Eine Sekunde Unachtsamkeit, ein falscher Griff – und ein Leben ist vorbei. Innerhalb weniger Wochen sind zwei Radfahrer ums Leben gekommen, weil Fahrer unachtsam ihre Türen geöffnet haben – ein Unfall, der als „Dooring“ bezeichnet wird. Um solche Unfälle zu verhindern, gibt es einen einfachen Trick: den sogenannten „Dutch Handle“. Es ist äußerst wirksam, aber hierzulande weiß fast niemand davon – das soll sich ändern.
„Dooring“ klingt harmlos, ist aber lebensgefährlich. Gemeint sind Unfälle, bei denen ein Auto oder Passagier eine Tür öffnet, ohne hinter sich zu schauen. Radfahrer haben oft keine Chance, dem Zusammenstoß auszuweichen, was zu einem Zusammenstoß mit tödlichen Folgen führt.
18 Tage, zwei Unfälle, zwei Todesfälle
Mitte September starb in Bahrenfeld ein 57-jähriger Pedelec-Fahrer, als ein Autofahrer plötzlich die Tür öffnete. Nur 18 Tage später wiederholt sich das Drama: In Rotherbaum wird ein 41-jähriger Radfahrer von einer aufschwingenden Beifahrertür angefahren. Beide kämpften tagelang im Krankenhaus um ihr Leben – und starben schließlich an ihren Verletzungen.
Der Radfahrer prallte gegen die offene Beifahrertür. CityNewsTV

Beide Fälle sind Teil einer besorgniserregenden Statistik: Im Jahr 2025 sind bereits zehn Radfahrer bei Unfällen ums Leben gekommen, so viele wie im gesamten Vorjahr. Im ersten Quartal 2025 registrierte die Polizei 683 Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern, ein Anstieg von 15,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Allein bis Ende März starben drei Radfahrer, die Zahl der leichten Verletzungen stieg um 21 Prozent. In 157 Fällen kam es zu Unfällen beim Ein- und Aussteigen – Situationen, in denen unachtsam geöffnete Türen für Radfahrer zur tödlichen Falle werden können.
ADFC fordert verbindliche Maßnahmen
Der „holländische Griff“ – wer mit der rechten Hand nach der Tür greift, blickt automatisch über die Schulter, um sich zu retten. Florian Quandt
„Wir sind schockiert und fassungslos, in diesem Jahr um den elften getöteten Radfahrer trauern zu müssen. Und das in immer kürzeren Abständen“, sagt Dirk Lau vom ADFC Hamburg. „Diese Unfälle sind nicht tragisch, sie sind vermeidbar – auch durch mehr Kontrollen und durch die niederländische Regelung. Es muss für Autofahrer zur Pflicht werden.“
Ein Griff, der Leben retten kann
In den Niederlanden wird in Fahrschulen bereits der sogenannte „Dutch Grip“ gelehrt. Der Bewegungsablauf ist einfach: Wer hinter dem Lenkrad sitzt, öffnet die Tür mit der weiter entfernten, also rechten Hand. Dadurch dreht sich der Oberkörper automatisch, der Kopf folgt der Bewegung und der Blick fällt zurück über die Schulter. Dadurch erfolgt der Blick über die Schulter automatisch und verhindert, dass Radfahrer übersehen werden. Mittlerweile wird diese Methode in Ländern wie Großbritannien und den USA offiziell empfohlen.
Frage der Woche: Wie stimmen Sie bei der Hamburger „Zukunftsentscheidung“ ab?
In Deutschland ist es jedoch kaum bekannt. „Am Ende der praktischen Prüfung fällt der niederländische Griff unter sicheres Parken“, erklärt Michael Witt, Vorsitzender des Hamburger Fahrlehrerverbandes. In der Theorieprüfung wird es jedoch nicht abgefragt. Wie gut Fahrschüler dies verinnerlichen, hängt laut Witt maßgeblich von der Umgebung ab: „Wer in der Stadt fährt, trifft ständig auf Radfahrer und wird automatisch sensibler. Auf dem Land fehlt diese Routine – die Geste nach der Prüfung gerät oft schnell in Vergessenheit.“
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Am Sonntag gedenkt der ADFC Hamburg des verstorbenen Radfahrers. Dirk Lau sagte: „Wir fragen uns: Wie viele müssen noch sterben, bis Senat und Innenbehörde endlich etwas gegen das Töten auf Hamburgs Straßen unternehmen?“