht geschwungene Linien fallen im Straßenverkehr heutzutage kaum noch auf – stören aber auch niemanden. Ein klassischer Hingucker ist er nicht, zumindest nicht beim Fahren. Beim Ver- und Entriegeln bleiben Passanten allerdings immer wieder stehen und staunen, wenn sie die lustige Ding-Ding-Melodie hören, mit der das Auto das Ver- oder Entriegeln quittiert. Erst dann fällt vielen das X-förmige Logo auf und die interessierten Fragen beginnen.

Diagrammvisualisierung

Viel Zeit haben wir dafür an den Ladesäulen allerdings nicht, 50 Prozent Ladung sind bereits nach 14 Minuten erreicht, von 4 auf 80 Prozent lädt er in 28 Minuten. Die Peak-Leistung aus der Ladesäule beträgt laut Ionity 189 kW, diesen Wert erreichen wir reproduzierbar immer wieder, ohne auf Vorkonditionierung oder optimale Ladesäulenwahl zu achten.

Überzeugend auf lange Sicht

Mit vollem Akku geht es raus auf die Autobahn, wo der Wagen viele positive Überraschungen liefert und zeigt, dass unter der Haube des „gewöhnlichen Gesichts“ Spitzentechnik steckt. Angefangen beim Verbrauch, den wir selbst bei sehr sportlicher Fahrweise nicht über 27 kWh/100 km bekommen (da ist sicher noch Luft nach oben, aber nicht im Sommerferienverkehr). Begrenzen wir uns auf 130 km/h, geht der Zähler nur knapp über die 20 kWh-Marke, was bei 82,7 kWh netto nutzbarer Akkukapazität einer realen Autobahnreichweite von gut 410 Kilometern entspricht. Überraschend „unchinesisch“ ist auch das Fahrwerk. Es ist komfortabel, aber nicht so weich und unsensibel wie bei anderen Anbietern aus Fernost. Es bietet mehr Kontakt zur Straße, ohne dabei so hölzern zu sein wie bei einem Tesla. Auch die Lenkung ist leichtgängig, aber nicht so synthetisch wie bei vielen anderen Chinaautos.

Nur beim Kurvenverhalten und bei sehr hohen Geschwindigkeiten gibt es noch Luft nach oben: Laut Tacho ist das Auto bei 215 km/h abgeregelt, die es recht abrupt einfährt und offensichtlich noch Reserven für höhere Geschwindigkeiten hat. Ab 180 km/h fühlt sich die Federung etwas wackelig an und die Lenkung könnte direkter sein. Trotzdem macht es in diesem Preissegment kaum jemand besser, vor allem niemand aus China.

Gute Verbrauchswerte

Auch abseits der Autobahn sind die Verbrauchswerte ordentlich: Auf Landstraßen verbraucht der P7 rund 17 kWh/100 km, in der Stadt gerade einmal 14. Damit sind für den durchschnittlichen Pendler 490-590 Kilometer realistisch machbar. Dabei ist zu beachten, dass wir den Wagen bei sommerlichen Temperaturen von 25 bis 32 °C in Süddeutschland getestet haben, diese Werte also als optimal gelten können und im Winter durchaus noch ein gutes Stück darunter liegen könnten.

Die Fahrmodi gefallen uns: „Classic“ ist schön ausgewogen, „Eco“ ähnelt der Gaspedalkennlinie eines Verbrenners und ist daher gut für Umsteiger. In „Sport“ hängt das Auto so vehement und direkt von der Leistung ab, wie es sich für eine Performance-Variante gehört. Einzig die Ein-Pedal-Antriebsoption namens „X-Pedal“ ist verbesserungswürdig. Sie ist etwas klobig, das haben beispielsweise BMW, Kia und Tesla besser gelöst.

Wirklich gute Software

Das Infotainmentsystem funktioniert einwandfrei und ist sehr flott. Dank Lautsprecher in der Kopfstütze flüstert einem das Navi Anweisungen dezent ins Ohr, statt ständig über die Musik oder Telefonate hinweg zu krächzen. Die Einbindung von Drittanbieter-Apps ist gut gelungen (von Spotify über TikTok bis Disney+ ist alles dabei) und man findet sich in der logisch aufgebauten Menüführung auf Anhieb zurecht. Wirklich wichtig ist 2024 allerdings die Ein-Klick-Abschaltung des Geschwindigkeitswarntons – vor allem, weil das System selbst bei strahlendem Sonnenschein kräftig meckert, wenn man sich nicht an die „80 km/h bei Nässe“ hält.

Die Sprachsteuerung versteht zwar nur Englisch, das aber tadellos. Nicht nur Entertainment, sondern auch Klimaanlage, Sitzbelüftung und Scheinwerfer lassen sich darüber steuern. Beeindruckend ist die Präzision der Stauwarnungen. Wenn aus der Kopfstütze ein dezentes „Stau voraus“ ertönt, kann man den Fuß aufs Bremspedal setzen, denn hinter der nächsten Kurve wartet garantiert ein Stau. Kleinen Abzug gibt es für den Ladeplaner, der regelmäßig langsame 50 kW-Ladesäulen auf der Autobahn ansteuern will.

Schwächen bei Assistenzsystemen

Als einzigen gravierenden Nachteil sind uns beim Xpeng P7 die Assistenzsysteme aufgefallen. Diese können zwar theoretisch den üblichen Standard (Abstand halten, Spur halten und Spurwechsel nach Blinken), die Lenkung neigt allerdings etwas zum Hin- und Herwackeln und wirkt etwas instabil. Auf Landstraßen und in Baustellen macht der „X-Pilot“ zu viele Fehler und selbst auf gerader Strecke kann die leicht ruckelige Spurhaltung mit der Zeit unangenehm werden. Das macht die Konkurrenz aus Deutschland noch besser. Richtig gut sind allerdings Einparkhilfe und 360°-Kamera. Hier funktioniert alles wie es soll.

Gekommen, um zu bleiben

Xpeng hat bei seiner deutschen Markteinführung fast alles richtig gemacht, der P7 ist ein ausgereifteres und besseres Auto als fast alle anderen China-Modelle. Vor allem die flüssige Software, die günstigen Verbrauchswerte und die hohe Ladeleistung heben ihn von der restlichen fernöstlichen Konkurrenz ab. Über kleinere Fehler kann man angesichts des guten Preis-Leistungs-Verhältnisses aber hinwegsehen.
Neue Sterne haben wir schon viele am automobilen Himmel gesehen. Die ersten sind schon wieder untergegangen, viele weitere werden wohl noch folgen. Xpeng hingegen scheint einer zu sein, der gekommen ist, um zu bleiben. Der P7 rollt als Hecktriebler ab 49.600 Euro zu den Kunden – eine adäquate Antwort hatte die deutsche Autoindustrie in dieser Preisklasse bislang nicht parat. Kürzlich haben wir übrigens auch den großen Bruder des P7 getestet, das E-SUV Xpeng G9. Diesen Testbericht findet ihr hier.

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