Millionen Ägypter stimmen heute für ein neues Parlament. Am Ausgang bestehen kaum Zweifel: Das Regime von Präsident al-Sisi hat unpopuläre Kandidaten aussortiert, um seine Macht auch in Zukunft zu sichern.
Die Probleme beginnen bereits damit, dass den Volksvertretern in Ägypten Informationen vorenthalten werden. „Niemand erfährt etwas von den Maßnahmen des Staates. Niemand im Parlament kann einfach nachfragen oder einen formellen Antrag stellen“, beklagt Mohammed Anwar al-Sadat. Der Neffe des ermordeten Präsidenten Anwar al-Sadat war selbst Parlamentsabgeordneter, bevor ihm das Parlament sein Mandat entzog. Grund waren Vorwürfe, die er bestreitet.
„Das Repräsentantenhaus unter der Herrschaft von Abdel Fattah al-Sisi ist ein Marionettenparlament“, sagt der Politologe Hossam Elhamalawy. Auf dem Papier hat es Macht, aber in der Praxis wird es nach dem Militärputsch 2013 von den Sicherheitsdiensten kontrolliert. „Seine Aufgabe ist es, allem, was der Präsident sagt, zuzustimmen, es zu ratifizieren und grünes Licht zu geben.“
Ein Parlament ohne echte Opposition
Das derzeitige Parlament besteht größtenteils aus Anhängern von al-Sisi. Niemand zweifelt daran, dass dies auch im nächsten Repräsentantenhaus der Fall sein wird. „Die Geheimdienste sorgen dafür, dass das Ergebnis der Wahlen bekannt ist, bevor sie überhaupt beginnen. Dies geschieht unter anderem durch den Ausschluss von Oppositionskandidaten“, erklärt Elhamalawy.
Hierfür gibt es eine Reihe von Genehmigungsvoraussetzungen. Beispielsweise müssten die Kandidaten einen Militärdienst absolviert haben und sich einem Drogen- und Alkoholtest unterziehen. Die Tests finden in einem Labor statt, das nicht unabhängig ist, sondern vom Staat kontrolliert wird.
Unter anderem aufgrund dieser Regelungen soll bis zum 23. Oktober 181 Kandidaten die Zulassung verweigert worden sein. Darüber hinaus wurden drei Wählerlisten disqualifiziert. Das Wahlgesetz sei so beschaffen, dass es Pluralismus ausschließt und ein Parlament ohne wirkliche Opposition oder Vertretung hervorbringt, schreibt das Tahrir-Institut für Nahostpolitik.
Treue Schergen haben die besten Chancen
Eine besondere Rolle werde das nächste Parlament spielen, sagt Politikwissenschaftler Elhamalawy. „Die Verfassung sieht vor, dass al-Sisis dritte Amtszeit als Präsident bis 2030 auch seine letzte ist. Er und seine Anhänger wollen nun unbedingt die Verfassung ändern, damit er über 2030 hinaus Präsident bleiben kann.“ Darüber wird das nächste Parlament entscheiden.
Im ägyptischen Repräsentantenhaus gibt es 596 Abgeordnete, von denen 568 gewählt werden. Der Rest wird vom Präsidenten ernannt, was in früheren Parlamenten genutzt wurde, um den Anteil von Frauen und Christen zu erhöhen.
Bei der Wahl haben die Kandidaten der großen regierungstreuen Parteien und Bündnisse die besten Chancen – Oligarchen, ehemalige Polizisten und Militärs sowie andere treue Favoriten. Sie werden vom Wahlrecht und den loyalen, meist staatlichen Medien begünstigt.
Politikwissenschaftler Elhamalawy: „Ein peinlicher Zirkus“
Der gesamte Wahlprozess wird vom Regimeapparat akribisch orchestriert. „Das Regime veranstaltet diesen peinlichen Zirkus, um den Staatsoberhäuptern im Ausland zu vermitteln, dass Ägypten eine funktionierende Demokratie ist“, sagt der Politologe Elhamalawy. „Jeder weiß, dass das nicht stimmt, aber alle machen diese Farce mit, auch die europäischen Regierungen.“
