Nachrichtenportal Deutschland

Der Berliner S-Bahn-Chef Peter Buchner stirbt vier Tage vor seinem Geburtstag

Er war ein außergewöhnlicher Manager. Ein Bahnchef, der viel mit der Bahn unterwegs war. Ein S-Bahn-Fan, der sichtlich zu leiden hatte, als Züge ausfielen und die Verspätungen zunahmen. Ein Kommunikator, der authentisch blieb und sich bei den Beratungstagen des IGEB-Fahrgastverbandes nicht scheute, selbst die entlegensten Spezialfragen geduldig zu beantworten. Am Dienstag ist Peter Buchner, Chef der Berliner S-Bahn, nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 58 Jahren gestorben, vier Tage vor seinem 59. Geburtstag.

„Eine Woche ohne Zug ist nichts für mich“, sagte Peter Buchner einmal. Sein Arbeitstag begann meist morgens im Bett, als er sich per Handy ein Bild von der Betriebslage bei der S-Bahn machte. „Wenn so früh mehr als zehn SMS eingegangen sind, möchte ich mich manchmal sofort hinlegen, aber das geht natürlich nicht.“ Stattdessen ging er zur Arbeit.

Peter Buchner am S-Bahnhof Nordbahnhof in Mitte. Der S-Bahn-Chef hatte sein Büro nebenan.Sabine Gudath

Peter Buchner, der mit seiner Familie in Potsdam lebte, trat nicht nur dann an Bahnhöfen und in Zügen auf, wenn Journalisten oder Kamerateams dort waren. Zum Bahnhof Griebnitzsee gelangte er mit der Buslinie 694 oder zu Fuß. Weiter ging es mit der S-Bahn zum Nordbahnhof, wo die S-Bahn Berlin GmbH ihren Sitz am Elisabeth-Schwarzhaupt-Platz hat, und am Ende des Tages auf derselben Strecke zurück. Jeder, der ihn kannte, konnte unterwegs mit ihm sprechen. Zu Hause in Potsdam erinnerte ihn eine alte S-Bahn-Bank, die er 1992 im Zimmer seines Sohnes Max gekauft hatte, an seinen Arbeitsplatz.

Man kann sagen, dass der gebürtige Bayer am 2. Juli 2009 die stressigste Chefposition übernommen hat, die es in Berlin zu dieser Zeit gab. Das Angebot erhielt der 42-Jährige während eines Treffens der Marketingleiter von DB Regio mit einem Dampfzug in der Nähe von Radebeul. Zu dieser Zeit erlebte die Berliner S-Bahn-Krise ihren größten, ärgerlichsten und peinlichsten Höhepunkt. Sie machte Berlin schon vor den Skandalen um die BER-Baustelle in Deutschland zum Gespött.

Einerseits wurde deutlich, dass die Radscheiben der Baureihe 481/482, die mit tausend Wagen immer noch der wichtigste S-Bahn-Typ ist, nicht langlebig waren. Andererseits kamen täglich neue Missstände ans Licht, die zeigten, dass in den Werkstätten Vorschriften nicht eingehalten wurden – oft zu Lasten der Sicherheit. Kritiker führten die Krise auf die rigiden Sparmaßnahmen zurück, die die Bahngesellschaft im Zuge des geplanten Börsengangs durchgesetzt hatte. Andere gaben an, dass auch intern etwas nicht stimmte.

Fast ein Jahr lang Leiter der Usedomer Bäderbahn

Wie dem auch sei, die in überfüllten Kurzzügen schwitzenden Fahrgäste wollten von Peter Buchner wissen, wann die aus Sicherheitsgründen stillgelegten Züge endlich wieder zum Einsatz kommen würden. Der Betriebsrat forderte, den Stellenabbau zu beenden und die Werkstätten dauerhaft mit genügend Personal zu versorgen, damit alle Züge besser als bisher gewartet werden könnten. Und auch die Politik drängte auf Besserung – obwohl sie der Entwicklung lange Zeit tatenlos zugeschaut hatte.

Die Menschen in Berlin und Brandenburg könnten davon ausgehen, dass sich der neue S-Bahn-Chef für sie einsetzen würde. Denn die Eisenbahn war ihm schon immer ein Herzensthema. 1989 gehörte Buchner, der sich in seiner Heimatgemeinde Pfarrkirchen bereits als Kind für die Bahn begeisterte, zu den Gründern des Bayerischen Pro-Bahn-Landesverbandes. Nach seinem Zivildienst wurde er als Schlaf- und Liegewärter eingestellt. Als Bistrosteward verkaufte er Bier und Brötchen an Interregio-Passagiere – und lernte dabei seine Frau kennen, die damals als aufstrebende Innenarchitektin an Zugküchen arbeitete.

So wunderte es seine Freunde nicht, dass Buchner als Betriebswirt der Bahn treu blieb und dort 1993 seine Managerkarriere begann. Sein Chef Heinz Dürr schickte ihn an die Ostsee, wo er knapp ein Jahr lang kaufmännischer Leiter der neu gegründeten Usedomer Bäderbahn war. 1997 ging Buchner zur DB Regio.

„Eine bizarre, aber damals völlig normale Transfersituation“

Schon früh lernte er die Berliner S-Bahn kennen. Als er während eines Schulausflugs in den 1980er Jahren zum ersten Mal in Berlin war, fuhr er mit ihr zum Wannsee. Damals lag die S-Bahn, die bis Anfang 1984 auch im Westen von der Deutschen Reichsbahn betrieben wurde, im Sterben. „Ich war fasziniert zu sehen, wie ein ganzes Transportsystem in einer Art Zeitkapsel überleben konnte“, erinnert er sich.

Im Labyrinth des Bahnhofs Friedrichstraße, der gleichzeitig DDR-Grenzübergangsstelle war, erlebte er eine Umsteigesituation, die „aus heutiger Sicht bizarr, damals aber völlig normal war. Im Nord-Süd-Tunnel fuhr ich zurück nach West-Berlin, vorbei an Geisterbahnhöfen, die von DDR-Grenzsoldaten bewacht wurden“, sagte Buchner.

Mit der BVG rückte ein neues Sorgenkind in den Blick

Peter Buchner war mehr als 16 Jahre lang Chef der S-Bahn – zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung und Geschäftsführer Marketing. Die Wiedereröffnung der Werkstatt Friedrichsfelde im Jahr 2010 stellt seinen Kurs dar: Dinge verändern, aber Vertrauen nach innen und außen schaffen und bewahren. So kam die S-Bahn aus der Krise, während mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ein neues Sorgenkind in Sicht kam.

Heute häufen sich die Probleme erneut. Fahrgäste ärgern sich über Zugausfälle und Verspätungen. „Der S-Bahn-Chef soll endlich gehen“, forderte eine Zeitung. Den verärgerten Kunden hilft es zwar nicht, aber für einen Großteil des Ärgers ist nicht die S-Bahn Berlin GmbH verantwortlich, sondern der Infrastrukturbetreiber DB InfraGO.

In seinem letzten Gespräch mit der Berliner Zeitung, das er am 16. September führte, ging es ebenfalls um die Störungen in der Stellwerkstechnik der Stadtbahn, aber auch um die Baureihe 481/482, die wieder in die Werkstatt musste. Bei der Teambesprechung, an der er zu Hause teilnahm, fühlte er sich sichtlich unwohl. Aber wie immer war er technisch an der Spitze. Manchmal lachte Peter Buchner sogar. Trotz der Schmerzen, die ihm die Krebserkrankung bereitete, ließ er sich dadurch die Freude an seinem Beruf nicht nehmen. Obwohl eine weitere Krankheit ihn seiner Stimme zu berauben drohte, stand er für Gespräche zur Verfügung.

Bonde lobt den „bewundernswerten offenen Umgang mit der Krankheit“

Mit Buchner verliere Berlin „einen echten Eisenbahner, der den Nahverkehr in unserer Region über Jahrzehnte mitgeprägt hat“, sagte Michael Bartl, Landesvorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. „Vom Schlafwagenschaffner zum S-Bahn-Chef. Immer mit Herz. Ohne ihn wäre die S-Bahn nicht so gut aus der Krise gekommen“, sagte der SPD-Abgeordnete Sven Heinemann. Er erinnerte an das gesellschaftliche Engagement: Impfung S-Bahn, Flüchtlingshilfe, Kampf gegen AIDS. „Ich habe beruflich viel von ihm gelernt und dank seines besonderen Humors haben wir oft und herzlich gelacht“, berichtete Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU). „Dazu gehörte auch sein bewundernswert offener Umgang mit seiner Krankheit. Es berührt mich, wie er uns allen die Angst und Angst vor Fehlreaktionen genommen hat.“

„Der Tod von Peter Buchner hinterlässt eine Lücke, die mit Worten nicht zu beschreiben ist“, sagte Harmen van Zijderveld, Vorstand Regionalverkehr der DB AG und Aufsichtsratsvorsitzender der S-Bahn Berlin GmbH. „Mit Verantwortungsbewusstsein und Weitsicht führte er nach seinem Amtsantritt die Berliner S-Bahn Schritt für Schritt aus einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte und kämpfte täglich um das Vertrauen der Fahrgäste. Er trotzte bis zuletzt seiner schweren Erkrankung und setzte sich unermüdlich für die Fahrgäste und Mitarbeiter seiner S-Bahn ein.“

Karsten Preißel, Geschäftsführer Produktion, übernimmt bis auf Weiteres interimistisch den Vorsitz der Geschäftsführung, teilte das Unternehmen mit.

Peter Buchner wehrte die Kritik an der S-Bahn nicht ab, er nahm sie auf sich. Jetzt müssen sich andere um die Berliner S-Bahn kümmern.

Die mobile Version verlassen