Der BSW scheiterte im Februar am Einzug in den Deutschen Bundestag, da ihm lediglich 9.500 Stimmen fehlten. Seitdem fordert die Partei eine bundesweite Neuauszählung. Dies könnte die Machtverteilung im Bundestag ins Wanken bringen.
Nur wenige Tausend Stimmen trennten das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vom Einzug in den Deutschen Bundestag – und die Republik von wochen- oder gar monatelangem politischen Stillstand.
Bei der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres scheiterte der BSW, der künftig Bündnis für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft heißen wird, mit 4,981 Prozent nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Für Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht war von Anfang an klar, dass dies nicht auf die richtige Weise passieren konnte.
9.500 Stimmen fehlen
Ihre Vorwürfe richteten sich zunächst vor allem gegen die Medien und Meinungsforschungsinstitute, die sie im Wahlkampf ungerecht behandelt hätten. Doch da das Ergebnis für den BSW in einigen Wahlkreisen nachträglich nach oben korrigiert werden musste, ist für Wagenknecht und ihre Mitstreiter klar: Es braucht eine bundesweite Neuauszählung der Bundestagswahl. Der BSW hofft, die fehlenden 9.500 Stimmen doch noch zu finden.
Im Podcast „Berliner Kodex“ weist Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena darauf hin, dass dafür noch viel passieren muss. Ein Fehler ist nur dann relevant, wenn er tatsächlich Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestages hat. Angesichts der Tatsache, dass in einzelnen Stichproben bereits zusätzliche Stimmen für den BSW gefunden wurden, hält es Brenner nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, dass eine genauere Prüfung zu einem späteren Einzug der Partei in den Bundestag führen könnte.
Bundestag beschließt Neuauszählung
Die Entscheidung, ob es zu einer Neuauszählung kommt, trifft zunächst der Bundestag selbst. Insgesamt gingen beim Wahlprüfungsausschuss 1.031 Einsprüche gegen das Ergebnis der Bundestagswahl ein. Dem Gremium gehören neun Mitglieder an – Union und SPD stellen mit insgesamt fünf Mitgliedern die Mehrheit.
126 Einsprüche wurden bereits unter anderem aufgrund von Formfehlern abgelehnt, etwa weil die Unterschrift fehlte oder der Einspruch per E-Mail versandt wurde. Über den überwiegenden Teil ist jedoch noch keine Entscheidung gefallen.
Wagenknecht selbst lässt viel zu lange. Sie wandte sich diese Woche über ihren Telegram-Kanal an ihre Fans. „Das sieht nach einer ‚angemessenen Frist‘ aus“, heißt es dort, und: „Handeln Sie endlich, Frau Klöckner!“ Der BSW-Chef hat kürzlich einen Brief an den Bundestagspräsidenten geschickt. Darin werfen Wagenknecht und ihre Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali dem Parlament vorsätzliches Zeitspiel vor und drohen mit einem erneuten Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Eine Klage auf Neuauszählung der Bundestagswahl im Juni lehnte das Gericht zunächst ab.
Darauf warte ich Wahlprüfungsausschuss
Die bisherige Testdauer hält sich auf jeden Fall im Rahmen. Nach der vorletzten Bundestagswahl hat der Wahlprüfungsausschuss gut 13 Monate gebraucht, um zu entscheiden, dass die Wahl in Berlin teilweise wiederholt werden muss. Und die Gründe dafür waren viel offensichtlicher.
Im Fall des BSW ist die Sache jedoch deutlich schwieriger zu verstehen. Es muss geklärt werden, an welcher Stelle Fehler aufgetreten sein könnten und ob es sich um einen systematischen Fehler handelt. Nur letzteres würde eine vollständige Neuzählung rechtfertigen.
Allerdings ist die Kritik des BSW nicht völlig von der Hand zu weisen. Der Wahlverifizierungsausschuss trat erst drei Monate nach der Wahl zu seiner ersten Sitzung zusammen und traf sich nur dreimal. Es ist auch völlig offen, wann das Gremium eine Entscheidung treffen wird. Zuletzt haben wir gehört: möglicherweise bis Ende des Jahres.
Die schwarz-rote Mehrheit im Bundestag wäre weg
Fakt ist: Die Entscheidung hat Gewicht. Sollte es zu einer Neuauszählung kommen und die fehlenden Stimmen des BSW aufgedeckt werden, hätten Union und SPD keine Mehrheit mehr im Bundestag. Obwohl Sie als Minderheitsregierung weitermachen könnten, wäre es viel schwieriger, über Gesetzesvorschläge zu verhandeln.
Das wahrscheinlichste Szenario wären wohl Koalitionsverhandlungen für ein Viererbündnis aus CDU, CSU, SPD und Grünen. Dies könnte einige Zeit dauern und würde zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der Regierung führen.
