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Der verurteilte Anwalt darf nicht erneut Anwalt werden

17 Jahre nach einer Verurteilung wollte ein Anwalt wieder Anwalt werden. Das bloße Zeitverstreichen reiche nicht aus, um berufsrechtlich wieder einer Anwaltstätigkeit würdig zu sein, so der BGH. Man muss es aufrichtig wollen.

Ein wegen Betrugs verurteilter Anwalt wollte nach 17 Jahren wieder in seinen zuvor ausgeübten Anwaltsberuf zurückkehren. Die Rechtsanwaltskammer nahm seine Anträge auf Zulassung jedoch nicht an und auch das Saarländische Anwaltsgericht (AGH) ging hart vor: Die Kammer musste den Mann nicht wieder als Rechtsanwalt zulassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun bestätigt: Die Zeit kann vieles heilen, mangelnde Reue gehört jedoch nicht dazu (Beschluss vom 22.09.2025, Az. AnwZ (Brfg) 28/25).

Der Mann wurde 1988 erstmals als Rechtsanwalt zugelassen. Er übte den Beruf mehr als zwanzig Jahre lang ohne Probleme aus. Doch 2010 endete seine Anwaltskarriere: Das Landgericht (LG) Saarbrücken verurteilte ihn wegen Banden- und Gewerbebetrugs (§ 263 Abs. 1, 3 Nr. 1 StGB) in acht Fällen zu einer zweijährigen Haftstrafe zur Bewährung. Zusammen mit Komplizen hatte er fiktive Verkehrsunfälle beigelegt und Versicherungen um rund 88.000 Euro betrogen. Darüber hinaus wurde ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen.

Der Bewerber muss der Ausübung des Anwaltsberufs würdig sein

Grundsätzlich bedeutet der Entzug der Anwaltslizenz nicht zwangsläufig das endgültige Aus. Nach Prüfung durch die Anwaltskammer kann er es erneut erhalten. Allerdings gibt es bestimmte Ausschlussgründe, von denen im vorliegenden Fall § 7 Satz 1 Nr. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die entscheidende Rolle spielte. Danach kann die Wiederaufnahme verweigert werden, wenn der Bewerber zur Ausübung des Anwaltsberufs unwürdig erscheint.

Diese Unwürdigkeit kann mit der Zeit verschwinden, beispielsweise wenn sich der Betroffene über die Jahre bewährt hat. Voraussetzung hierfür ist eine sogenannte Wohlverhaltensphase, in der der Bewerber zeigt, dass früheres Fehlverhalten nicht mehr seiner Persönlichkeit entspricht. Gerichte berücksichtigen dabei insbesondere die Schwere des Fehlverhaltens zum jeweiligen Zeitpunkt, den Zeitverlauf und die spätere Lebensführung.

Auf dieser Grundlage beantragte der heute 73-Jährige, der gerne wieder Anwalt werden möchte, im Jahr 2018 erstmals eine Wiederzulassung, hatte jedoch keinen Erfolg. Im Januar 2024 startete er einen zweiten Versuch. Sein Argument: Es sei genug Zeit vergangen und er führe nun wieder ein einwandfreies Leben. Auch er lebt in geordneten Verhältnissen und engagiert sich auch in der Gesellschaft.

Doch die Rechtsanwaltskammer blieb ebenso unbeeindruckt wie die Saarländische AGH und nun der BGH. Sie alle sahen keinen Grund, dem verurteilten Anwalt eine erneute Anwaltstätigkeit zu gestatten.

Die Zeit heilt nicht alles

Der BGH betonte erneut, dass früheres Fehlverhalten mit der Zeit an Gewicht verlieren könne. Aber am Ende kommt es immer auf die Gesamtbeurteilung eines Falles an: Wie schwerwiegend war das Fehlverhalten? Wie hat sich der Antragsteller seitdem verhalten? Und ist das Vertrauen der Öffentlichkeit wirklich wiederhergestellt?

Gerade bei Straftaten im Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit – also wenn jemand, wie hier, im Talar agiert und dabei das besondere Vertrauen seines Berufsstandes ausgenutzt hat, hilft es laut BGH nicht, einfach Zeit verstreichen zu lassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Wartefrist von 15 bis 20 Jahren notwendig, führt jedoch nicht automatisch zu einem Anspruch auf Wiederzulassung. Es müsste auch echte Reue und Wiedergutmachung vorhanden sein. Oder wie es der BGH nüchtern ausdrückt: Der Antragsteller muss sich seitdem „tadellos“ verhalten haben.

Aus Sicht des BGH lag genau hier das Problem: Der auf Wiederzulassung klagende Anwalt hatte nur rund 9.800 Euro des damals entstandenen Schadens bezahlt – also kaum mehr als zehn Prozent der Gesamtsumme. Und das nur, weil es einen Titel gegen ihn gab. Freiwillige Zahlungen? Keiner. Kontaktaufnahme mit den geschädigten Versicherungsgesellschaften? Auch nicht.

Zudem missfiel dem Bundesgerichtshof, wie der Anwalt die Sache auf sich beruhen ließ, getreu dem Motto: Irgendwann ist alles gut. Dass der Anwalt darauf hingewiesen hat, dass die Versicherungen nie Kontakt zu uns aufgenommen hätten, dass dort nach all den Jahren kaum noch jemand Unterlagen hätte und alles verjährt sei, zeugt laut BGH nicht gerade von ernsthafter Reue für sein Fehlverhalten. Wer sich auf bloße Formalitäten verlässt, anstatt ernsthafte Reue zu zeigen und vom Geschädigten (in diesem Fall der Versicherung) Wiedergutmachung zu verlangen, offenbart nach Ansicht des Senats vor allem eines: mangelnde Einsicht.

Zu hoch angesetztes Einkommen: eigene Schuld

Wegen eines angeblichen Rechenfehlers versuchte der klagende Anwalt, dem Rechtsstreit zu entgehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem AGH gab er sein Einkommen viel zu hoch an und vergaß schlicht die Abzüge für Krankenversicherung und Kreditraten. Nur aus diesem Grund ging das Anwaltsgericht (AGH) davon aus, den verbleibenden Schaden problemlos begleichen zu können, was jedoch überhaupt nicht der Realität entspricht.

Dies ließ der BGH jedoch nicht gelten. Bei der Beurteilung seiner Wiedergutmachungsbereitschaft berücksichtigte die AGH lediglich das Einkommen des Mannes. Entscheidend ist nicht, wie viel Geld der Mann tatsächlich zur Verfügung hatte, sondern dass er einfach jahrelang nichts unternommen hat, um den Schaden zumindest ansatzweise auszugleichen. Es liegt auch kein Verstoß gegen die behördliche Ermittlungspflicht vor: Wer unvollständige Angaben macht, kann sich später nicht darauf berufen, das Gericht habe nicht genügend Fragen gestellt.

Der BGH fasste zusammen: Es sei nicht erkennbar, dass der Anwalt tatsächlich zahlen wollte, es aber einfach nicht konnte. Stattdessen zeigte er einfach kein ernsthaftes Interesse an einer Wiedergutmachung.

Kein endgültiges Berufsverbot

Auch der Einwand des Mannes, dass die Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und des AGH seine Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verletzten, wurde vom BGH nicht akzeptiert. Von einem lebenslangen Berufsverbot könne laut BGH keine Rede sein, da die Ablehnung nur für den aktuellen Zeitpunkt gelte. Eine erneute Zulassung bleibt möglich – und zwar irgendwann, wenn sich der Anwalt über einen längeren Zeitraum hinweg einwandfrei verhält.

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Mann mittlerweile 73 Jahre alt sei und die verbleibende Zeit für die notwendige Wohlverhaltensphase überschaubar sein dürfte, so der BGH. Entscheidend ist nur, ob irgendwann alle Zweifel an seiner Integrität ausgeräumt sind.

xp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Berufsrecht: . In: Legal Tribune Online, 30. Oktober 2025, https://www.lto.de/persistent/a_id/58498 (abgerufen am: 30. Oktober 2025)


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