Italiener haben ein Talent für Vokale, aber nicht für Konsonanten, schon gar nicht für doppelte oder gehauchte. Doch als der Redner am Montagabend im Stadio Olimpico in Rom die Auswechslung von „Maz Ummels“ ankündigte, brach sogar von der bekanntermaßen besonders kritischen Tribuna Tevere Applaus aus. Schließlich wusste jeder, dass er den deutschen Verteidiger Mats Hummels meinte, der eine Dreiviertelstunde lang die berüchtigte Angriffsreihe von Atalanta Bergamo zur Verzweiflung gebracht hatte.
Hummels verzog das Gesicht, seine Oberschenkel und sein Rücken schmerzten nach 74 Minuten so sehr, dass der 35-jährige Spieler des AS Rom nicht mehr weitermachen konnte. Eine Verletzung, und sei es nur muskulärer Natur, war eigentlich das Letzte, was sich Hummels nach alptraumhaften Wochen in Italien hätte wünschen können.
Mats Hummels zunächst als Hauptdarsteller, dann verletzt
Aus der Ferne betrachtet war die 0:2 (0:0)-Heimniederlage des AS Rom gegen Atalanta Bergamo die nächste kleine Katastrophe im neuen italienischen Fußballleben des Verteidigers. Der Verein, zu dem er im September wechselte, befindet sich in einer Dauerkrise und liegt in der Tabelle der Serie A auf dem 13. Platz. Nur zwei Punkte trennen die Roma von den Abstiegsplätzen.
Doch bei näherer Betrachtung fühlte sich das Spiel wie eine kleine Auferstehung an. Der ehemalige deutsche Nationalspieler war der Hauptakteur und dieses Mal sogar im positiven Sinne, vielleicht deutete das Spiel sogar einen Wendepunkt für AS Rom an. „Hummels war fast 75 Minuten lang der beste Mann auf dem Platz“, sagte Corriere dello Sport.
Wer hätte nach Hummels ersten Monaten in Italien gedacht, dass das möglich wäre? Kaum war der ehemalige Verteidiger von Borussia Dortmund in Rom angekommen, wurde Trainer Daniele De Rossi gefeuert. Sein Nachfolger Ivan Juric zeigte zunächst keinerlei Vertrauen in den Deutschen. Es sah so aus, als würde eine großartige Fußballkarriere ein trauriges Ende nehmen. Als der Kroate Juric Ende Oktober erstmals den Einsatz von Hummels wagte, schoss der Ersatzverteidiger prompt ein Eigentor zum 1:5-Endstand gegen AC Florenz.
Auch Juric wurde wegen Versagens entlassen. Mitte November übernahm der Oldie und protorömische Trainer Claudio Ranieri das Amt. Bei seinem Trainerdebüt vor zwei Wochen ersetzte er Hummels zur Halbzeit gegen den SSC Neapel. Sein direkter Gegner Romelu Lukaku erzielte den Siegtreffer zum 1:0 – der nächste Rückschlag.
Ranieri, der als freundlicher Sturkopf bekannt ist, gab nicht auf und brachte Hummels im Europa-League-Spiel gegen Tottenham Hotspur am vergangenen Donnerstag von der ersten Minute an ins Spiel. Hummels schien nahtlos an seine unglücklichen Leistungen anzuknüpfen. Nach drei Minuten kassierte er einen Elfmeter, der zum 1:0 für die Londoner führte. Aber Ranieri hatte, wie bereits klar war, der Mannschaft neues Selbstvertrauen eingeflößt. Ausgerechnet in der Nachspielzeit erzielte Hummels den 2:2-Ausgleich für die Roma und feierte seinen ersten italienischen Erfolg.
„Der deutsche Professor ist zurück“
Dann kam Atalanta Bergamo. Die Mannschaft von Gian Piero Gasperini ist im Fußball derzeit ein echter Renner, nicht nur in der Serie A, sondern auch in Europa. Der Verein liegt in der Champions-League-Tabelle auf dem fünften und in der Serie A auf dem zweiten Platz, nur einen Punkt hinter Spitzenreiter SSC Neapel. Besonders gefürchtet ist das Atalanta-Triumvirat im Angriff mit Mateo Retegui, Ademola Lookman und Charles De Ketelaere.
Atalanta ist ein europäisches Spitzenteam, hatte aber am Montagabend in Rom fast 70 Minuten lang extrem zu kämpfen. Denn ein Mann schloss die Reihen der AS Rom ab, von dem das nicht mehr zu erwarten war. „Der deutsche Professor ist zurück“, sagte „Il Messaggero“ über Hummels. Atalantas Mittelstürmer Retegui, mit zwölf Toren bester Torschütze der Serie A, scheiterte nicht am Routinier. Laut „Messaggero“ nahm der Weltmeister von 2014 ihm „mit lächerlicher Leichtigkeit“ die Bälle ab.
Und doch hat Roma verloren. Es war nicht Hummels, der einen Distanzschuss von Marten de Roon abwehrte, sondern sein Teamkollege Zeki Çelik (0:1, 69. Minute). Gasperini hatte zuvor sein Angriffstrio ausgetauscht und das Mittelfeld verstärkt. Vor seiner Einwechslung beeindruckte Hummels mit beherzten Tacklings, doch Atalanta behielt dennoch die Oberhand. Kurz vor Schluss sorgte der ehemalige Römer Nicolò Zaniolo mit einem Kopfball nach einer Ecke für das 0:2 (89. Minute).
Trainer Ranieri war mit der Leistung seiner Mannschaft dennoch zufrieden. „Wenn wir so weitermachen, wird es gut“, sagte der 73-Jährige, den die Tifosi mit Transparenten anfeuerten. Trotz der Niederlage erhielt die Mannschaft zum ersten Mal seit langer Zeit Applaus aus der Ecke. Die Spieler bedankten sich schüchtern bei ihren Fans. Hummels Verletzung soll eher auf Müdigkeit zurückzuführen sein. Ein Spiel gegen US Lecce am Samstag kann nicht ausgeschlossen werden.