Hochtouren im Spätsommer – das war eigentlich immer die perfekte Zeit dafür. Doch wo früher Schnee und Eis waren und der Permafrost alles zusammenhielt, stoßen Alpinisten heute auf instabilen, brüchigen Fels und lockeres Geröll.
Gletscherschwund macht hohe Berge gefährlich
Das erlebte Stefan aus Unterhaching zum Beispiel bei der Besteigung der Wildspitze, dem mit 3.768 Metern höchsten Berg der Ötztaler Alpen. Ein mannshoher Felsbrocken habe sich plötzlich gelöst, erzählt der Bergsteiger, als sich ein anderer Bergsteiger daran festhielt. Dass dabei niemand von dem Felsbrocken erschlagen wurde, war pures Glück. Für den 33-Jährigen ein schockierendes Erlebnis.
Doch Bergführer wie Hubert Nagl von der Bergschule Watzmann im Berchtesgadener Land kennen solche Situationen. Steinschlag, offenere Gletscherspalten und steilere Gletscher, tiefe Randrisse am Übergang zwischen Gletscher und Fels – der Rückzug des Eises und das Auftauen des Permafrosts bergen viele Gefahren. Gerade jetzt im Spätsommer, sagt Manfred Lorenz vom DAV Summit Club. Deshalb hat die Bergschule ihr Programm umgestellt. Ab August bietet sie keine Hochtouren in den Alpen mehr an.
„Der Klimawandel hat in den letzten Jahren Auswirkungen gehabt“
Wenn die Nullgradgrenze über Wochen auf über 4500 Meter steige, friere nichts mehr, berichtet der Bergführer aus Tirol. „In den letzten Jahren hat der Klimawandel im Hochgebirge einfach Einzug gehalten.“
„Der Gletscherschwund lässt sich nicht mehr wegdiskutieren, denn wir können ihn sehen.“ Manfred Lorenz, DAV Summit Club
Der Gletscherschwund macht die Lage im Hochgebirge instabiler, unberechenbarer und gefährlicher. Das AlpinCenter Oase in Oberstdorf bietet ebenso wie der DAV Summit Club nur noch bis Ende Juli Hochtouren in den Alpen an. Dafür starten die Tourenanbieter früher in die Saison. Es wäre deshalb gut, wenn die Hütten im Hochgebirge schon Ende Mai oder Anfang Juni öffnen würden. Bisher sind sie zu dieser Zeit meist noch geschlossen.
Hütten früher öffnen?
Passt die traditionelle Hüttensaison noch zu den veränderten Bedingungen im Hochgebirge? Nach einem heißen August sind es nicht nur die alpinen Gefahren für Bergsteiger, sondern auch der Wassermangel, der den hochgelegenen Hütten zu schaffen macht. Mancher reagiere bereits darauf, berichtet Robert Kolbitsch vom Deutschen Alpenverein. Auf der Neuen Prager Hütte am Großvenediger etwa habe sich der Hüttenwirt für eine frühere Öffnung entschieden. Dort beginnt die Saison nun bereits Ende Mai, wenn auch die Bedingungen für eine Besteigung des Großvenedigers deutlich besser seien.
Damit einhergehend gibt es auch weniger Wasserprobleme. Die Neue Prager Hütte auf 2.796 Metern im Nationalpark Hohe Tauern musste bereits vor Ende der regulären Saison wegen Wassermangels wieder schließen.
Gut gegen Wassermangel
Früher öffnen, früher schließen – das Modell der Neuen Prager Hütte könnte Schule machen. Wenn Bergsteiger künftig früher im Jahr im Hochgebirge unterwegs sein müssen, müssten auch die Hüttenöffnungszeiten angepasst werden, sagt Robert Kolbitsch vom DAV. Das alles müsse mit den Sektionen besprochen und dann im Einzelfall entschieden werden. „Wir wollen Bergsport möglich machen und wenn das heißt, die Hütten früher zu öffnen, dann machen wir das“, so Kolbitsch.
Natürlich muss man auch berücksichtigen, dass die Hütten in hohen Höhen nicht nur von Bergsteigern, sondern auch von Weitwanderern bei der Alpenüberquerung genutzt werden. Auch wird man sich Gedanken darüber machen müssen, ob der Betrieb bewirtschafteter Hütten in gewissen Höhenlagen in Zukunft noch Sinn macht.
Fakt ist: Durch den Klimawandel verändern sich die Hochgebirge massiv. Die Berge sind in Bewegung. Wer wie Bergsteiger Stefan in der Wildnis der Dreitausender unterwegs ist, erlebt das hautnah und versteht: Es sind nicht die Berge, sondern die Menschen, die sich an die neue Situation anpassen müssen.
Aktuelle Warnung vor Touren im Hochgebirge
Wegen des Temperatursturzes am Wochenende und der zu erwartenden Schneemengen warnt der Alpenverein vor Wanderungen oberhalb der Waldgrenze. Meteorologen erwarten bis zu 150 Zentimeter Schnee. Kein Wetter für Touren im Hochgebirge, sagen die Experten von Geosphere Austria in Innsbruck. Schon geringe Schneemengen können dazu führen, dass Wegmarkierungen kaum noch erkennbar sind und aus leichten Wanderungen schwierigere Touren werden als geplant.