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Das Luftverteidigungssystem Iris-T SLM wurde von der F125 erfolgreich getestet – wie geht es weiter?

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Nach erfolgreichen Testschüssen mit dem Flugabwehrsystem Iris-T SLM der Fregatte „Baden-Württemberg“ im norwegischen Andøya werten Experten des Bundeswehrbeschaffungsamtes BAAINBw nun die gewonnenen Daten aus mögliche Anpassungen für eine spätere Serienbeschaffung ermitteln. Wie groß das Auftragsvolumen letztendlich sein könnte, lässt sich derzeit nicht beziffern, heißt es in einer Stellungnahme des BAAINBw. Doch schon jetzt gilt: Der Test markiert einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem flexibleren und moderneren Luftverteidigungssystem für die Marine.

Nach Angaben der Behörden wurden mit dem von Diehl Defence entwickelten System drei scharfe Schüsse abgefeuert. Wie aus der Mitteilung hervorgeht, war das BAAINBw gemeinsam mit dem Hersteller für die Erprobung des normalerweise landgestützten Flugabwehrraketensystems bei Nacht und auf hoher See verantwortlich. Die Bordradarsysteme der Fregatte lieferten während der Schießübung kontinuierlich Daten, die direkt in die Software des Raketensystems eingespeist wurden. Dadurch entstand die erste funktionale Verbindung zwischen Schiffssensoren und dem Waffensystem. Das BAAINBw bezeichnet dies als einen wichtigen technologischen Meilenstein. Die Fregatte verfügt über das Luftüberwachungsradar TRMS-4D von Hensoldt, dessen Landversion in in der Ukraine im Einsatz befindlichen Iris-T-Systemen zum Einsatz kommt und als sehr leistungsstark gilt.

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Berichten zufolge wurden alle drei Raketen wie geplant abgefeuert. Berichten zufolge bekämpfte der Test unter anderem erfolgreich eine Drohne, die direkt auf das Schiff zuflog, und eine Drohne, die quer über das Schiff flog. Die Ziele sollen sowohl in großer als auch in geringer Höhe geflogen sein. Der Kampfeinsatz fand gut informierten Kreisen zufolge in einer Entfernung von deutlich über zehn Kilometern vom Schiff statt.

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Die Abwehr querfliegender Luftziele dürfte wichtig sein, um bei Bedarf andere Schiffe mit dem Iris-T SLM schützen zu können. Zum Selbstschutz verfügen die bisher flugabwehrtechnisch unzureichend ausgerüsteten Fregatten der Klasse 125 weiterhin über das RAM-System. Der Iris-T SLM würde bei einem Gerüst die zweite Abfangschicht abdecken.

Die Initiative zur Integration des IRIS-SLM-Systems ging laut Mitteilung des BAAINBw direkt von der Marine aus. Die Erfahrungen mit dem Einsatz luftgestützter Seeüberwachung während der Operation EUNAVFOR führten zu der Idee, eine wirksame Luftverteidigung auf Marineschiffen zu testen. Dort unterstützte die Fregatte „Hessen“ den Einsatz zum Schutz der Seewege im Roten Meer.

Durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium und dem BAAINBw war es möglich, das Projekt Iris-T SLM auf einer Fregatte in Rekordzeit umzusetzen: Bereits acht Monate nach der Entscheidung wurde der Vertrag mit dem Hersteller Diehl Defence unterzeichnet. Anschließend wurde die Fregatte Baden-Württemberg für den Testeinsatz vorbereitet. Von der ursprünglichen Idee bis zur Umsetzung und erfolgreichen Erprobung bei der Maritime Fireing Exercise vor der Küste Norwegens vergingen nur zehn Monate, wie das BAAINBw schreibt.

Mit dem erfolgreichen Test in Andøya hat die Marine laut BAAINBw nicht nur ein neues Kapitel in der Integration moderner Waffensysteme auf See aufgeschlagen. Damit wird auch deutlich, wie eng Technik, Prüfung und Beschaffung zusammenarbeiten müssen, um eine Verteidigungsfähigkeit auf höchstem Niveau sicherzustellen.

Sollte das Waffensystem für die Fregatte der Klasse 125 eingeführt werden, besteht möglicherweise die Möglichkeit, es auch auf andere Marineeinheiten anzuwenden. Nach aktuellen Plänen will die Bundeswehr künftig sogenannte Large Remote Missile Vessels beschaffen, die mit Lenkflugkörpern ausgerüstet werden.

Beobachter gehen davon aus, dass die bei den Schießereien in Norwegen eingesetzte Trägerrakete, die nur geringfügige Modifikationen zur Iris-T-Trägerrakete für das Landsystem aufweist, die auf einem LKW transportiert wird, in Zukunft voraussichtlich gründlich überarbeitet wird. Auf See werden weder Stützen benötigt, noch sind hydraulische Komponenten ideal für den Einsatz auf einem Schiff. Der Wegfall würde Platz und Gewicht sparen und es ermöglichen, zusätzlich zu den derzeit acht Raketenbehältern weitere zu installieren. Eine deutliche Erhöhung sollte diskutiert werden.

Der auf der Fregatte eingesetzte Werfer wird – wie das Landsystem – während der Reise zusammengeklappt und im Kampfeinsatz angehoben. Insider gehen davon aus, dass eine schiffsübergreifend ausgerüstete Trägerrakete fest auf dem Deck installiert werden würde, entweder im rechten Winkel oder leicht geneigt. Berichten zufolge wurde während des Tests das Oberdeck mit einem Hitzeschild gesichert, um es vor übermäßiger Hitzeeinwirkung bei einem sogenannten Hangfire einer Rakete zu schützen. Ob die gewählte Lösung beibehalten wird, scheint noch offen zu sein.

Beobachter vermuten, dass der Demonstrator vor Beginn der Serienbeschaffung auf den Status eines flächendeckend schiffstauglichen Iris-T-SLM-Systems umgerüstet werden müsste, was möglicherweise bis 2027 erreicht werden könnte.

Ein weiterer Schritt wäre die Integration des Waffensystems in das Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWes) der Fregatte, was noch nicht in der Tiefe erfolgt ist. Derzeit wird noch das ACNS von Atlas Elektronik verwendet. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, werden die Fregatten der Klasse 125 jedoch künftig mit dem von Lockheed Martin Canada entwickelten FüWes CMS 330 ausgestattet, das als neues Standard-FüWes der Marine festgelegt wird – der Vertrag über die Beschaffung der Software könnte möglicherweise in den kommenden Wochen geschlossen werden.

Es soll bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt worden sein, wonach die Integration von Iris-T SLM in CMS 330 grundsätzlich möglich sei. Für den Kauf von Iris-T SLM für die F125 spricht neben den erfolgreichen Tests auch, dass es sich um eine nationale Schlüsseltechnologie mit hoher deutscher Wertschöpfung handelt und die Produktion massiv ausgeweitet wird, was der Marine einen langfristigen Zugriff auf die Munition ermöglichen würde.

Offenbar gibt es noch ein weiteres Konzept zur Steigerung des Kampfwerts der F125, das kurzfristig in Betracht kommen könnte. Hierbei handelt es sich um das CAMM/SEA CEPTOR-System von MBDA, das ursprünglich für die britischen Streitkräfte entwickelt wurde.

Nach Angaben des Herstellers wurde die Rakete bereits in das dort auch eingesetzte CMS 330 der neuseeländischen Marine integriert, wodurch Entwicklungsarbeiten für die F125 entfallen dürften. Im Gegensatz zur Iris-T kommt beim CAMM, das für den Einsatz auf See gebaut wurde, ein aktiver Radarsucher zum Einsatz, was vor allem bei schlechten Wetterbedingungen von Vorteil sein soll. Nach Angaben des Herstellers ist die Rakete für die Bekämpfung von Zielen mit geringer Signatur optimiert und unempfindlich gegenüber sogenanntem Bodenecho. Der Splittergefechtskopf der Rakete soll 20 kg wiegen.

Das 3,30 Meter lange CAMM wird mit einem Gasgenerator aus dem Startcontainer geschleudert und zündet den Raketenmotor erst in wenigen Metern Höhe. Aus diesem Grund spielen Hangfeuer oder heiße Abgase bei der Installation auf dem Schiff keine Rolle.

Bei der F125 konnte die Rakete, die eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 3 und eine Kampfreichweite von rund 25 Kilometern haben soll, im Fitnessraum auf dem Vorschiff vor dem RAM-Werfer integriert werden. Die Waffe würde mit einem „Maritime Launching System MLS“ mit sechs Zellen ausgestattet sein. Allerdings würde dadurch Platz im Fitnessraum verloren gehen. Bei gänzlichem Verzicht auf den Fitnessraum ließe sich laut Hersteller möglicherweise die doppelte Anzahl an Lenkflugkörpern oder noch mehr integrieren. Eine ebenso risikoarme und aufwandsarme Integration ist laut MBDA auch in einem 10-Fuß-ISO-Container zwischen den Schiffsmasten möglich, in dem sich heute das Iris-T-System befindet.

Ein Nachteil der Rakete besteht jedoch darin, dass sie bisher nicht in die Bundeswehr eingeführt wurde und nicht in Deutschland hergestellt wird. Allerdings nutzen auch Partnermarines in Europa wie die Royal Navy und künftig auch die Seestreitkräfte Polens, Schwedens und Norwegens die Rakete. International sind es noch Chile, Brasilien, Neuseeland und Saudi-Arabien. Dies würde zu einem hohen Maß an Interoperabilität mit befreundeten Nationen führen. Zuletzt hatten sich Deutschland und Großbritannien im Rahmen des Trinity-House-Abkommens für mehr bilaterale Zusammenarbeit in Rüstungsfragen eingesetzt.

Nun bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die Analysen des BAAINBw nach dem Testschießen in Norwegen führen werden und welche Auswirkungen diese auf die Beschaffung haben werden. Zeit ist von entscheidender Bedeutung. Die Fregatten der Klasse 125 müssen dringend über eine ausreichende Luftverteidigung verfügen, um in zukünftigen Kriegsszenarien einsetzbar zu sein.

Lars Hoffmann

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