Nach Recherchen der Financial Times hatte die Raffinerie der Mittal Group Rohöl von Tankern gekauft, die amerikanischen Sanktionen unterlagen. Nun musste das Unternehmen Konsequenzen ziehen.

Der russische Öltanker „Primorye“ gehört zu den Schiffen, die Öl an die indische Raffinerie von Mittal geliefert haben sollen.
Yoruk Isik/Reuters
Die neuen US-Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil zeigen Wirkung: Das Unternehmen des Milliardärs Lakshmi Mittal kündigte vergangene Woche als erster Ölkonzern Indiens an, alle Ölimporte aus Russland zu stoppen. Der Energiekonzern HMEL, der zu gleichen Teilen Mittal Energy und der staatlichen Hindustan Petroleum Corporation gehört, hat nach Beginn des Ukraine-Krieges seine Importe von billigem Rohöl aus Russland stark erhöht. In den USA gerät diese Politik zuletzt zunehmend in die Kritik.
Der Export von Rohöl ist für den Kreml eine der wichtigsten Quellen zur Finanzierung seines Angriffskrieges in der Ukraine. Nach China ist Indien der größte Abnehmer von russischem Öl. Um das Land davon zu überzeugen, die Ölimporte zu stoppen, verhängte die Regierung von Donald Trump im August 50-prozentige Zölle auf indische Exporte in die USA. Letzte Woche verhängte Trump außerdem Sanktionen gegen die beiden größten russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil.
Wenn indische Raffinerien an ihren Deals mit Rosneft und Lukoil festhalten, laufen sie Gefahr, vom amerikanischen Finanzsystem abgeschnitten zu werden. Die Reliance Group des Milliardärs Mukesh Ambani, der mit Abstand größte Käufer, hat wie andere Raffinerien signalisiert, dass sie Importe aus Russland überprüfen werde. Allerdings ist HMEL der erste Ölkonzern, der erklärt, dass er den Kauf von russischem Öl seit der Verhängung der Sanktionen komplett einstellen wird.
Geheime Schiff-zu-Schiff-Transfers auf hoher See
Vorausgegangen waren Enthüllungen in der Financial Times über die Importe von HMEL. Wie die Zeitung letzte Woche berichtete, wurde die Raffinerie Guru Gobind Singh des Mittal-Konzerns wiederholt von Öltankern beliefert, die westlichen Sanktionen unterliegen. Dem Bericht zufolge brachten die Öltanker zwischen Juli und September Öllieferungen im Wert von insgesamt 280 Millionen US-Dollar vom russischen Hafen Murmansk in den Golf von Oman. Dort wurden sie auf einen anderen Tanker umgeladen, der das Öl nach Indien brachte.
Nach Recherchen der Financial Times handelt es sich bei diesem Tanker um die „Samadha“. Im Gegensatz zu den vier anderen Tankern unterliegt es nicht den Sanktionen der USA – wohl aber Sanktionen der Europäischen Union, Großbritanniens und der Schweiz. Satellitenbilder deuten darauf hin, dass das russische Öl im Golf von Oman heimlich von den anderen Tankern auf die „Samadha“ umgeladen wurde. Anschließend brachte sie das Öl in den indischen Hafen Mundra.
Angesichts dieser Recherchen erklärte die HMEL-Gruppe, dass sie das Öl unter der Voraussetzung gekauft habe, dass es an den Bestimmungshafen geliefert werde. Er hat daher mit dem Transport nichts zu tun. Er weiß auch nicht, mit welchen Schiffen das Öl geliefert wird. Die Tatsache, dass das Öl heimlich auf hoher See auf einen anderen Tanker umgeladen wurde, der nicht den US-Sanktionen unterlag, deutet darauf hin, dass das Unternehmen versucht hat, seine Herkunft zu verschleiern.
Für Lakshmi Mittal sind die Enthüllungen unangenehm
Die Enthüllungen kommen nicht völlig überraschend. Es ist seit langem bekannt, dass Schiffe der russischen Schattenflotte für den Ölimport nach Indien eingesetzt werden. Dabei handelt es sich meist um ältere Tanker fraglicher Herkunft. Die meisten dieser Schiffe waren in den letzten Jahren Sanktionen der USA, der EU und anderer westlicher Länder ausgesetzt. Zukünftig dürfte auch „Samadha“ dazu gehören. Am Donnerstag befand es sich nach Angaben des Ortungsdienstes Marine Traffic vor dem russischen Ölhafen Murmansk.
Lakshmi Mittal findet es unangenehm, mit solch zwielichtigen Geschäften in Verbindung gebracht zu werden. Sein ArcelorMittal-Konzern ist der größte Stahlproduzent der Welt und betreibt rund 60 Werke in zwei Dutzend Ländern auf der ganzen Welt. Der 75-jährige indische Firmengründer und seine Familie leben seit dreißig Jahren in London. Mit einem geschätzten Vermögen von 14,9 Milliarden Pfund gehören sie zu den reichsten Menschen Großbritanniens.
Medienberichten zufolge erwägt der Tycoon jedoch, Großbritannien zu verlassen. Grund ist eine Steuerreform der Labour-Regierung, die die Bedingungen für ausländische Steuerzahler verschärfen würde. Künftig müssten sie auch Einkünfte im Ausland versteuern. Auch andere Milliardäre denken daher darüber nach, Großbritannien zu verlassen. Eine Option für Mittal könnte die Schweiz sein, wo er bereits ein großes Chalet in St. Moritz besitzt.
